Der Oberste Gerichtshof Kaliforniens hat entschieden, dass ein so genannter ABC-Test für Mitarbeiter Teil der AB5-Gesetzgebung ist und deren Anwendung auch schon ab 2018 hätte erfolgen müssen. Uber und Lyft drohen daher nun teure Klagen.
Vor wenigen Wochen noch hatten sich Uber und Lyft in Kalifornien riesig über die mit 220 Millionen Dollar (etwa 180 Millionen Euro) geschickt ‘gekaufte’ Gesetzänderung Proposition 22 gefreut. Sie hatte die `Gig-Arbeiter´ wieder zu ‘Selbständigen’ gemacht und somit das AB5-Gesetz entschärft. Inspiriert von diesem Sieg arbeiten die Gig-Firmen schon an einer ähnliche Änderung der Regeln in anderen Bundesstaaten der USA und bereiten in Europa Abmachungen mit Gewerkschaften vor, die ähnliche Schlupflöcher zulassen.
Nun aber hat der Oberste Gerichtshof von Kalifornien entschieden, dass der ABC-Test ein Teil des strengen AB5-Gesetzes ist. Jenes Gesetz ist seit 1. Januar 2020 in Kalifornien gültig und schreibt vor, dass die Gig-Unternehmen ihre unabhängigen Auftragnehmer größtenteils als Vollzeitbeschäftigte klassifizieren müssen. Diese haben somit Anspruch auf Gesundheitsleistungen, Mindestlohngarantien, Arbeitnehmerentschädigung und eine Reihe anderer Arbeitsschutzmaßnahmen.
Der ABC-Test – Dynamex genannt – war schon im April 2018 eingeführt worden. Mitarbeiter gelten als Arbeitnehmer, es sei denn, sie arbeiten ohne Kontrolle der Organisation, die sie anstellt (A), haben Tätigkeiten außerhalb des üblichen Geschäftsbereichs der Firma (B) und verfügen über unabhängige Unternehmen, die diese Art von Arbeit erledigen (C).
Bemerkenswert an diesem Urteil ist die rückwirkende Gültigkeit, die nun explizit zugesprochen wurde. Dafür sprächen ““Erwägungen der öffentlichen Ordnung und Fairness, wie der Schutz der Arbeitnehmer zugunsten von Lohn-Unternehmen”, wie es der oberste Richter Tani Santil-Sakauye formulierte.
Somit schützt die im November 2020 erwirkte Proposition 22 die Gig-Unternehmen nicht rückwirkend. Uber und Lyft müssen jetzt mit einer Reihe von zusätzlichen Klagen in Bezug auf die Einstufung von Arbeitsplätzen erwarten. Zu den Klägern dürften neben Regierungsbehörden auch eigene `selbständige´ Partner gehören.
Das Urteil des Obersten Gerichtshofs besagt, dass die Gig-Unternehmen, wenn sie diese Klagen verlieren, mit viel höheren Strafen rechnen müssen, da sie dafür verantwortlich gemacht werden könnten, dass sie Dynamex nach dessen Inkrafttreten im April 2018 nicht respektierten. Als größte Verfahren gelten die Klagen gegen Uber und Lyft der kalifornischen Generalstaatsanwalt und dreier Stadtanwälte aus den größten Städten vom Mai letzten Jahres. Der kalifornische Arbeitskommissar verklagte die beiden Fahrtenvermittler im August und sagte, sie hätten ‘Lohndiebstahl’ begangen, indem sie Fahrer absichtlich falsch klassifiziert hätten. Mehrere Fahrer haben sich ebenfalls zu Fehlklassifizierungsklagen gegen Uber, Lyft und andere Gig-Unternehmen zusammengeschlossen.
„Das ist Pech für Uber“, sagte Bob Eassa, Partner bei Duane Morris, einer Anwaltskanzlei in San Francisco dem ‘San Francisco Chronicle’ etwas zynisch. „Für jeden anhängigen Fall ist der für sie geltende Test Dynamex und geht auf die zulässige Verjährungsfrist zurück“, normalerweise drei oder vier Jahre. „Obwohl Uber und Lyft Rekordbeträge für die Neufassung des Gesetzes zu ihrem eigenen Vorteil ausgegeben haben, können sie die Tatsache, dass sie Jahre vor Proposition 22 gegen das Gesetz verstoßen haben, nicht ändern, als sie ihre Fahrer nicht als Angestellte eingestuift hatten“, sagte John Coté, ein Sprecher von Staatsanwalt Dennis Herrera aus San Francisco, einem der Kläger in der größten Klage gegen Uber und Lyft.
Shannon Liss-Riordan, eine Anwältin aus Boston, die im Auftrag von Gig-Arbeitern Fälle von Fehlklassifizierungen eingereicht hat, sagte, die Entscheidung sollte kalifornischen Arbeitern helfen, Rechtsmittel bei Lohnverstößen einzulegen, die vor April 2018 aufgetreten sind. Sie behandelt jetzt schon Klagen gegen Uber, Lyft, Grubhub, DoorDash, Postmates, Instacart, Shipt und Amazon. wf