Die Stadt Amsterdam hat Pläne bekanntgegeben, die lokale Unternehmer vor unlauterem Wettbewerb durch kommerzielle Plattformunternehmen schützen sollen.
Die Nachricht kam just in der Woche, als der Amsterdamer Gerichtshof sein Urteil im Berufungsverfahren von Uber verschoben hat. In dem Verfahren wehrt Uber sich dagegen, als Arbeitgeber behandelt zu werden und die Fahrer wie Angestellte behandeln zu müssen.
Die Pläne der Stadtverwaltung stellen eine neue politische Vision für die lokale Wirtschaft dar, für die die Gemeinde in den nächsten vier Jahren mehr als 23 Millionen Euro bereitstellen wird. Gemeinderatsmitglied Sofyan Mbarki (Wirtschaftsangelegenheiten) möchte das Wirtschaftswachstum gerechter in der Stadt verteilen. Amsterdams kleine und mittlere Unternehmen müssten „widerstandsfähiger“ gegen „die übermäßigen Marktkräfte“ und insbesondere gegen die „Exzesse der Plattformwirtschaft“ gemacht werden.
Mbarki: „Die Marktkräfte sind oft nicht fair. Lokale Unternehmer zahlen ordentlich Steuern und Plattformunternehmen zahlen praktisch keine.“ Ihm zufolge sei es schwierig, gegen Risikokapital, Monopole und billige Arbeitskräfte von Plattformunternehmen wie Uber und Just Eat Takeaway zu bestehen.
Lokale Unternehmer seien für die Stadt und ihre Bewohner von großer Bedeutung, sagt der Stadtrat, zu dessen Ressort auch Wirtschaftsangelegenheiten gehören. Um deren Untergang zu verhindern, will die Gemeinde in den kommenden Jahren Experimente mit Kooperativen lokaler Unternehmer initiieren. Dazu gehört unter anderem eine Genossenschaft für Zusteller, Einzelgastronomen und Taxifahrer. „Ich habe in New York gesehen, dass Fahrer ihre eigene Taxikooperative gegründet haben“, sagt Mbarki. „Die Fahrer zahlen dort viel weniger an die Plattform als bei Uber.“
Mbarki ist der Ansicht, dass gemeinsame Initiativen notwendig sind, um Amsterdams kleine und mittlere Unternehmen zu schützen. „Es war schon lange ein Problem. Das sieht man im Taxigewerbe, wo die Fahrer von einem Algorithmus gesteuert werden. Und in der Gastronomie sind Unternehmer geradezu gezwungen, sich an Lieferplattformen zu beteiligen. Für den Verbraucher ist ein solcher Service zwar günstig, aber natürlich nicht kostenlos. Die Rechnung zahlt der örtliche Unternehmer.“
Amsterdam wird außerdem seine Lobbyarbeit für zusätzliche Gesetze im Plattformbereich sowohl im Regierungszentrum Den Haag als auch in der EU-Drehscheibe Brüssel verstärken. Nicht nur in den Niederlanden, sondern EU-weit wird an Initiativen gearbeitet, um Plattformarbeiter vor Scheinselbständigkeit zu schützen. Diese lokalen, nationalen und internationalen Initiativen müssen sich gegenseitig verstärken. Auch aus Köln waren kürzlich entsprechende Forderungen zu vernehmen.
Laut Mbarki ist dies notwendig, um Marktkräfte zu korrigieren, Steuervermeidung zu bekämpfen und die Beschäftigungsbedingungen in der Plattformökonomie zu verbessern. So muss beispielsweise die Scheinselbstständigkeit bei Plattformunternehmen, bei denen Selbstständige die Arbeit von Beschäftigten erledigen, ein Ende haben.
Stadtrat Mbarki glaubt nicht, dass sich die Gemeinde zu sehr in den freien Markt einmischt. „Die Regierung muss Entscheidungen treffen“, sagt er. „Dafür sind wir hier. Wir haben jetzt genug gesehen, um zu wissen, was getan werden muss.“
Hedy Borreman, Direktorin der Taxi Centrale Amsterdam (TCA), gab sich in einer ersten Stellungnahme wenig beeindruckt von der Initiative: „Die Gemeinde ist besser beraten, den Taxisektor der Konkurrenz auf dem Markt zu überlassen.“
Auf Nachfrage von Taxi Times, warum sie von den Plänen der Gemeinde Amsterdam nicht begeistert ist, erklärte Borreman: „Dieses System gibt es bereits, da TCA eine solche Genossenschaft ist. Solche Ideen sorgen daher für Unruhe, indem sie möglicherweise falsche Konkurrenz schaffen. Wenn Parteien (die auf dem Taximarkt tätig sind, Anm. d. Red.) derzeit nicht in der Lage sind, ein solches System einzurichten, warum sollten Sie dann Geld in dieses investieren? Dann wäre es besser, Energie beispielsweise in die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen für alle in Amsterdam tätigen Unternehmer zu investieren“ (gemeint ist ein „Level playing field“, Anm. d. Red.).
