Die lange erwartete, am Freitag in Kraft getretene Verordnung gleicht einem „roten Teppich“ für den Plattformvermittler Uber. Doch auch das Taxigewerbe hat Zugeständnisse erhalten und ist zumindest geteilter Meinung.
Am 21.10. ist nach langem Ringen die neue Taxiverordnung für die Region Brüssel-Hauptstadt in Kraft getreten. Die Hauptstadt-Region mit ihren 1,2 Millionen Einwohnern ist das flächenmäßig kleinste der drei belgischen „Bundesländer“ und umfasst neben der Hauptstadt Brüssel weitere 18 Städte und Gemeinden. Die Stadt Brüssel selbst hat nur 185.000 Einwohner. Häufig wird die ganze Region vereinfachend „Brüssel“ und ihre Landesregierung „Brüsseler Regierung“ genannt.
Die beiden Durchführungsverordnungen zur Brüsseler Taxiverordnung – der am 9. Juni vom Brüsseler Parlament verabschiedete „Taxiplan“ des Brüsseler Ministerpräsidenten Rudi Vervoort, der das Taxi zur Chefsache machte – wurden erst am 6. Oktober verabschiedet, Und schon am 11.10. demonstrierten die Brüsseler Taxifahrer erneut gegen den Uber-freundlichen „Taxiplan“, der am vergangenen Freitag in Kraft getreten ist. Unter den selbstständigen Taxiunternehmern herrscht große Unzufriedenheit. Mit der Aktion prangerten sie die Reform an, die unter anderem die Plattformtaxis in der Hauptstadtregion regelt.
Pierre Steenberghen, Generalsekretär der belgischen Taxiorganisation GTL, kann die Aktion nachvollziehen: „Die Brüsseler Taxifahrer sind seit Jahren unzufrieden“, sagt er. „Vor allem, weil der Uber-Konzern einen Vorteil zu haben scheint: In einem Moment wird er wegen jahrelanger illegaler Praktiken verurteilt, und im nächsten tut die Brüsseler Regierung alles für Uber. Und dennoch sind wir als Taxibranche nicht unzufrieden.“
Das mag widersprüchlich erscheinen, aber trotz der Erkenntnis, dass „die Brüsseler Regierung den roten Teppich für Uber ausgerollt hat“, wurde der Taxibranche auch eine Reihe alter Wünsche erfüllt: die dringend notwendige Anpassung der Fahrpreise, automatische Indexierung dieser Fahrpreise, Höchsttarife für Stand- und Straßentaxis (also Taxis und Mietwagen) und – hoffentlich – eine bessere Kontrolle des gesamten Sektors.
Die neue Taxiverordnung ersetzt die Übergangslösung der Brüsseler Regierung, die es – nach einem hastig zusammengeschusterten Rechtsrahmen – den Betreibern und Fahrern im Mietwagengewerbe, beispielsweise Uber-Fahrern, ermöglichte, ihre Arbeit in der Region Brüssel-Hauptstadt wieder aufzunehmen. Dies wurde nach einer Entscheidung des Berufungsgerichts Brüssel, die die Mietwagenfahrer am Arbeiten hinderte, für notwendig erachtet. Uber war zwischen Ende 2015 (Einstellung des Uber-Pop-Dienstes nach einer rechtskräftigen Verurteilung) und Ende 2021 (zwei Verurteilungen im Jahr 2021 auf Berufung durch das Brüsseler Unternehmensgericht) in Brüssel illegal tätig. Trotzdem waren die Brüsseler Politiker im Dezember 2021, fleißig unterstützt von Uber – das bereits nützliche Gesetzestexte lieferte – der Meinung, die Plattform brauche eine helfende Hand.
Beim letzten Taxifahrerprotest kritisierte deshalb der Vorsitzende des belgischen Taxiverbands FeBet, Khalid Ed-Denguir, erneut den Betrieb von Uber. Ihm zufolge begünstigen die neuen Regelungen die Plattform über die Tarife, weil diese den Nutzer dazu animieren würden, sich für eine Plattform zu entscheiden. Die Brüsseler Regierung schaffe „unlauteren Wettbewerb“.
Die neue Taxiverordnung schafft ein einheitliches Taxigewerbe und ein mehr oder weniger gleiches Spielfeld mit einer gemeinsamen Grundordnung für die „Taxistand-Taxis“ (die klassischen Taxis) und die „Straßentaxis“ (die Plattform-vermittelten Taxis). Bei den klassischen Taxis gilt eine Obergrenze von 1.425 Fahrzeugen und bei den Plattformtaxis von 1.825 – ein beachtliches Verhältnis zugunsten der Plattformtaxis. Insgesamt stehen demnach 3.250 Fahrzeuge in der 1,2-Millionen-Region für die Personenbeförderung zur Verfügung. Diese Grenze wird alle zwei Jahre überprüft, zum ersten Mal im Jahr 2025.
