Die Vollversammlung der Berliner IHK hat ein Positionspapier verabschiedet, in dem unter anderem die Bekämpfung von unfairen Wettbewerbsverzerrungen durch Mietwagen gefordert wird. Es trägt in Teilen die Handschrift von Boto Töpfer, dem Chef des Taxiverbands Berlin, Brandenburg e. V.
„Lobbyarbeit hat Erfolg“, fasst Boto Töpfer das Resultat seiner Bemühungen kurz und trocken zusammen, die Berliner Industrie- und Handelskammer für das Problem der Schattenwirtschaft (Begriffserklärung weiter unten) und Schwarzarbeit im Mietwagengewerbe nicht nur zu sensibilisieren, sondern sie auch zu einer ablehnenden Position mit entsprechenden Forderungen an die Politik zu bewegen. Der Vorsitzende des Taxiverbandes Berlin, Brandenburg e. V. (TVB) freut sich nicht nur, für das Taxigewerbe einen Erfolg im Kampf gegen den unlauteren Wettbewerb erzielt und ein größeres Problembewusstsein in der Unternehmerschaft geschaffen zu haben. Er begrüßt darüber hinaus, dass seine gewerbepolitische Arbeit, die häufig für die Unternehmen unsichtbar in Form von Gesprächen, Beratungen und Verhandlungen hinter verschlossenen Türen abläuft, einmal ein offen sichtbares Ergebnis zeigt und damit jenen Unzufriedenen, die gerne behaupten, die Verbände würden nichts tun, einen Gegenbeweis liefert.
Industrie- und Handelskammern (IHK) vertreten die Interessen ihrer Mitglieder, der Gewerbebetriebe in der Region, für die sie zuständig sind, gegenüber der Politik und der Öffentlichkeit. Sie betreiben also Lobbyarbeit. Gleichzeitig haben sie ein Interesse an einem funktionierenden Staat ohne finanzielle Schwierigkeiten.
Auch das Transportgewerbe ist Teil jeder IHK, und das Berliner Taxigewerbe hat in der hauptstädtischen Gewerbeorganisation drei Vertreter bzw. Fürsprecher: Dr. Lutz Kaden, Branchenkoordinator Verkehr im Ressort Wirtschaft & Politik (der allerdings nicht Mitglied der Vollversammlung ist); Boto Töpfer, TVB-Chef und Taxiunternehmer aus Charlottenburg und Michael Klewer, Taxiunternehmer aus Niederschönhausen und eines der wenigen Mitglieder der „Innung“ des Berliner Taxigewerbes e. V. mit Mehrwagenbetrieb.
Die IHK berät die Politik, und eines der brennenden Probleme im Land Berlin ist der klamme Landeshaushalt. Auf ihrem Zusammentreffen am 9. Juli hat das oberste Entscheidungsgremium der IHK Berlin, die Vollversammlung, ein Positionspapier mit Vorschlägen zur Konsolidierung des angeschlagenen Landeshaushalts im Sinne des Wirtschaftsstandort Berlins zur Abstimmung gebracht. Unter dem Motto „Wirtschaft braucht solide Landesfinanzen“ waren 15 Vorschläge als Grundlage für die Beschlussfassung präsentiert worden.
Das Themenfeld ist in sechs „Bausteine“ unterteilt. Der vierte lautet „Einnahmen durch konsequente und digitalisierte Kontrollen stärken, u. a. im Rahmen der Bekämpfung von Schattenwirtschaft, durch zeitnahe Betriebsprüfungen und eine moderne Parkraumbewirtschaftung“. Steuer- und Abgabenerhöhungen wie die jüngste Erhöhung der City Tax werden darin als falscher Weg bezeichnet. Zusätzliche finanzielle Belastungen würden den Unternehmen schaden und Arbeitsplätze gefährden.
Um stattdessen Einnahmen zu stärken, werden Vorschläge gemacht, die exemplarisch seien „für eine Vielzahl von Einnahmepotenzialen, die das Land Berlin noch nicht oder nur teilweise ausgeschöpft hat.“ Diese gelte es zu identifizieren und zu heben.