Taxi Times wollte außerdem wissen, was die Gemeinde nach Borremans Meinung stattdessen in Bezug auf die unlautere Konkurrenz tun sollte. „Der Schwerpunkt liegt auf der Änderung der Gesetzgebung, indem die niederländische Regierung Organisationen und/oder Fahrern Regeln auferlegt. In den Niederlanden bedeutet dies beispielsweise, das WP2000-Gesetz (Gesetz Personenbeförderung 2000) so anzupassen, dass nicht mehr zwischen dem Bestell- und dem Abholmarkt unterschieden wird, was Städten wie Amsterdam hoffentlich mehr Spielraum für die Überwachung und/oder Ausarbeitung durch lokale Behörden geben wird. Regeln also, die jeder Fahrer, der Amsterdam als Arbeitsbereich hat, einzuhalten hat.“ Der Bestellmarkt beinhaltet vorher bestellte Fahrten, z. B. über Anruf bei der Zentrale, während mit Abholmarkt spontane Fahrten, z. B. vom Taxistand oder vom Straßenrand, gemeint sind. wf
Beitragsbild: Taxis an einem Amsterdamer Taxihalteplatz; Foto: Wim Faber
Zitat: „Und in der Gastronomie sind Unternehmer geradezu gezwungen, sich an Lieferplattformen zu beteiligen. Für den Verbraucher ist ein solcher Service zwar günstig, aber natürlich nicht kostenlos. Die Rechnung zahlt der örtliche Unternehmer.“
Völlig falsch! Zwar mag es stimmen, dass – zumindest anfänglich – der Unternehmensgewinn durch (hohe) Provisionszahlungen an solche Vermittler, die ja nichts weiter tun, als bequem zu vermitteln, schrumpft. Aber früher oder später, oft aber auch sofort, werden diese Provisionzahlungsaufwendungen über den Preis an den Kunden weitergegeben. So wie man auch die Kosten für (mitunter recht hohen) Kreditkartenzahlungen in die Preiskalkulation aufnimmt.
Am Ende steht der Unternehmer in seinem wirtschaftlichen Erfolg genau so da, wie vorher, nur dass die Kunden die von ihnen genutzten Vermittlungsplattformen schlicht selbst bezahlen!
Es kann mir niemand erzählen, dass die 12%, die z.B. die Taxivermittlungsplattform FreeNow nicht schon ein wenig in die Preisanpassungen des letzten Halbjahres eingeflossen sind. Oder auch eine Pizza wäre sicher rd. 80 Cent billiger, wenn die Kunden so wie früher auch ihre Pizza ordern und nach Hause geliefert bekämen.
Vermittler machen Dienstleistungen vielleicht bequemer erreichbar, aber die georderten Waren und Dienstleistungen teurer. Weiß der liebe Kunde vielleicht ja alles gar nicht …. 😉
Der lachende Dritte ist – der Vermittler!
Interessante These. Teile ich jedoch nicht. Mal abgesehen davon, dass Marketing extrem teuer ist, werden Vermittler immer so dargestellt, als wäre deren Leistung ein Selbstläufer und nur ein Klacks. Es ist wohl eher so, dass viele Gastronomen nur durch massive Präsenz noch bestehen können. Sie können kaum wirtschaftlich und legal die Pizza selbst ausliefern lassen. Das du die Auslieferung einer Pizza mit 80 Cent veranschlagst, ist schon verdammt gewagt. Nach deiner These arbeiten dann Uber & Co.-Unternehmer demnach wirtschaftlich? Es ist wohl eher so, dass die „Kasse“ durch Illegalität aufgebessert wird. Die Betrachtungsweise sind auf jeden Fall vielseitig.
Uber&Co arbeiten in der Tat nicht wirtschaftlich, da sie ja bis zu 30% des Fahrpreises an UBER abdrücken müssen. Wären es nur faire ca. 7% sähe die Sache anders aus.
Physische Lieferdienste müssen natürlich bezahlt werden! Kann man mehrere Gastronomien mit EINEM Lieferdienst kombinieren, kann das günstiger sein, als zuvor, als man noch selber ausgeliefert hat, keine Frage. Die eingesparten Kosten kann man so natürlich dann dem Lieferdienst geben. Was ich beanstande, sind die reinen Vermittlungsplattformen, die selbst kaum Eigenarbeit leisten, sondern ausschließlich vermitteln. So wie Lieferando, FreeNow, AirBNB oder Booking.com.
Hilfreich ist so eine Plattform sicherlich, das lassen die sich aber fürstlich bezahlen! Und aufgrund ihrer Marktmacht kommt man als Gastronom oder Hotelier nicht mehr an ihnen vorbei – bezahl’ oder mach deutlich weniger Umsatz! (Früher bekannt unter Friss oder stirb!) Auch als Taxifahrer kommt man, je nach Region nicht mehr um FreeNow herum, wenn man nicht im Umsatz absacken will. Dafür zahlt man! Früher noch 7%, heute 12% und morgen …? Ansonsten droht die Konsequenz: Kein Umsatz mehr! Oder deutlich weniger bis hin zur Notwendigkeit der Betriebsaufgabe. Das ist der Weg und das kritisiere ich.
Auch wenn, wie erwähnt früher oder später nicht unbedingt das Taxiunternehmen die Last schultern muss – das macht hübsch der Kunde, der ja immer glaubt, mit schicker App würde das Taxigewerbe zwingend besser (gar billiger 😉 ). Aber es steht im Widerspruch zu dem Teil des obigen Artikels, der da unterstellt, nur der Unternehmer trüge allein die Kosten der Vermittlung. Nur das wollte ich richtig rücken.