Die Thematik des neu erschienenen Buches über den Amsterdamer „Taxikrieg“ zu Beginn des Jahrtausends ist sehr aktuell: Plattformvermittelte Fahrer sind häufig ohne Genehmigung und unter Missachtung von Bestimmungen unterwegs.
Die Taxibranche im niederländischen Regierungszentrum Den Haag möchte, dass die Gemeinde strengere Kontrollen bei Fahrern durchführt, die Fahrgäste ohne die erforderliche Genehmigung mitnehmen. Die Fahrer, die eine Taxikonzession haben, sehen, dass Konkurrenten – oft App-Taxis – sich immer noch ohne die erforderlichen Papiere auf den Taxiständen bereithalten. „Es gibt kaum oder keine behördliche Kontrolle mehr“, heißt es in Haager Taxikreisen. „Viele ehrlich arbeitende Taxifahrer sind die Leidtragenden.“ Die Gemeinde hat erklärt, dass sie „gerne“ bereit sei, Gespräche mit den Fahrern aufzunehmen. Die warten aber schon lange auf einen strukturierten Kontakt.
Die Haager Probleme sind nicht typisch für die „Residenz“, wie die niederländische Regierungsstadt genannt wird. Sie treten in allen Großstädten in den Niederlanden und in vielen weiteren Städten Europas auf: Der Markt des Personenverkehrs wird überflutet von (oft illegalen) Fahrern, die für Plattformen wie Uber und Bolt fahren. Die behördlichen Kontrollen von Taxis und Mietwagen bzw. App-vermittelten Fahrzeugen (in den Niederlanden auch als Taxis gekennzeichnet) sind rückläufig. Gleichzeitig fehlt in vielen Städten in Europa der politische Rahmen, um legale Taxifahrer in der Mobilitätspolitik zu unterstützen und ihnen Schutz vor illegaler Konkurrenz zu bieten.
Die Liberalisierung des Personenverkehrsgesetzes in den Niederlanden vor bald 25 Jahren (am 1. Januar 2001) traf vor allem die Taxiunternehmer in den Großstädten Amsterdam, Rotterdam, Den Haag und Utrecht. Von einem Tag auf den anderen verloren sie ihre Investition, als ihre Konzessionen – bis dahin verhandelt als Pensionsfürsorge – wertlos wurden und aufgrund sanfter Zulassungsregeln neue Unternehmen mit neuen Konzessionen auf den Markt kamen. In Amsterdam, wo damals die Taxi Centrale Amsterdam (TCA) mit etwa 1.400 Taxis dominierte, führte dies schon am Anfang des Jahres 2000 zu Demonstrationen gegen die Regierung und gezielt gegen die verantwortlichen Politiker. Es folgte ein brisanter „Taxikrieg“ gegen neue Anbieter (allen voran die Taxizentrale „Taxi Direkt“), unterstützt von den drei TCA-Direktoren. Diese Manager waren die unauffälligen Drahtzieher der Taxiproteste und verloren mit dem Wegfall der Konzessionsvermittlung ein beachtliches Einkommen. Der sehr aggressive Taxikrieg, der auch auf den Straßen und Taxiständen der Stadt ausgetragen wurde, führte und führt noch immer zu einer Flut von Artikeln in Magazinen und Zeitungen, Kinofilmen, Büchern und Podcasts. Nur ein TCA-Direktor – ein ehemaliger Mitarbeiter der Kripo und der Amsterdamer Taxibehörde – wurde bestraft, allerdings nicht für die Streitereien auf der Straße, sondern für seine Hanfplantage.
An jene Auseinandersetzungen erinnert der heutige Streit zwischen Taxis und Mietwagen bzw. App-Taxis in vielen Städten Europas, wo sich der Gesetzgeber und die lokalen Behörden oft – einige positive Beispiele der Regulierung ausgenommen – weit vom Mobilitätsspielfeld zurückgezogen haben.
Jetzt, da fast 25 Jahre später ein neues Buch über die „Taxioorlog“ (den Taxikrieg) erschienen ist, findet Mitte Juni in Amsterdam ein neuer Diskussionsabend über dieses Phänomen statt. Hintergrund ist die geforderte Novellierung der Taxigesetzgebung, die damals für die Städte zu sehr liberalisiert wurde. Die Hauptfrage für eine neue Taxipolitik lautet: „Wer darf in Amsterdam Taxi fahren?” Für die Taxibetriebe außerhalb der niederländischen Metropolen war das liberalisierte Gesetz niemals ein Problem, denn ihre Aktivitäten bestanden zu 85 Prozent aus Fahrten im Sozialbereich, etwa Kranken- und Dialysefahrten.
