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Start Beförderungsrecht

Ubers Pseudowissenschaft – Teil 2: der Mindesttarif

von Axel Rühle
25. Oktober 2024
Lesedauer ca. 5 Minuten.
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Wenn man Märchen oft genug wiederholt, werden sie von immer mehr Menschen irgendwann als Wahrheit angesehen – nach diesem Motto agiert die Mietwagenlobby. Jetzt hat sie es mit zwei „wissenschaftlichen“ Auftragsarbeiten versucht. Die zweite befasst sich mit dem Mindesttarif für Mietwagen.

Über die erste der beiden vermeintlich wissenschaftlichen Auftragsarbeiten, eine „Analyse“ der Taxifahrpreise, verfasst von einem Günstling des deutschen Uber-Generalunternehmers Thomas Mohnke, berichtete Taxi Times vor kurzem. Sie war am 30. September auf der Internetseite der Mietwagenunternehmer-Initiative „Wir fahren“ veröffentlicht worden.

Etwas mehr Mühe hat die Mietwagenlobby sich offenbar im zweiten Fall gemacht. Wie der Zufall es will, trägt die Studie, die der US-Fahrdienstanbieter Uber veröffentlicht hat, das gleiche Datum wie Thomas Mohnkes Veröffentlichung: 30.9.2024. Die Studie behandelt die angebliche Wirtschaftlichkeit des Geschäftsmodells von Uber in Deutschland und stammt von der Institut der deutschen Wirtschaft Köln Consult GmbH (IW Consult) aus Köln. Auftraggeber ist die Uber BV (BV ist das niederländische Pendant zur GmbH). Die ersten zwei Sätze auf der Internetseite der IW Consult lauten: „Treffen Sie fundierte Entscheidungen auf Basis unserer empirischen Wirtschaftsforschung. Wir machen Strategien und Konzepte treffsicher und wirksam.“ Nach neutraler Wissenschaft klingt das ebenfalls nicht. Der Begriff Institut ist auch nicht streng geschützt.

Die Studie heißt „Uber in Deutschland – Ein profitables Geschäftsmodell für App-vermittelte Fahrdienste“, umfasst 36 Seiten und ist von drei Mitarbeitern der IW Consult erstellt. Am Anfang steht ergebnisoffen die Frage nach der Wirtschaftlichkeit von Mietwagenunternehmen und der Wirkung von Mindestbeförderungsentgelten. Der entscheidende Schwachpunkt wird auch hier gleich zu Beginn der Studie offenbar: „Die Daten stammen von sämtlichen Mietwagenunternehmen, die in Deutschland den Großteil ihrer Umsätze über die Vermittlung von Uber erzielen und nur eingeschränkt auf andere App-Vermittlungen zurückgreifen“, wie es gleich im ersten Kapitel heißt. Da vielfach nachgewiesen ist, dass das Geschäftsmodell von Uber & Co. und den ausführenden Mietwagenunternehmen nur durch systematische Rechtsverstöße funktionieren und bei Beachtung von Recht und Gesetz unwirtschaftlich wäre, kann den verwendeten Daten, die das Bild eines wirtschaftlichen Geschäftsmodells zeichnen sollen, von vornherein keinerlei Glaubwürdigkeit unterstellt werden.

Diesen Umstand scheinen die Autoren zu ignorieren, wenn sie zum Fazit kommen: „Die App-vermittelten Mietwagenunternehmen sind insgesamt im Branchenvergleich überdurchschnittlich wirtschaftlich. (…) Die Einführung von Mindestbeförderungsentgelten für Mietwagenverkehre würde diese Wirtschaftlichkeit behindern, keinen Beitrag zur Zahlung höherer Löhne für die Fahrer bewirken und kaum zu einer höheren Nachfrage nach Taxiverkehren führen.“ Dass die Löhne der Fahrer in der jetzigen Situation so unterirdisch sind, dass viele von ihnen nur durch Überstunden, Schwarzarbeit und Aufstocken beim Arbeitsamt über die Runden kommen, abgesehen davon, dass sie praktisch gezwungen sind, permanent gegen Recht und Gesetz zu verstoßen, wird geflissentlich ignoriert. Dabei ist einer der Verfasser, Wirtschaftsprofessor Sebastian van Baal, auch Autor der Arbeit „Die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen angesichts neuer Herausforderungen und Megatrends“, einer Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung.

