Die Polizeibehörden mehrerer Bundesländer erstellen derzeit Informationsblätter speziell für Taxifahrer, mit denen Wachsamkeit bei Fahrten mit alten Menschen zur Bank erzeugt werden soll. Im Main-Taunus-Kreis sprechen Beamte Taxifahrer persönlich an. In Berlin hat das LKA mit Taxi-„Innung“ und Taxi Times kooperiert.
Taxifahrer können Retter sein – und sollen es häufiger werden. Beim altbekannten „Enkeltrick“ und seinen Weiterentwicklungen, bei denen Senioren durch sogenannte Schockanrufe in Aufregung versetzt und zu Geldzahlungen veranlasst werden, sind Taxifahrer häufig die letzten, die ein Verbrechen noch verhindern können. Das will die Kriminalpolizei effektiver nutzen.
Das Berliner Landeskriminalamt hatte sich zwei kompetente Kooperationspartner gesucht: Die Innung des Berliner Taxigewerbes e. V. als einen der Berliner Landesverbände des Taxigewerbes und das Branchenmagazin Taxi Times. In einer gemeinsamen Besprechung in den kürzlich neu bezogenen Räumen der „Innung“ wurde über die passende Ansprache der Personen am Taxisteuer beraten, um die von der Kriminalpolizei vorbereiteten Inhalte zu kommunizieren.
Das Ergebnis ist ein jetzt veröffentlichter Flyer im zusammengeklappten A4-Format, den das LKA herausgegeben hat. Darin werden die Maschen der Täter und Anzeichen genannt, die Taxifahrer hellhörig machen sollten, etwa wenn ein älterer Fahrgast sich zu einer Bankfiliale bringen lässt, ständig mit dem Handy telefoniert und sehr nervös ist. Hier kann eine Änderung des Fahrziels zur nächsten Polizeidienststelle unter Umständen die Rettung vor dem finanziellen Ruin der betroffenen Person sein – wenn tatsächlich ein solcher Betrug im Gange ist. Daher soll zunächst vorsichtig ein verständnisvolles Gespräch mit der Person gesucht werden, optimalerweise mit der Empfehlung, den Angehörigen doch einmal selbst unter der eingespeicherten Nummer anzurufen.
Die Inhalte des Flyers beruhen auf Erkenntnissen und Erfahrungen der Kriminalpolizei, Abteilung Seniorensicherheit, und sind mit „Innung“ und Taxi Times für Taxifahrer aufbereitet worden. Für den letzten textlichen Schliff war Taxi Times zuständig. Aus Neutralitätsgründen nahm die Polizeibehörde die Logos der Kooperationspartner nicht in das Gemeinschaftswerk auf.
Auf die starke Zunahme telefonischer Trickbetrügereien hat auch die Polizei im Main-Taunus-Kreis reagiert, der zwischen Frankfurt am Main und Wiesbaden liegt. In kleineren Städten und ländlichen Regionen setzen die Behörden mehr als in Großstädten auf das Vertrauensverhältnis zwischen Senioren und ihren persönlichen Stamm-Taxifahrern. Der Landesverband Hessen für das Personenbeförderungsgewerbe e. V., an den die Polizei mit ihrem Vorhaben herantrat, unterstützte es sofort, informierte seine Mitglieder per Rundmail und über die sozialen Medien. So wird auch das Informationsblatt „Werden Sie ein Taxi-Vorbild“ zur Verfügung gestellt. Damit werden auch die Taxifahrer in der hessischen Metropolenregion über das Thema informiert.
Laut einem Bericht der Frankfurter Neuen Presse werden auch hier Senioren „extrem unter psychischen wie zeitlichen Druck gesetzt und dazu gedrängt, rasch zu ihrer Bank oder Sparkasse zu fahren, um Geld abzuheben“, und das häufig im hohen vierstelligen oder oft sogar fünfstelligen Bereich. „Eben noch Fahrgast und im nächsten Moment Opfer einer Straftat. SIE können das verhindern!“ Mit dieser Einleitung beginnt der hessische Info-Flyer, den Polizeibeamte in der Kreisstadt Hofheim am Taunus und den umgebenden Gemeinden direkt in den Taxibetrieben und an den Taxihalteplätzen an die Taxifahrer verteilen, die sie dabei auch mündlich auf die Problematik aufmerksam machen.
