Zur Tätigkeit des Taxifahrers gehört die Nachtschicht schon aufgrund der gesetzlich festgelegten Betriebspflicht zur regulären Arbeitsplatzbeschreibung. Trotzdem herrscht immer noch große Unsicherheit darüber, ob, wann und wieviel Nachtzuschläge den Mitarbeitern zustehen. Wie genau lauten hier die gesetzlichen Regelungen?
Das Arbeitszeitgesetz legt gemäß Paragraf 6 unmissverständlich fest, dass „für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder ein angemessener Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren“ ist. Und es definiert in Paragraf 2 ebenso eindeutig, was als Nachtarbeit gilt. Auf Basis dieser gesetzlichen Regelung haben dann verschiedene gerichtliche Entscheidungen neben der Verpflichtung zur Zahlung von Nachtzuschlägen im Laufe der Jahrzehnte auch deren Höhe genauer definiert. Was genau bedeutet das aber im Taxialltag?
Zunächst ist hier natürlich die Frage erlaubt, warum speziell das Taxigewerbe sich so schwertut, diese gesetzlichen Regelungen als auch für sich gültig anzuerkennen. Hier spielt vor allem die jahrzehntelange Praxis der prozentualen Bezahlung eine große Rolle. Schon allein weil man nachts viel schneller vorankommt, ließen sich in Nachtschichten, wenn nur genug los war, immer höhere Umsätze pro Schicht erzielen. Wenn aber umsatzabhängig und prozentual für Tag- und Nachtschicht auf gleichem Niveau bezahlt wird, dann verdienen Nachtfahrer in der Regel auch etwas mehr als die Tagschicht. Und wenn nichts los war, dann machte man nachts vielfach einfach Feierabend, da man ohne Umsatz ja auch nichts verdiente.
Hinzu kommt, dass Nachtzuschläge nach bestimmten Regelungen steuerfrei gezahlt werden können, denn auch diese Option lag im Interesse von Chef und Angestellten, da weniger Abgaben zu zahlen waren und gleichzeitig mehr Netto vom Brutto blieb. Das Verhältnis zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern war offensichtlich ausbalanciert und wo kein Kläger ist, da ist auch kein Richter.
Erst die Einführung eines Mindestlohns störte diese Balance. Zum einen konnte man auch Geld verdienen, wenn nichts los war und zum anderen verdiente man da, wo im Gegenzug die prozentualen Regelungen ganz oder zumindest teilweise aufgehoben wurden, vielleicht sogar tagsüber und nachts mehr oder weniger das Gleiche. Gleichzeitig waren Zuschläge tatsächlich zusätzlich zum fixierten Grundlohn zu zahlen, und waren nicht mehr Teil des Deals. Das Risiko von Lohnzahlungen ohne Umsatzausgleich lag mit einem Mal ausschließlich beim Unternehmen.
Das Gleichgewicht zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern war also vor allem da massiv gestört, wo die Mindestlohnreglungen ohne die Verzerrung durch verlängerte Pausenzeiten sachgerecht umgesetzt wurden. Und so kam es, dass sich tatsächlich erstmals im Jahr 2019 ein Gericht speziell mit den Regelungen zur Verpflichtung zur Zahlung von Nachtzuschlägen im Taxigewerbe auseinanderzusetzen hatte.
Bevor diese Entscheidung dargestellt wird, gilt es aber zu klären, wie Nachtarbeit exakt definiert ist. Gemäß Paragraf 6 des Arbeitszeitgesetzes gilt: Nachtarbeit wird immer dann geleistet, wenn im Zeitraum zwischen 23 und 6 Uhr der Arbeitsanteil einer Schicht nach 23 Uhr mehr als zwei Stunden beträgt. Dieser Anteil gilt dann als Nachtschicht, er beträgt also maximal sieben Stunden pro Kalendertag. Parallel stellen die sozialversicherungs- und finanzrechtlichen Regelungen freiwillige oder tarifliche Zuschlagszahlungen im Zeitraum von 22 bis 6 Uhr in Höhe von maximal 25 Prozent steuerfrei, im Zeitraum von 0 bis 4 Uhr erhöht sich dieser Wert sogar auf 40 Prozent.