Vor genau zehn Jahren wurde die Taxiwelt in Amsterdam, Rotterdam, Utrecht und Den Haag einer drastischen, regulativen Erneuerung unterzogen, nachdem die Gesetzgebung von 2001 nicht den erwarteten disziplinierenden Effekt auf die Taxiwelt hatte. Von diesem Moment an mussten Fahrer, die an Taxiständen warteten, einer autorisierten Taxiorganisation (TTO) angeschlossen sein. Diese Taxizentralen-ähnliche Organisation wurde für das Benehmen ihrer Fahrer verantwortlich gemacht. Darüber hinaus müssen die Fahrer eine Reihe von Anforderungen erfüllen, um die Qualität sicherzustellen, und sind für Kundenfragen und ‑Klagen verantwortlich. Für ein zusätzliches Haager Taxi-Gütezeichen müssen die Fahrer extra zahlen.
In der Praxis ist jedoch mittlerweile zu beobachten, dass immer mehr Fahrer unterwegs sind, ohne einer solchen Organisation angeschlossen zu sein oder ein Gütezeichen zu haben. „Fahrer, die keiner TTO angeschlossen sind, können ungestraft herumfahren und an Ständen stehen.“ Die lokale Taxistiftung stellt außerdem fest, dass an den Halteplätzen zunehmend Fahrer präsent sind, die Kunden über Online-Plattformen vermittelt bekommen, also das Pendant zu den deutschen Mietwagen. Dies ist nicht erlaubt. Nach Angaben der Stiftung gibt es gar keine Kontrolle durch die Gemeinde. Dadurch verlieren Fahrer, die einer TTO angeschlossen sind, ihr Vertrauen in das System. Sie wollen, dass mehr Kontrollen eingeführt und Sanktionen verhängt werden.
Eine weitere Beschwerde von Taxifahrern, nicht nur in Den Haag, betrifft die mangelnde Einbeziehung des Gewerbes durch die Gemeinde. Die Stiftung: „Die Branche ist auch bei wichtigen Aktivitäten, die Taxiunternehmen betreffen, nicht ausreichend eingebunden.“ Es scheint nichts zu passieren und es gibt praktisch keine Kommunikation. „Obwohl Taxis im Zentrum von Den Haag zum Beispiel noch nicht zur Null-Emissionszone gehören, sind die Fahrer nicht informiert und haben keine Ahnung von der Lage.“
Die Fahrer fordern die Gemeinde auf, sie ernst zu nehmen und mit ihnen Gespräche zu führen. Laut dem Sprecher des Stadtrats, Arjen Kapteijns, ist die Gemeinde „glücklich“, genau dies zu tun. Nach Angaben des Sprechers finden die Beratungen bereits alle sechs Wochen statt, wobei die Termine manchmal verstreichen. Der letzte war Mitte März.
Der Sprecher erklärt weiter, dass die Gemeinde „gleiche Wettbewerbsbedingungen“ für den Taximarkt und neuere Dienste wie Bolt und Uber wolle. Für Ersteres gelten weitere Regeln. Um diese Regelungen zu harmonisieren, muss das Gesetz national neu novelliert werden. Und das könne mehrere Jahre dauern, sagte der Sprecher. „Die Gemeinde ist mit der Gesetzesänderung einverstanden. Die Gemeinde passt ihre Regelungen aufgrund der Gesetzesänderungen an.“
„Es ist Zeit zum Handeln, die Taxibranche in Den Haag möchte, dass sich etwas ändert“, schreibt der Vorstand der Taxistiftung Haaglanden in einem dringenden Brief an den Bürgermeister, die Stadträte und den Gemeinderat. „Wir haben in den letzten Jahren immer wieder unsere Unzufriedenheit mit dem Vorgehen und der mangelnden Priorität der Politik im Taxigewerbe zum Ausdruck gebracht. Leider haben wir festgestellt, dass die Gemeinde nicht auf die Signale reagiert.“ wf
Beitragsbild: Taxihalteplatz in Amsterdam; Foto: Wim Faber