Obwohl die Uber-Studie ungeachtet der falschen Prämisse nach wissenschaftlichen Maßstäben vorgeht, ist die Aussagekraft ihrer Konklusionen durch den grundsätzlichen Makel der unglaubwürdigen Datengrundlage mehr als zweifelhaft. Im Unterschied zur dreiseitigen „Analyse“ von „Wir fahren“ umfasst das Literaturverzeichnis der Uber-Studie immerhin 41 Quellen, darunter solche vom ADAC, von verschiedenen Bundesministerien, vom TÜV Süd, einer IHK, wissenschaftliche Artikel aus internationalen Fachblättern, statistische Erhebungen, aber auch die bekannte rbb-Kontraste-Sendung „Das Uber-System“ von 2023. Eine weitere Quelle ist ein Online-Artikel namens „Wie du beim Bürobedarf deines Unternehmens Geld sparen kannst“, in dem unter anderem empfohlen wird, Tonerkartuschen nachzufüllen, sich für Treueprämienprogramme anzumelden und Büroklammern aus weggeworfenen Dokumenten wiederzuverwenden, statt neue zu benutzen.

Ein Name im Literaturverzeichnis fällt auf: Justus Haucap, jener Wirtschaftsprofessor aus Düsseldorf, der im Zusammenhang mit der Novelle des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) durch eine Gefälligkeitsstudie für Uber bekannt geworden war. Taxi Times berichtete im Juni 2022: „Die Studie war 2015 unter dem Titel „Chancen der Digitalisierung auf dem Markt für urbane Mobilität“ erschienen und laut SZ zuvor noch einmal von Uber-Vertretern beäugt und in Absprache mit Haucap abgeändert worden. So entstand ein Plädoyer für eine umfassende Reform des Personenbeförderungsgesetzes mit Abschaffung der Tarifpflicht, der Begrenzung der Taxikonzessionen und der Ortskundeprüfung.“ Eingefädelt hatte den Kontakt zwischen Uber und Haucap der FDP-Politiker Otto Fricke. Aufgeflogen war das Ganze durch die Uber-Files.

Der Bundesverband Taxi und Mietwagen e. V. (BVTM) reagierte auf die Uber-Studie der IW Consult umgehend mit der Aussage: „Einzige Datenquelle der Untersuchung sind ungeprüfte Angaben von Uber, die vorne und hinten nicht stimmen. Recherchen von Journalisten sowie von kommunalen Behörden regelmäßig beauftragten Gutachtern haben mittlerweile ergeben, dass solche Daten oft erheblich gefälscht sind.“ Geschäftsführer Michael Oppermann zieht die Schlussfolgerung, dass Untersuchungsergebnisse, die auf Daten beruhen, die weder glaubwürdig noch öffentlich zugänglich sind, nicht aussagekräftig sein können. „Die Achillesverse der Untersuchung ist offensichtlich: Die gesamte wissenschaftliche Arbeit ist interessengeleitet und einzige Datenquelle sind unhinterfragte Angaben von Uber.“ Oppermann stellt klar: „Mindestpreise für Mietwagen dienen dem Erhalt eines funktionsfähigen kommunalen Verkehrssystems mit Bus, Bahn und Taxi. Das schützt die Verbraucher (…). Der Bundesverband Taxi und Mietwagen unterstützt die Einführung von Mindestpreisen ausdrücklich, wie sie vom Bundesgesetzgeber ausdrücklich vorgesehen ist und jetzt in mehreren Großstädten vorbereitet wird.“ Der BVTM veröffentlichte dazu eine persönliche Video-Stellungnahme seines Geschäftsführers:

Auch der Taxi- und Mietwagenverband Deutschland e. V. (TMV) spricht von einem „Gefälligkeitsgutachten“ und von einem „klassischen Auftragswerk, für das Uber Geld auf den Tisch gelegt hat“. Hauptgeschäftsführer Patrick Meinhardt: „Dass sich gerade das Institut der Deutschen Wirtschaft in der Auseinandersetzung um den anständigen Mittelstand auf der einen Seite, der die Werte des ehrbaren Kaufmanns lebt, und den Raubtierkapitalisten auf der anderen Seite, die die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft mit Füßen treten, auf die Seite von Uber schlägt, macht mich fassungslos.“ Der TMV fordert wie auch der Bundesverband eine flächendeckende Einbeziehung des Taxis in den öffentlichen Linienverkehr: „Regionalisierungsmittel müssen endlich auch für Taxen investiert werden, und eine wirkliche Nahverkehrsoffensive ist nur mit einem Deutschland-Ticket plus Taxi möglich.“ Das wäre laut TMV der notwendige Qualitätssprung, mit dem echte Mobilitätsgerechtigkeit zu günstigen Preisen für die Verbraucher in Deutschland erreicht werden würde.

