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„Taxi für alle“ – wie wäre es mit „Rollitickets“?

von Remmer Witte
20. November 2025
Lesedauer ca. 5 Minuten.
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„Taxi für alle“ – wie wäre es mit „Rollitickets“?
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Der Gesetzgeber ist verpflichtet, allen Menschen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Da er dies nicht selbst leisten kann, verankert er entsprechende Vorgaben in seinen Gesetzen. So enthält auch das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) die Verpflichtung, Inklusionstaxis zu fördern und insbesondere einzufordern. Ein Panel des BVTM-Taxitags in Erfurt widmete sich dieser Pflicht – und den Chancen, die darin liegen.

„Teilhabe und Daseinsvorsorge – Taxis noch inklusiver machen“: Unter diesem Titel moderierte Bärbel von Teuffel, Taxiunternehmerin und Vorstandsmitglied des Bundesverbands Taxi und Mietwagen (BVTM), auf dem Taxitag in Erfurt eine lebendige Diskussionsrunde zur Inklusion im Taxigewerbe.

Zur Einführung stellte Martin Maubach vom Sozialverband Berlin-Brandenburg den Berliner Weg „Taxi für alle“ vor. Er berichtete, dass die Stadt Berlin den Umbau zum NUR-Taxi (NUR = nicht umsetzbarer Rollstuhl) vollständig fördert und das Ziel verfolgt, 250 Inklusionstaxis auf die Straßen zu bringen. Aktuell sind bereits 188 NUR-Taxis im Einsatz – ein Fahrzeug pro rund 20.000 Einwohner. Die Zielmarke von 250 Fahrzeugen wurde zuvor als notwendiger Bedarf für das NUR-Segment ermittelt, um auch Spontanfahrten für mobilitätseingeschränkte Fahrgäste ausreichend abdecken zu können. Maubach wies als engagierter Inklusionsexperte darauf hin, dass der ÖPNV seine Teilhabeverpflichtung nur mit Unterstützung durch Inklusionstaxis erfüllen könne. Deren Einsatz kompensiere häufig bauliche Zugangsbeschränkungen im Nahverkehr – etwa durch temporäre Baustellen. Hier sieht er sogar eine mögliche Verpflichtung zur Alternativbeförderung für gebuchte Fahrten, ähnlich wie bei Bahnverspätungen bereits üblich. Zugleich rückten Linien-ÖPNV und Taxi immer näher zusammen, was im Sinne der Mobilitätswende wünschenswert sei. NUR-Taxis seien in der Mobilitätskette besonders attraktiv, da sie nicht nur für NUR-Fahrten, sondern auch für reguläre Taxifahrten eingesetzt werden könnten und so für eine gute Auslastung sorgten. Als Inklusionstaxis böten sie zudem den unverzichtbaren Tür-zu-Tür-Service – unterstützt durch eine Zentrale, die persönliche Vermittlung ermöglicht.

Auch Erol Celik vom Taxi-Umrüster Transform betonte: Inklusion ist ein Menschenrecht. Nur Inklusionstaxis könnten mit der nötigen Sensibilität und Spontanität den Bedürfnissen ihrer Kundschaft gerecht werden – vorausgesetzt, sie sind verfügbar. Der Bedarf sei stark gestiegen und wachse weiter. Bis in die 1990er Jahre sei Behinderung oft dadurch „gelöst“ worden, dass Betroffene in Heimen lebten und arbeiteten – faktisch ausgeschlossen aus der Gesellschaft. In den vergangenen 30 bis 40 Jahren habe sich dies jedoch grundlegend geändert. Dadurch sei ein neuer, durch die alternde Boomer-Generation weiter wachsender Kundenkreis für das Taxi entstanden.

Diesen Trend konnte Gisela Spitzlei, seit über 50 Jahren Abrechnungsexpertin im Bereich Krankenfahrten, bestätigen und mit Zahlen untermauern: Während 1989 bundesweit rund 171 Millionen Euro für Krankenfahrten ausgegeben wurden, sind es heute 2,1 Milliarden – ein Anstieg von mehr als 1.000 Prozent. Zugleich, so Spitzlei, sei es angesichts dieser enormen Kostensteigerung schwierig, von den Krankenkassen eine angemessene Vergütung zu erhalten.

An ihren Impuls knüpfte eine Diskussion an, in der die Teilnehmenden von zahlreichen Problemen berichteten – insbesondere davon, für Privatfahrten mit NUR-Taxis angemessene Fahrpreise durchsetzen zu können, die den zusätzlichen zeitlichen Aufwand dieser Dienstleistung berücksichtigen. Man wolle diese Fahrten gern durchführen, sei aber nicht bereit, dabei finanziell draufzuzahlen. Dies gelte umso mehr, als bei NUR-Fahrten immer wieder ungeklärte Haftungsrisiken auftreten. Ein Teilnehmer berichtete etwa, dass die Beförderung von Rollstühlen, die nicht mehr den TÜV-Sicherheitsstandards entsprechen, im Unfallfall zur Halterhaftung des Unternehmens führen könne.

