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Verzweifelte Taxifahrer in New York wählen drastisches Druckmittel

von Wim Faber
29. Oktober 2021
Lesedauer ca. 3 Minuten.
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Verzweifelte Taxifahrer in New York wählen drastisches Druckmittel
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Als letztes Mittel für eine praktikable Umschuldung sind letzte Woche Mittwoch mehrere Dutzend Taxifahrer vor dem New Yorker Rathaus in einen Hungerstreik getreten.

Die Fahrer, die der New York Taxi Workers Alliance (NYTWA) angeschlossen sind, demonstrieren seit über einem Monat vor dem Rathaus. Ein Viertel von ihnen kommt aus Asien, und viele von ihnen haben Hunderttausende von Dollar Schulden, nachdem sie betrogen wurden und Taxilizenzen, die sogenannten Medaillons, zu künstlich überhöhten Preisen (und Krediten) verkauft bekamen – oft mit Wissen der lokalen Lizenzbehörde, der Taxi and Limousine Commission (TLC).

„Ich habe alles verloren“, sagte der 49-jährige Taxifahrer Mohamadou Aliyu gegenüber NBC Asian America. Als Aliyu 2004 sein Medaillon für 100.000 Dollar (86.000 Euro) bei einer Auktion in New York City noch relativ billig kaufte, sagte er, es habe sich angefühlt, als hätte er seinen Traum wahr gemacht. „Das Leben war schön“, sagte er über die ersten Jahre nach dem Kauf. Mit seinem eigenen Taxi Geld zu verdienen, war für ihn der gelebte „American Dream”. Er fühlte sich als Aufsteiger. Der hohe Preis des Medaillons schien es wert zu sein. Aber dieses Glück war nur von kurzer Dauer.

Als Uber und Lyft populärer wurden, stiegen immer weniger Leute in Aliyus Taxi. Gleichzeitig trieben Banker, Makler und Investoren die Preise für Taxi-Medaillons und Kredite künstlich in die Höhe – bis zu einer Blase mit einem Höchststand von mehr als einer Million US-Dollar (860.000 Euro). Er sagte, dass er damals – wie viele Immigranten, die von den Medaillon-Betrügern ins Visier genommen wurden – nicht wusste, dass der von ihm unterzeichnete Kredit nicht so sorgfältig und seriös arrangiert war, wie er dachte, und sein Traum wurde zu einem Albtraum. Er schuldet den Kreditgebern jetzt 630.000 Dollar (541.000 Euro). Jetzt, sagt er, sei er verzweifelt. Nachdem er schon 32 Tage lang in einem Protestcamp vor dem Rathaus gezeltet hatte, sagte Aliyu, der Hungerstreik sei „alles, was noch übrig bleibt, um Druck auszuüben“.

Lange Zeit waren die Investition in ein New Yorker Taxi-Medaillon und der Besitz eines Taxis ein Schritt zur Verwirklichung des amerikanischen Traums: eine Eintrittskarte in die amerikanische Mittelschicht. Taxifahrer kauften Häuser und schickten ihre Kinder mit dieser soliden Investition als Sicherheit zur Schule. Banken gaben gerne Kredite dafür. Aber die preistreibenden Aktivitäten zwielichtiger Makler, Investoren und Banken führten zu explodierenden Medaillonpreisen und überhöhten Kreditsummen, die Taxifahrer in die Knie zwangen.

Der durchschnittliche Taxifahrer mit Medallion in New York schuldet Kreditgebern 500.000 Dollar (etwa 429.000 Euro), und viele sagen, ihre Bedingungen seien erbärmlich. Sie haben keine Krankenversicherung oder Altersvorsorge und leben sogar am Rande der Obdachlosigkeit. Und obwohl sie im Taxi extrem lange arbeiten, können sie die Schulden kaum abbauen. 2018 nahmen sich deswegen mehrere Taxifahrer das Leben. Dadurch hat Aliyu neun Kollegen verloren – und denkt oft selbst an diesen „Ausweg”.

Es sei eine Situation, die von Tag zu Tag verzweifelter werde, sagte Bhairavi Desai, Präsident der Taxigewerkschaft NYTWA, die mehr als 15.000 Fahrer vertritt. Und sie hofft, dass der Hungerstreik Bürgermeister Bill de Blasio die Misere der Taxifahrer verdeutlichen wird. „Wir müssen dem Bewusstsein des Rathauses einen großen Schock versetzen“, sagte Desai gegenüber NBC. De Blasio schlug im März ein Entschuldungspaket vor, das Banken 65 Millionen Dollar (55 Millionen Euro) bietet, mit der Option, einen Teil der Schulden zu erlassen. Aber die Fahrer sagen, das sei eine halbe Sache. Nach dem Plan des Bürgermeisters, sagte Aliyu, würden seine Schulden von 541.000 Dollar nur auf 520.000 Dollar (446.000 Euro) reduziert. „Ich werde für den Rest meines Lebens so versklavt“, sagte er. „Nicht nur, dass ich es nie abbezahlen kann – meine Kinder werden es auch nie abbezahlen können.“

Der Vorschlag der Gewerkschaft NYTWA fordert eine von der Stadt unterstützte Kreditgarantie, die Kreditgeber – eine ganz kleine und ausgewählte Gruppe – an den Tisch bringen müssen, um über einen Schuldenerlass zu verhandeln. Am Ende des Programms, sagte Desai, sollte kein Kredit 145.000 Dollar (124.000 Euro) überschreiten und die monatlichen Zahlungen würden auf 800 Dollar (687 Euro) reduziert.

De Blasios Vorschlag sei ein Tropfen auf den heißen Stein, sagt sie. Es würde die Taxifahrer, die kaum genug für Miete und Lebensmittel haben, zu lebenslanger Armut verurteilen. Sie protestierten im vergangenen Monat und forderten De Blasio auf, den Plan des Bündnisses zu genehmigen, von dem seine Fahrer sagen, dass er einen Ausweg bieten würde.

„Ohne diesen Schuldenerlass für Tausende unserer Familien gibt es keine realistische Lösung“, sagten sie. Bezeichnenderweise war sich die Genehmigungsbehörde TLC der künstlichen Preiserhöhung bewusst, aber wollte nie eingreifen. Die Stadtverwaltung ist daher mitverantwortlich für die entstandene Situation. Aber die Stadt zieht es vor, in plakativen Pressemitteilungen für den Hilfsplan des Bürgermeisters zu werben. Andere Spitzenpolitiker unterstützen die Streit der Taxifahrer. Die tatsächlichen Gewinner sind aber die Makler, die Hunderte von Medaillons besitzen und durch diesen Plan großzügig für ihre überhöhten Kredite bezahlt werden. wf

Tags: New YorkTaxi-MedallionsTaxi-Streik
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Wim Faber

Der „Brüsseler Niederländer“ und gelernte Kommunikationsspezialist berichtet seit den 80-er Jahren für eine Reihe von Taxi- und ÖPNV-Fachzeitschriften in Europa, Nordamerika und Australasien über das Taxi und die Mobilität im weitesten Sinne.

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