Der Attentäter von Halle muss sich ab dem 21. Juli vor Gericht in Magdeburg verantworten. Unter den 40 Nebenklägern ist auch der Taxiunternehmer Daniel Waclawczyk. Im MDR erzählte er, warum er sich an der Verfolgung des Täters beteiligt hatte.
Von der Geschichte des Attentäters von Halle in Sachsen-Anhalt hat sicherlich jeder gehört. Stephan B. hatte am 9. Oktober 2019 versucht, einen Anschlag auf die benachbarte Synagoge zu verüben. Das funktionierte bekanntermaßen nicht, doch auf seiner Flucht erschoss Stephan B. zwei Menschen und verletzte zwei weitere in Wiedersdorf im Saalekreis schwer.
Die Nebengeschichten dieses schlimmen Tages sind dagegen nicht ganz so bekannt, und in eine solche ist auch ein örtlicher Taxiunternehmer verwickelt: An jenem 9. Oktober 2019 hatten der Taxiunternehmer Daniel Waclawczyk und sein Bruder mit zwei seiner Taxis die Werkstatt von Kai H. in Wiedersdorf aufgesucht – die Winterreifen sollten aufgezogen werden. Gegen 13 Uhr hörten sie einen Knall, konnten das Geräusch aber nicht zuordnen. „Da hat Kai noch gesagt, ‚vielleicht ist ’ne Leiter umgefallen oder irgendwas’. Kurz danach haben wir auch undeutliche Rufe gehört. Im Nachhinein wussten wir, dass es Hilferufe waren“, erzählt Waclawczyk dem MDR Sachsen-Anhalt. Der Fernsehsender hatte letzte Woche das Erlebte des Taxiunternehmers in einem Fernsehbeitrag nachgestellt.
Kurz nach dem lauten Knall tauchte der Attentäter vor der Werkstatt auf und erzwang mit seiner Schusswaffe die Herausgabe der Autoschlüssel eines vollgetankten Taxis. „Ich will nicht dasselbe machen, was ich mit euren Nachbarn gemacht hab. Ich habe schon zwei Leute angeschossen“, soll Stephan B. gesagt haben, und wollte sogar noch 50 Euro geben, die aber von Daniel Waclawczyk abgelehnt wurden. Kurz bevor Stephan B. mit dem Taxi seine Flucht vor der Polizei fortsetzte, bat er den Taxiunternehmer und den Werkstattchef noch, nicht sofort die Polizei zu rufen, um ihm einen Vorsprung zu geben.
Während sich Kai um seine verletzten Nachbarn kümmerte, verfolgte Waclawczyk den Täter mit einem zweiten Taxi. Mit Hilfe einer Ortungs-App, die als Fahrtenschreiber dient, blieb er dem Attentäter zunächst auf der Spur. Was Stephan B. kurz vorher eigentlich angerichtet hatte, wusste der Taxiunternehmer zu dem Zeitpunkt noch nicht. „Ich verdiene mit dem Auto mein Geld und wollte einfach nur wissen, wo fährt er mit dem Auto hin? Die Polizei kommt hier nicht innerhalb von fünf Minuten her im normalen Fall“, sagte der Taxiunternehmer dem MDR.
Jedoch verlor Waclawczyk zunächst die Spur vom Täter. Höchstwahrscheinlich hatte Stephan B. das Handy aus dem gestohlenen Taxi weggeworfen. Doch dann erinnerte sich der Unternehmer an ein anderes digitales Feature seiner Taxis: „Wenn du jetzt einen Unfall hast oder in einen Straßengraben fährst oder vor einen Baum, geht ja auch so ein SOS-Signal an die Zentrale von Mercedes-Benz“, schildert er seine Gedanken gegenüber dem MDR. Also rief er in dieser Zentrale an und überredete die dortige Mitarbeiterin, das Taxi zu orten. „Da ist Stephan B. gerade an der Abfahrt Weißenfels. Dort auf der B91 nimmt die Polizei ihn fest“, berichtet der MDR.
Waclawczyk erhielt sein Taxi beschädigt zurück. Bei der Festnahme entstanden Schäden am Scheinwerfer und an der Karosserie in Höhe von 14.000 Euro. Obwohl die Versicherung den Schaden anstandslos regulierte, war das Taxi zwei Monate lang nicht einsatzfähig, denn die Polizei baute für ihre Ermittlungen das Navigationsgerät aus. Ohne Navi ist das Fahrzeug nicht einsatzfähig, denn das bordeigene eCall-System ist bei neuen Fahrzeugmodellen ab 31. März 2018 Bestandteil der Typzulassungsprüfung. Wird es aus dem Fahrzeug etwas entfernt, erlischt die Betriebserlaubnis.
Damit ist ein Betrieb im öffentlichen Straßenverkehr nicht mehr zulässig und Waclawczyk fordert eine Entschädigung für den Verdienstausfall, aber als es um die Erstattung der Kosten geht, schieben LKA und BKA die Rechnungen hin und her. Am Ende zahlt der Generalbundesanwalt.
Waclawczyk wird bei dem Prozess als Nebenkläger auftreten. „Also wichtig ist uns, dass er die richtige Strafe bekommt und dass auch die Familien von den zwei Getöteten ihr Recht durchsetzen können“, schildert er dem MDR. „Ja und alle anderen, die da involviert waren in diesem Verbrechen, dass denen einfach Genüge getan wird. Und dann hoffe ich natürlich, dass ich meinen wirtschaftlichen Schaden ersetzt kriege irgendwann“. hs
Das Video vom MDR Sachsen-Anhalt kann hier nachgeschaut werden.
Symbolfoto: pixabay