Zudem konkurriere man in diesem Segment mit Anbietern, die dank grüner Kennzeichen steuerlich begünstigte Fahrzeuge einsetzen und mangels Beförderungspflicht ihren Dienst bereits um 17 Uhr einstellen können. Traurige Realität sei auch, dass selbst Unternehmen mit vorhandenen Rollstuhlfahrzeugen diese teilweise aus dem Verkehr ziehen müssten – entweder weil sich kein geeignetes Personal finde, zumindest nicht zum Mindestlohn, oder weil sich der zeitintensive Einsatz der Fahrzeuge ohne Zuschläge wirtschaftlich schlicht nicht rechne.

Das scheinbar leichteste Problem wäre der Tarif. Doch Spitzlei berichtete, dass sich die Krankenkassen häufig strikt dagegen wehren, einen Dienstleistungszuschlag für Rollitaxis anzuerkennen. Zudem erschweren teils auch potenzielle Fahrgäste entsprechende Bemühungen, indem ihre örtlichen Vertretungen auf Gleichbehandlung pochen – ohne zu bedenken, dass damit das gesamte Inklusionsmodell wirtschaftlich untergraben wird. Es brauche daher überregionale Lobbyarbeit bei den Sozialverbänden, um klarzumachen: NUR-Taxis sind ohne Zuschläge – selbst bei geförderten Umbauten – aufgrund des höheren zeitlichen Aufwands schlicht nicht kostendeckend zu betreiben.

Wie lassen sich Rollstuhlzuschläge umsetzen? Die Diskussion ergab, dass solche Zuschläge bei tariflichen Fahrpreisen häufig bereits in Großraumzuschlägen enthalten sind. Da Sonderfahrzeuge für fünf oder mehr Personen auch nicht umsetzbare Rollstühle befördern können, gilt ein solcher Zuschlag als legitim und nicht diskriminierend.

Ein besonders eleganter Vorschlag aus der Runde: Taxiunternehmen sollten sich gemeinsam mit den Sozialverbänden und Rollstuhlnutzenden an die lokale Politik wenden. Berechtigte könnten eine bestimmte Zahl von Gutscheinen erhalten, die sie für private Fahrten mit NUR-Taxis einsetzen. So müssen die Fahrgäste den Zuschlag nicht selbst zahlen, tragen aber durch ihre Nachfrage dazu bei, dass sich der Einsatz von NUR-Taxis vor Ort wieder lohnt. Zusätzlich entstünde ein positiver Mitzieheffekt, wenn Betroffene und Taxiunternehmen gemeinsam auf lokale Defizite hinweisen – idealerweise unter Verweis auf Nachbargemeinden, in denen ein solches Modell bereits umgesetzt wurde.

Natürlich muss auch das Gewerbe selbst seine Hausaufgaben machen und im NUR-Verkehr besonders geschultes Personal einsetzen. Die Berufsgenossenschaften bieten hierfür gute Schulungen an, bei denen die Unternehmen lediglich die Lohnkosten während der Teilnahme tragen müssen.

Taxi ist wertvoll! Schön wäre es, wenn sich bald irgendwo in Deutschland Taxiunternehmen gemeinsam mit ihren Rollstuhlnutzenden und dem Bürgermeister vor die Kamera stellen könnten, um über lokale Rollitickets zu berichten – und so vielleicht einen Stein ins Rollen zu bringen. Mal sehen, ob das gelingt. rw

Impressionen vom Deutschen Taxi- und Mietwagentag (Fotos: Taxi Times)

 

Hinweis der Redaktion: Taxi Times war beim Deutschen Taxi- und Mietwagentag mit vier Redakteuren vor Ort und konnte deshalb alle, teils parallel stattfindenden Panels besuchen. Lesen Sie die ausführlichen Zusammenfassungen der Panels über die nachfolgend aufgeführten Links.

Übersicht über den Tag 1 des Deutschen Taxi- und Mietwagentags: Erfurt wurde zum Taxi-Mittelpunkt

Übersicht über den Tag 2 des Deutschen Taxi- und Mietwagentags: Freunde? Feinde? Überleben!

Panel „Tarifkorridor – Vor- und Nachteile“: Der Tarifkorridor hat viele Gesichter

25.11.25 RW: Panel Rahmenbedingungen Krankenfahrten: „Gamechanger Krankenfahrten?“

26.11.25 RW: Panel „Plattformen: Freund oder Feind“: Plattformkooperationen – Sackgasse oder ein neuer Weg?

27.11.25: Panel Von obskur bis allgegenwärtig – das ÖPNV-Taxi wächst“ Inkl. Workshop: „Linienverkehr und Taxi brauchen Paartherapie“

28.11.25: Panel Die Kleine Fachkunde: „Wie geht es weiter mit der Kleinen Fachkunde?“

28.11.25: Panel Mindestbeförderungsentgelte: Wo wir jetzt stehen: „MBE – das neue Zaubertool der Taxler“

Beitragsfoto: Taxi Times

Tags: Bärbel von TeuffelErfurtGesetzgeberGisela SpitzleiInklusionMartin MaubachNUR-TaxiRullstuhlTransformUmrüsterVerpflichtung
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Remmer Witte

Nach über 40 Jahren als Fahrer, Disponent und Chef im Taxi- und Mietwagengewerbe ist der Niedersachse heute unter anderem für einen taxinahen Dienstleister aktiv. Seine Themen sind die Branchenzukunft und -politik und die kleinen Dinge im Alltag des Gewerbes.

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