„GTL und die Gewerkschaften hatten sich für 2.600 als Obergrenze ausgesprochen, um den Sektor halbwegs lebenswert zu halten“, sagt Steenberghen mit leicht enttäuschter Stimme. Von diesen 1.425 Taxis müssen 140 E-Taxis sein, 50 wasserstoffbetriebene Taxis und 150 (letztlich 200 – eine Verdoppelung der derzeitigen Zahl) sind für Menschen mit eingeschränkter Mobilität bestimmt. Die Plattformtaxis haben 50 Inklusions-, 50 Elektro- und 25 Wasserstofffahrzeuge. Hinzu kommen 85 Genehmigungen für Luxusfahrzeuge, die „Limousinen”.
Die Pläne der Region Brüssel im Bereich Nachhaltigkeit sind schwerlich als ambitioniert zu bezeichnen, vor allem im Vergleich zu anderen europäischen Städten. Taxiunternehmen werden jedoch nachdrücklich ermutigt, auf nachhaltige Fahrzeuge umzusteigen. Wie dies geschehen soll, steht – wie so viele andere Details – nicht in der Verordnung.
Nur Standtaxen können Kunden ohne Voranmeldung befördern. Der Kilometerpreis für diese Taxis beträgt jetzt 2,30 € (bei 1,80 € – Tarif I – oder 2,70 € – Tarif II jetzt), bei einer Erstveranlagung von 2,60 € (jetzt 2,40 €) und einer Wartezeit von 0,60 € (0,50 €) pro Minute, der feste Zuschlag für Nachtfahrten bleibt bei 2,00 €. Für Fahrten mit Reservierung durch Straßen- oder Standtaxis gilt weiterhin ein Kilometerpreis von mindestens 1,50 € und höchstens 3,00 €. In beiden Fällen gilt ein Mindestpreis von 8 Euro für eine Fahrt.
Die Ausführungsverordnungen bestimmen auch die Tarife für Fahrten mit oder ohne Reservierung. Für Fahrten mit Reservierung durch Straßen- oder Standtaxis gilt ein Kilometerpreis von mindestens 1,50 € und höchstens 3,00 €, eine Wartezeitentschädigung von mindestens 0,40 € pro Minute und höchstens 0,80 €. Die Erstveranlagung beträgt mindestens 1,50 € und höchstens 3,00 €. Auch hier gilt ein Mindestpreis für eine Fahrt von 8,00 €, das Ganze mit einer Obergrenze von 200 Prozent des Mindestpreises zum Schutz der Verbraucher.
Für Luxus-Straßentaxis gilt ein Mindestkilometerpreis von 3,00 €, eine Wartezeit von 1,00 € pro Minute und eine Erstveranlagung von 5,00 €. Das Maximum ist auf 500 Prozent des Mindestpreises begrenzt. Der Preis für eine Fahrt mit einer „zeremoniellen Taxi-Limousine” beträgt mindestens 90,00 € netto für einen Service von drei aufeinanderfolgenden Stunden. Der Stundensatz für jede weitere Stunde beträgt € 30,00.
„Es war höchste Zeit, die Tarife anzuheben“, sagt Steenberghen. „In den anderen Städten wie Antwerpen und Gent und am Flughafen Brüssel-Zaventem waren sie schon viel höher. Und die automatische Ratenindexierung ist ein lang gehegter Wunsch der Branche. Auch der Höchsttarif für Plattformtaxis ist eine gute Idee, weil er die extrem negativen Auswirkungen von Preiserhöhungen begrenzt.“ Gemeint ist das sogenannte surge pricing, also starke Verteuerungen bei hohem Verkehrsaufkommen.