Telefonischer Trickbetrug hat derzeit überregional Hochkonjunktur. Professionell geschulte Verbrecher in technisch bestens ausgestatteten Callcentern, häufig in der Türkei oder südosteuropäischen Ländern, rufen täglich hunderte von Senioren in Mitteleuropa an und erzählen Horrorgeschichten, etwa dass ein Angehöriger (Sohn, Enkeltochter o. ä.) einen schweren Unfall verursacht hat, bei dem ein Mensch getötet worden ist, und dass ganz schnell eine hohe Kaution gezahlt werden muss, um dem Angehörigen sofortige Haft zu ersparen. Manchmal geben die Verbrecher sich als Polizisten aus, manchmal als Anwälte oder Staatsanwälte, mitunter auch als Ärzte. Die Täter haben die Geschichten so gut eingeübt und erzählen sie so überzeugend, zum Teil untermalt von einem verzweifelten Wimmern des angeblichen Angehörigen im Hintergrund, dass die entsetzten Senioren häufig darauf hereinfallen und zum Abheben von viel Bargeld umgehend zur Bank fahren – häufig mit dem Taxi.
Immer wieder ist in den Medien zu lesen, dass telefonischer Trickbetrug leider häufig erfolgreich ist, doch es gibt auch erfreuliche Ausnahmen. Erst im März hatte Taxi Times über einen Kollegen aus Niedersachsen berichtet, dem es gelungen war, eine Seniorin vor dem Verlust von über 50.000 Euro zu bewahren, und der dafür mit einem Preis ausgezeichnet worden war. Im Januar hatten ähnliche Fälle von aufmerksamen Kollegen aus Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern für Aufmerksamkeit gesorgt. In Cottbus war ein Kollege vor drei Jahren bereits zum wiederholten Male Retter vor dem Ruin gewesen.
Auch andere Institutionen wie der Opferhilfeverein Weißer Ring oder die Bayerische Versicherung informieren über das Thema. Laut Weißem Ring wurden 2021 in Deutschland 793.622 Fälle von Telefonbetrug angezeigt, in den beiden Jahren davor über 800.000. Die Dunkelziffer dürfte immens sein, da Opfer solcher Tricks sich häufig schämen, auf die Masche hereingefallen zu sein. So kommen auf jeden verhinderten Betrug sicherlich zahlreiche erfolgreiche. Der Gesamtschaden ist schwer zu beziffern, doch schon eine Zahl vermittelt einen Eindruck: Laut „Zeit“ wurden alleine in Bayern im letzten Jahr 6,1 Millionen Euro durch Telefonbetrug von falschen Polizisten und zwei Millionen durch falsche Familienangehörige erbeutet.
Im Taxigewerbe haben bereits sowohl Kriminalpolizei als auch Gewerbevertretungen auf das Thema Trickbetrug aufmerksam gemacht. In Nürnberg referierte ein Beamter der Kriminalpolizei im Rahmen des Gründungstreffens der Erfa-Gruppe Taxizentralen zum Thema. In Karlsruhe warnt die Vermittlungszentrale Taxi Holl bereits seit anderthalb Jahren Taxifahrgäste mittels Aufklebern in den Fahrzeugen vor dem „Enkeltrick“.
Mit ihrer Präventionsarbeit möchte die Kriminalpolizei in erster Linie Straftaten verhindern. Die Täter, die meist im Ausland sitzen, sind nur sehr selten zu fassen, und selbst, wenn es einmal gelingt, sie in Deutschland vor Gericht zu stellen, erhalten die Geschädigten fast nie ihr Geld zurück. Die potentiellen Opfer werden also schwerpunktmäßig zur Wachsamkeit aufgerufen, um sich Betrugsversuchen zu entziehen. Nur wenige haben die Nerven, das Spiel bei gleichzeitiger Verständigung der Polizei zum Schein mitzuspielen, damit auch die Täter auf frischer Tat festgenommen werden können. Hier können wiederum Taxifahrer als nicht Betroffene Gutes leisten – wie eine Kollegin aus Nordrhein-Westfalen, die vor drei Jahren nicht nur die Situation richtig erkannte, sondern durch das Hinzuziehen der Polizei und das Dirigieren der Beamten an den Übergabeort sogar die Festnahme der Mittelsperson ermöglichte, die das Geld an sich nehmen sollte. Auch wenn jeder verhaftete Verbrecher nur einer von vielen ist: Jeder verhinderte Trickbetrug ist für den geretteten Menschen eine abgewendete persönliche Katastrophe. ar
Beitragsbild und letztes Bild: Collagen Axel Rühle