Falsch ist der Titel der Studie, der das Ergebnis vorwegnimmt, nicht: Uber in Deutschland ist ein profitables Geschäftsmodell – für Mietwagenunternehmer ohne zu viele Skrupel, für die Uber-Manager, aus deren Portokasse die Studie und bereits viele Millionen an Bußgeldern bezahlt worden sind, und sicher hoffen auch Ubers Dauer-Geldgeber, eines Tages Profit zu sehen. Ob sich allerdings die Hoffnung erfüllt, dass sich die Politik und Verwaltungen von solchen fragwürdigen „Studien“ beeinflussen lassen, darf bezweifelt werden. ar

Beitragsbild: Foto und Collage Axel Rühle

Tags: Bundesverband Taxi und Mietwagen e.V. (BVTM)Michael OppermannMindesttarif für MietwagenPatrick MeinhardtProf. Justus HaucapTaxi- und Mietwagenverband Deutschland e.V. TMVUber & Co.
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Axel Rühle

Der Berlin-Insider ist Funkkurs-Dozent und ursprünglich Stadtplaner. Seit 1992 ist er im Besitz eines Personenbeförderungsscheins und immer wieder auch im Taxi anzutreffen. Inhaltlich betreut er in Wort und Bild alle Themen rund um die Taxi Times Berlin.

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Kommentare 4

  1. Igor Isaev says:
    1 Jahr her

    Es gibt ein gesetzt zu Einführung von Mindestpreisen für Mietwagen und der muss eingeführt werden . Wenn man sich die Zahlen von den Mietwagen Unternehmer wie Uber zieht worauf die Behörden auch das Recht haben wird man ganz schnell erkennen wie gefälscht dieses Gutachten ist und man wird erkennen wieviele Ausgaben tatsächlich noch gibt’s. Man wird erkennen es fällen Zahlungen für Parkplatz für Disponenten und sogar der Versicherung Beitrag wird kleiner ausfallen weil nicht als Personenbeförderung FZG angemeldet sondern als ganz normaler Mietwagen . Schaut man sich noch den Anzahl von Verstößen für Rückkehpflicht dann kriegt man Schock . Alleine bei der Anzahl der Fahrzeuge wie z.b Düsseldorf bzw Köln kann die Zahlen schon nicht stimmen . Viele Mietwagen Fahrer sagen schon selbst der Zustand der Umsätze ist katastrophal geworden weil zu viel Fahrzeuge .

    Antworten
    • Redaktion says:
      1 Jahr her

      Hallo liber Leser, Sie schreiben: „Es gibt ein Gesetz zur Einführung von Mindestpreisen für Mietwagen und das muss eingeführt werden.“ An dieser Stelle müssen wir als Redaktion widersprechen und klarstellen: Es handelt sich hier um eine Kann-, keine Muss-Regelung. Hier der Auszug aus § 51a des Personenbeförderunggesetzes: „Die Genehmigungsbehörde kann zum Schutz der öffentlichen Verkehrsinteressen für den Verkehr mit Mietwagen, der in ihrem Bezirk betrieben wird, tarifbezogene Regelungen, insbesondere Mindestbeförderungsentgelte festlegen.“

      Antworten
      • Igor Isaev says:
        1 Jahr her

        Danke . Habe aus dem Wut geschrieben. Aber Sie haben natürlich Rech .

        Antworten
  2. Sam says:
    1 Jahr her

    In Essen sind zu 90% der Uber Autos mit fremden Kennzeichen unterwegs, D,NE,KR, K,WIT,BO etc. , einer sagte mir , dass sie von ihren Chefs abgeteilt werden. Manche Fahrer wohnen in Essen und gar nicht in diesen Städten wo die Autos hingehören, dagegen ein Essener Taxifahrer wartet mittlerweile auf eine Rechnungsfahrt oder eine Oma die kein Smartphone bedienen kann . In paar Jahren können sie Omas Smartphone bedienen und Uberfahrer wahrscheinlich Rechnung Fahrten machen dürfen , dann dürfen Taxifahrer nach Hause.
    Mit freundlichen Grüßen

    Antworten

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