Im ersten von drei Unterpunkten „Schattenwirtschaft und unfaire Wettbewerbsverzerrungen stärker bekämpfen“ wird festgestellt, dass die Schattenwirtschaft in Deutschland seit 2021 wieder verstärkt auf dem Vormarsch ist und 2024 einen geschätzten Umfang von 481 Milliarden Euro und somit 11,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erreichte. „Rechnet man dies (vereinfachend) auf das Berliner BIP im Jahr 2024 um, ergibt sich für die Bundeshauptstadt eine geschätzte Höhe der Schattenwirtschaft von 23,4 Mrd. Euro.“ In einem anschaulichen Säulendiagramm ist auf den ersten Blick zu erkennen, dass der Umfang der Schattenwirtschaft von 2010 bis 2019 abnahm, seit 2022 aber jedes Jahr wieder mehr wurde.
Die Schattenwirtschaft untergrabe das Vertrauen in eine regelbasierte Wirtschaft und stehe im direkten Widerspruch zum Leitbild des Ehrbaren Kaufmanns, heißt es in dem Papier weiter. „Um gegen unfaire Wettbewerbsverzerrungen vorzugehen, Einnahmepotenziale für den Haushalt zu heben und das Vertrauen in den Rechtsstaat zu steigern, muss Berlin seine Anstrengungen zur wirksamen Bekämpfung von Schattenwirtschaft und Schwarzarbeit weiter verstärken. Anstatt immer mehr Regulierungen zu schaffen, braucht es regelmäßige, gezielte und effektive Kontrollen. Denn nur durch eine konsequente und gut ausgestattete Kontrollpraxis lassen sich bestehende Regelungen nachhaltig durchsetzen.“
Dann folgt die Formulierung, die klar Töpfers Handschrift trägt: „Ein Beispiel ist der Berliner Taxi- und Mietwagenmarkt, auf dem seit der Entwicklung von Plattformen für die Bestellung individueller Fahrten zunehmend Wettbewerbsfragen auftauchen und sich Schwarzarbeit und Schattenwirtschaft ausbreiten.“
Als weitere Beispiele für hohe Schäden durch Schattenwirtschaft werden das Bauhauptgewerbe mit einem Drittel Schwarzarbeit, das illegale Glücksspiel und die Vermietung von privaten Ferienwohnungen und ‑häusern über Online-Vermietungsportale genannt.
Im zweiten der drei Unterpunkte wird gefordert, das System der Parkraumbewirtschaftung zu ändern, um „unzeitgemäße Privilegien für den privaten Autoverkehr“ abzuschaffen. Vor allem solle das Anwohnerparken, das in Berlin so preisgünstig sei wie in keiner anderen deutschen Großstadt, deutlich teurer werden – mindestens um das 3,5-Fache, damit die Parkvignetten für die öffentliche Hand kein Zuschussgeschäft mehr sei, besser noch auf mehr als das Zehnfache, um damit nennenswerten Gewinn zu erzielen. Hier hätte Töpfer gerne Ausnahmen für gewerblich genutzte Fahrzeuge wie Taxis im Positionspapier festgeschrieben, da er gerade für die Taxibranche eine existenzielle Bedrohung in der Parkraumbewirtschaftung sieht (mehr dazu in einer gesonderten Meldung). Mit diesem Wunsch konnte er sich jedoch nicht durchsetzen. Stattdessen ist noch die Rede davon, dass die Kontrolle und Ahndung von Falschparken dringend automatisiert werden müsse, um Kosten deutlich zu senken.