Diese beiden Regelungen sind also voneinander zu unterscheiden, die Erste regelt, was definitiv und ohne Wenn und Aber zur Nachschicht gehört und die Zweite lediglich, wie mögliche Zahlungen in der Folge dann abgabenrechtlich zu behandeln sind. Eine zumindest Laien recht unbekannte Besonderheit ist dabei, dass solche Zuschläge trotz ihrer Abgabenfreiheit für Steuer und Sozialversicherung für die Beitragsbemessung der Berufsgenossenschaftsbeiträge aber durchaus mit in der Gesamtbruttolohnsumme zu berücksichtigen sind.
Die weitere Praxis, in welcher Höhe Zuschläge verpflichtend zu zahlen sind, haben im Laufe der Jahre Gerichtsentscheide ausgestaltet, die Gesetze selber schweigen sich darüber aus. Diese Grundsatzurteile wiederum ergeben den Tenor, dass der minimale Nachtzuschlag für regelmäßige Nachtarbeit höher liegen muss als der für gelegentliche Nachtarbeit. Maximal verwirrend ist dann, dass man dies gleichzeitig auch umgekehrt sehen kann, Taxi Times berichtete. Hier war zu unterscheiden, was minimal verpflichtend zu zahlen ist und was dagegen tariflich vereinbart werden darf.
Nun ist die Vorarbeit geleistet und es kann endlich die Entscheidung des Arbeitsgerichts Oldenburg (AZ: 6 Ca 274/18) dargestellt werden, welche Nachtzuschläge im Taxigewerbe verpflichtend gezahlt werden müssen. Das Gericht hatte dazu eine sehr klare Wertung über die Höhe solcher Minimalzuschläge für regelmäßige und unregelmäßige Nachtschichten im Taxigewerbe gefunden. Es galt zu entscheiden, ob einer Taxifahrerin, die regelmäßig und ausschließlich in der Nachtschicht arbeitete, 30 Prozent Nachtzuschlag zustünden. Ihr Arbeitgeber hatte diese Nachtarbeit bis dato mit 15 Prozent honoriert. Das Gericht stellte dazu fest, dass verschiedene gerichtliche Entscheidungen auch des BAG in diesem Zusammenhang die Zahlung von 25 Prozent für unregelmäßige und 30 Prozent für regelmäßige Nachtschichten als Minimalwert vorsähen. Allerdings gäbe es auch Entscheidungen, gerade für ganz klassische Nachtarbeit, wie sie beispielsweise an Hotelrezeption geleistet werde, die 15 Prozent für rechtens erachtet hätten.
Das Oldenburger Gericht ging danach davon aus, dass unregelmäßige Nachtarbeit generell mit minimal 20 Prozent und regelmäßige Nachtarbeit mit minimal 25 Prozent zu honorieren sei. Diese Werte gelten allerdings nach Einschätzung des Gerichts für solche Nachtarbeit, welche Arbeitgeber lediglich aus Effizienzgründen wünschten, beispielsweise um teure Maschinen auszulasten oder um die Freizeitbedürfnisse ihrer Kunden zu befriedigen. Daher würden solche Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer nur deswegen nachts einsetzen, um ihre Einnahmen zu optimieren. Taxiunternehmen unterlägen dementgegen einer Betriebspflicht, welche sie sozusagen zwingt, ihre Arbeitnehmer auch nachts arbeiten zu lassen. Daher seien hier minimal 15 für gelegentliche bzw. 20 Prozent für regelmäßige Nachtschichten als ausreichend zu sehen.
Im Gegensatz zur regelmäßig verpflichtenden Zahlung von Nachtzuschlägen sind im Übrigen Sonn- und Feiertagszuschläge nicht verpflichtend zu zahlen. Solche Vereinbarungen sind immer freiwillig, können aber, wenn sie vereinbart werden, unter bestimmten Voraussetzungen auch abgabenfrei ausgezahlt werden. Lediglich wenn ein Arbeitnehmer vereinbarungsgemäß regelmäßig immer an denselben Wochentagen arbeitet und auf einen solchen dann ein gesetzlicher Feiertag fällt, dann hat er dort frei. Er hätte sozusagen also einen zusätzlichen bezahlten Urlaubstag. Wenn er dann trotz dieses Feiertags auch an diesem Tag arbeitet, dann steht ihm ein Freizeitausgleich dafür zu, er müsste also zum Ausgleich an einem anderen Tag freibekommen. Eine verpflichtende Sonderzahlung ist hier jedoch nicht vorgesehen. Und arbeitet er vereinbarungsgemäß unregelmäßig an wechselnden Tagen, dann gibt es für die Arbeit an einem Feiertag auch keinen zusätzlichen Anspruch auf Freizeitausgleich. rw
Beitragsfoto: Symbolbild Remmer Witte
Vereinbarungen über die Zahlung von Sonntag- und Feiertagen sind „immer freiwillig“? Wirklich immer? Sicher nicht so ganz.