Die GTL ist weniger zufrieden mit der Milde, die Uber-Fahrern geboten wird, um von ihrer flämischen oder wallonischen VVB-Genehmigung zu einer Brüsseler zu wechseln. Eine solche Erlaubnis („Befähigungsnachweis“) ist für jeden Fahrer obligatorisch. Mietwagen- und Taxifahrer, die in den vergangenen fünf Jahren mindestens zwei Jahre Erfahrung in einer der drei Regionen gesammelt haben, können problemlos ein solches Stück Papier erhalten. „Uber wird sicherlich den Nachweis schon haben, dass die Fahrer dort bereits seit zwei Jahren arbeiten“, sagt Steenberghen. „Das bedeutet auch, dass sie keine Ausbildung machen müssen. Und das, während die Ausbildung in der belgischen Hauptstadt in Bezug auf Sprachanforderungen und Straßenkenntnisse ziemlich hart ist. Leider.“
Sowohl die Plattformen als auch das Brüsseler Taxigewerbe kämpfen mit akutem Fahrermangel. „Es gibt Taxiunternehmen, bei denen ein Drittel der Flotte nicht fährt. Auch die Plattformen suchen händeringend nach Fahrern. Hinzu kommt, dass die Zulassungsbehörde Bruxelles Mobilité nur einzeln Prüfungen für Taxifahrer organisiert, was ein zusätzliches Handicap für die Taxibranche bedeutet, während Uber-Fahrer aus Wallonien und Flandern auf ein Brüsseler Kapazitätszertifikat umsteigen können. Dies muss innerhalb von drei Monaten nach dem 21. Oktober erfolgen.“ Die Frage ist auch, jetzt, da die Betriebslizenzen im neuen „Taxiplan“ personenbezogen sind, welchen Wert diese Lizenzen haben werden, da sie schwieriger zu handeln sind.
Ein Papiertiger ist die Kontrolle der Plattformtaxis. Die neue Verordnung schreibt vor, dass Taxistand- und Straßentaxis mit einem digitalen Taxameter oder einem ähnlichen Messgerät ausgestattet sein müssen, damit die Fahrtdaten sicher und zuverlässig erfasst und gespeichert werden können. Es muss auch ein Gerät vorhanden sein, das Kartenzahlungen ermöglicht und eine Quittung in zweifacher Ausfertigung ausdrucken kann. Der Kartenleser muss auch mit dem Navigationssystem verbunden sein. „Ich gehe davon aus, dass von der Regierung in Brüssel die gleiche Art von Server bereitgestellt wird, wie dies in Flandern bei Chiron der Fall ist“, sagt Steenberghen. „Abgesehen von einer Übergangsfrist von 30 Tagen nach dem 21. Oktober wurde jedoch keine absolute Frist für die Installation dieser Ausrüstung angegeben. Wir warten immer noch auf Klarstellungen der Brüsseler Regierung zu Übergangsbestimmungen, die notwendig sind, um einen Ansturm auf diese Ausrüstung zu vermeiden.
Ein weiteres Problem: Die Daten von Uber werden in Amsterdam registriert. „Es wird für die Brüsseler Regierung schwierig sein, dies in die Hände zu bekommen, wenn es darum geht, Uber-Fahrer in Brüssel zu kontrollieren.“ Steenberghen glaubt, dass es für Bruxelles Mobilité schwierig sein wird, Plattformtaxis angemessen zu kontrollieren. Schließlich sind Standtaxis leicht an den Orten zu finden, nach denen sie benannt sind: an Standplätzen. Diese Überprüfung ist relativ einfach. Neu ist, dass der Kontakt der Fahrer mit der Zulassungsbehörde fortan elektronisch erfolgt. Die derzeitige jährliche Verlängerung für Betreiber und die zweijährige Verlängerung für Fahrer werden durch unangekündigte Kontrollen der Zulassungsbehörde Bruxelles Mobilité ersetzt. Die Laufzeit der Betriebserlaubnis, die für Taxis sieben Jahre und für die Mietwagen fünf Jahre betrug, wurde auf sieben Jahre angeglichen.
„Die Reform wird den Status der Fahrer stark verändern“, so die Brüsseler Landesregierung. „Ab sofort können Fahrer selbst wählen, welcher Plattform sie beitreten.“
Diese Reservierungsvermittler müssen amtlich anerkannt sein, um ihre Dienste anbieten zu können. „Um eine solche behördliche Genehmigung zu erhalten, müssen die Reservierungsvermittler bestimmte Anforderungen erfüllen. Beispielsweise müssen sie einen Betriebssitz oder eine Betriebsstätte haben, die bei den Behörden registriert ist, und sie dürfen keine Sozialschulden haben.”
Brüssels Ministerpräsident Rudi Vervoort, der Taxis zu seine Chefsache machte, ist guter Dinge: „Diese Reform soll zu einem besseren Service für die Kunden führen, unter anderem durch eine angepasste Anzahl von Fahrzeugen, eine einfachere Ausbildung für Fahrer und eine Verwaltungsvereinfachung. Eine weitere Neuerung betrifft die Plattformen, die bestimmte Bedingungen erfüllen müssen, um anerkannt zu werden. Schließlich wurde das Tarifschema überarbeitet und für die Kunden übersichtlicher gestaltet.“ wf
Beitragsfoto: Die klassischen Taxis heißen jetzt Taxistand-Taxis. Foto: Wim Faber