Im dritten und letzten Unterpunkt des Kapitels „Einnahmen durch konsequente und digitalisierte Kontrollen stärken“ kommen zwar nicht die Begriffe Taxi und Mietwagen vor, doch werden auch hier Forderungen formuliert, deren Umsetzung dem Taxigewerbe zugute käme. Unter der Überschrift „Einnahmepotenziale durch moderne und zeitnahe Betriebsprüfung heben“ wird von der „verfassungsrechtlichen Verpflichtung zur Herstellung von Steuergerechtigkeit“ gesprochen. Im Taxigewerbe drängt sich augenblicklich das Problem der 12-, 18- oder 20-Monats-GmbHs auf, ein Geschäftsmodell, bei dem Kriminelle Mietwagen- und Taxiunternehmer kühl mit der Überforderung und Langsamkeit der Behörden kalkulieren. In Berlin würden Großbetriebe noch weniger häufig geprüft als im Bundesdurchschnitt. Auch sei die Zahl der mit Außeneinsätzen befassten Betriebsprüferinnen und Betriebsprüfer in den Berliner Finanzämtern seit 2008 um knapp 14 Prozent gesunken, von 653 auf 563 Vollzeitstellen. Dieser Trend sei erst 2024 umgekehrt worden.
Auch könne man durch eine stärkere Digitalisierung der Betriebsprüfung hohe Effizienzgewinne für Unternehmen und für die Finanzverwaltung erzielen. „Dazu gehören u. a. eine moderne, digitale Kommunikation zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung, die Nutzung künstlicher Intelligenz im Prüfungskontext sowie eine Verringerung der Prüfungstiefe bei Vorliegen eines ordnungsgemäßen Tax Compliance Management Systems. So können Prüfungsverfahren beschleunigt und damit hoher Ressourcenaufwand für alle Verfahrensbeteiligten reduziert werden. Des weiteren ließe sich die Effizienz durch eine verbesserte, risikoorientierte Fallauswahl der zu prüfenden Betriebe deutlich erhöhen.“
Sollten derartige Veränderungen bei der Prüfung von Mietwagenbetrieben zustande kommen, würde möglicherweise ein entscheidender Schritt gegen die Schattenwirtschaft auf dem Personenbeförderungsmarkt gelingen.
Den Begriff Schattenwirtschaft, international „shadow economy“, erläutert die Bundeszentrale für politische Bildung als „Bezeichnung für alle wirtschaftlichen Leistungen, die nicht in die Berechnung des Sozialprodukts eingehen. Dazu gehören z. B. Hausarbeit und häusliche Selbstversorgung oder Nachbarschaftshilfe und ehrenamtliche Leistungen, die als Selbstversorgungswirtschaft von der Statistik nicht erfasst werden, und illegale wirtschaftliche Tätigkeiten, die mit Straftaten (z. B. Drogenhandel) oder Steuerhinterziehung (z. B. Schwarzarbeit) verbunden sind.“
Im internationalen Vergleich des „EY Global Shadow Economy Report 2025“ liegt Deutschland weltweit auf Platz 7 der Staaten mit den „größten Schattenwirtschaften“ mit 308 Milliarden US-Dollar. Spitzenreiter ist China mit 3,6 Billionen, gefolgt von den USA mit 1,4 Billionen, Indien mit 931 Milliarden, Brasilien mit 448 Milliarden, Indonesien mit 326 Milliarden und Mexiko mit 320 Milliarden Dollar. Hinter Deutschland folgen Japan, Russland, Frankreich, die Türkei, Italien und Großbritannien.
Eine ganz andere Rangfolge ergibt sich allerdings, wenn man nicht die absoluten Zahlen miteinander vergleicht, sondern den Anteil der Schattenwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt der jeweiligen Volkswirtschaft. Dann ist Indien Spitzenreiter mit 26,1 %, gefolgt von Indonesien mit 23,8 %, Brasilien mit 20,6 % und China mit 20,3 Prozent. Deutschland liegt bei 6,8 Prozent – noch immer knapp mehr als Japan und Frankreich (je 6,7 Prozent) und auch mehr als die USA, die auf „nur“ 5 % kommen. ar
Beitragsbild: IHK Berlin (Foto: IHK); Boto Töpfer (Foto: Axel Rühle); Entwurf des Positionspapiers