Es gibt schon Umstände, die gerade Taxiunternehmer*innen zwingen, diese Zuschläge zu zahlen: Denn es gibt sehr viele Taxitarife in D, die an Sonn- und Feiertagen ganztägig höher sind. Und dafür gibt es ja nur eine einzige Begründung: Die Zahlung von Sonn- und Feiertagszuschlägen!
Dafür meinen ausdrücklichen Dank an die jeweiligen Genehmigungsbehörden, die die Taxiunternehmer*innen dadurch zur Zahlung von Sonn- und Feiertagszuschlägen verpflichten.
Zu den Nachtzuschlägen:
Ich finde es auch hier bemerkenswert, dass (insbesondere in NRW) viele Nachttarife (Quelle: Taxitimes und Innenspiegel) bereits ab 22(!) Uhr beginnen. Somit muss auch dem Fahrpersonal bereits ab diesem Zeitpunkt ein Nachtzuschlag gezahlt werden. Oder etwa nicht?
Es sei denn, die Genehmigungsbehörde will den Unternehmen Gutes tun, indem sie denen erlaubt, die verpflichtende Zahlung ab 23 Uhr durch einen höheren Tarif ab 22 Uhr quasi vorzufinanzieren. Das erscheint dann aber doch eher abwegig…
Zum Oldenburger Urteil:
Dieses ist eigentlich einen Link wert. Denn alle Taxiunternehmer*innen in D sollten den kompletten (!) Inhalt kennen und dem Richter auf ewig (?) dankbar sein, dass er so entschieden hat und vor allen Dingen: Dass die Klägerin nicht in Revision gegangen ist. Sie hätte – aus meiner Sicht – jeden Grund dazu gehabt.
Danke für diesen Leserkommentar, zu dem wir uns allerdings eine Bemerkung erlauben müssen: In den erwähnten Tarifordnungen steht nicht, dass die erhöhten Tarife in Form von Zuschlägen an das angestellte Personal weitergegeben werden müssen. Wenn man Ihre Schkussfolgerung mal weiter denkt, würde das ja bedeuten, dass Fahrgäste, die in einem Taxi mit einem angestellten Fahrer mitfahren, mehr bezahlen müssten als diejenigen, die ein Taxi erwischen, das von einem selbständigen Unternehmer gelenkt wird…
Bitte nicht falsch verstehen. Jeder Unternehmer sollte sein Fahrpersonal fair entlohnen – und das Personal wiederum sollte das durch gute Leistung zurückzahlen). Aber aus Tarifverordnungen lässt sich diese (moralische) Verpflichtung sicherlich nicht herauslesen.
Spannend. Und genau das ist es doch: Die moralische Verpflichtung, Sonn- und Feiertagszuschläge zu bezahlen, weil an diesen Tagen höhere Umsätze durch den Tarif erzielt werden können.
Entscheidend sollte sein: Welche Begründung gibt es dafür, das Fahrgäste an diesen Tagen mehr bezahlen müssen, obwohl der Tarif an allen anderen Tagen auskömmlich ist? (Ja, es gibt tatsächlich eine Begründung, aber die ist so an den Haaren herbei gezogen, dass ein zuständiger Sachbearbeiter diese mal mit „Quatsch!“ kommentierte.)
Also, wie erkläre ich den Fahrgästen ganz konkret die Preiserhöhung an diesen Tagen? Ich bin da absolut offen für Anregungen und Begründungen.
Dass beim Taxitarif Alleinfahrende und Unternehmen mit Angestellten über einen Kamm geschoren werden, liegt am System. Für das (fehlerhafte?) System bin ich als „Moraltheologe“ nicht zuständig 😉
Würde mich auch über einen Link zum Urteil des AG Oldenburg freuen, kann das angegebenene AZ trotz intensiver Recherche nicht finden. Danke!
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