Um das Thema Arbeitnehmerhaftung kreist gerade im Taxi- und Mietwagengewerbe viel Halbwissen – Grund genug, einmal einen Fachanwalt um differenzierte Aufklärung zu bitten.
Die Taxi-Erfagruppe bat beim ihrem letzten Treffen in München den Fachanwalt Thomas Beimes um differenzierte Aufklärung mit dem Fokus „KfZ-Nutzung durch Mitarbeitende“: Wann ist ein Mitarbeiter tatsächlich haftbar, wenn es zu einem verschuldeten Unfall kommt?
Wer sein Geld damit verdient, sich tagein, tagaus durch den Verkehr zu wühlen, wird auch irgendwann einmal einen Poller übersehen oder andere Schäden verursachen. Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Ist es nicht das eigene Auto, sondern das des Arbeitgebers, dann steht – vor allem im ersten Ärger der Chefetage – schnell das Thema Arbeitnehmerhaftung im Raum.
Vorweg: Immer wieder hört man dabei auch von speziellen vertraglichen Vereinbarungen oder Pauschalisierungsversuchen wie beispielsweise durch die Vereinbarung einer Selbstbeteiligung pro Schadenfall. Solche Regelungen sind jedoch ausnahmslos ungültig, da das bestehende Rechtsgefüge sich hier nicht so einfach durch Individualvereinbarungen mit abhängig Beschäftigten aushebeln lässt.
Tatsächlich gilt bei Haftungsfragen gemäß BGB zunächst das Alles-oder-Nichts-Prinzip: Wer vorsätzlich oder fahrlässig einen Schaden verursacht, haftet dem Geschädigten. Genau diese Regelung gilt aber im Arbeitsverhältnis nicht, denn Arbeitnehmer können ja nicht regelmäßig für jeden Schaden am 40.000-Euro-Taxi haften. Damit das Arbeitsverhältnis nicht zu einem unkalkulierbaren Risiko wird, gilt in der deutschen Rechtsprechung das sogenannte Haftungsprivileg für Arbeitnehmer, welches in diesem speziellen Innenverhältnis Haftungserleichterungen ermöglicht.
Dabei ist zunächst die Frage zu klären, ob ein Arbeitnehmer tatsächlich im Auftrag des Arbeitgebers handelte, als es zum Unfall kam. Gab es keine betriebliche Veranlassung für die Fahrt, beispielsweise weil der Arbeitnehmer noch schnell seine privaten Einkäufe mit dem Taxi erledigt hat, weil ja eh nix los war, dann kommt das Haftungsprivileg zugunsten des Arbeiternehmers nämlich nicht zur Anwendung. Kommt im Rahmen solcher Aktivitäten zu einem Schaden, dann ist der Arbeiternehmer ohne Wenn und Aber voll haftpflichtig für entstandene Schäden am Firmenfahrzeug. Lediglich, wenn das Fahrzeug aus betrieblicher Veranlassung bewegt wurde kommt also überhaupt eine Haftungsabstufung in Frage.
In solchen Fällen gelten dann die vielfach dem Grund nach bekannten vier Stufen der Arbeitnehmerhaftung:
Vorsatz – volle Haftung ohne Ausnahme
grobe Fahrlässigkeit – in der Regel volle Haftung
mittlere Fahrlässigkeit – unter Berücksichtigung des Einzelfalls wird der Schaden zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgebr aufgeteilt
leichteste Fahrlässigkeit – keine Haftung des Arbeitnehmers
Vorsatz ist dabei ein Handeln mit Wissen und Wollen: Ein Arbeitnehmer hat beispielweise eine Abmahnung erhalten und fährt deshalb an eine Mauer, um sich zu rächen. Problematisch wird hier jedoch wohl oftmals der Nachweis des Vorsatzes sein, denn wer kann schon in die Köpfe seiner Mitarbeiter schauen. Glücklicherweise kommt diese Fallkonstellation im Alltag kaum vor.
Im betrieblichen Alltag geht es dagegen meist um Fragen einer möglichen Fahrlässigkeit. Eine grobe Fahrlässigkeit lässt sich darüber definieren, dass die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders unverständlicher Weise außer Acht gelassen wurde. Beim einem Rotlichtverstoß oder einer Alkoholfahrt dürfte dies unstrittig sein, aber auch ein Telefonat ohne Freisprecheinrichtung wird diese Bedingungen in der Regel schon erfüllen.
Eine leichteste Fahrlässigkeit wird sich dementgegen dadurch definieren, dass es trotz der exakten Beachtung aller möglichen Verkehrsregelungen zu einem Verkehrsunfall kommt. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn man in Schrittgeschwindigkeit eine Auffahrt verlassen will, an der Grundstückgrenze anhält und ein passierender Radfahrer dann trotzdem stürzt und sich verletzt, weil er sich erschreckt hat. Die Haftungsfrage geht hier in der Regel zu Lasten des KfZ, obwohl der Fahrer eigentlich nichts falsch gemacht hat.
In den verbleibenden Fällen ist von mittlerer Fahrlässigkeit auszugehen. Dabei gilt zunächst zu ermitteln, welcher Schaden entstanden ist. Auf Schäden, gegen die sich der Arbeitgeber versichern könnte, beispielsweise durch eine Betriebshaftpflicht oder eine Vollkaskoversicherung, bleibt der Arbeitgeber in der Regel sitzen, selbst bei voller Haftung des Arbeitnehmers im Fall der groben Fahrlässigkeit. Für Schäden an Fremdfahrzeugen zahlt die KfZ-Haftpflicht. Auch die Minderung von Schadenfreiheitsrabatten lässt sich nicht dem Schadenvolumen hinzurechnen, allein schon deshalb, da dieser meist kaum zu beziffern ist. Sowohl bei grober als auch bei mittlerer Fahrlässigkeit verbleiben so meist nur maximal einige tausend Euro, über die Chef und Mitarbeiter nun noch diskutieren können.
Insbesondere im Gelegenheitsverkehr mit Taxi und Mietwagen kommt noch das häufige Missverhältnis zwischen Schadenhöhe und Arbeitsverdienst zum Tragen. Wenn überhaupt, ist eine rechtlich durchsetzbare Haftung durch den Arbeitnehmer wohl auf maximal ein bis zwei Monatsverdienste begrenzt. Lässt sich grobe Fahrlässigkeit belegen, so muss eine Arbeitnehmer solche verbleibenden Haftungsansprüche tatsächlich in dieser Höhe akzeptieren. Bei mittlerer Fahrlässigkeit (also allem, was weder leicht noch grob ist) muss verhandelt werden, aber ein Fifty-fifty-Kompromiss bietet sich hier an.
Zu guter Letzt verbleibt die Problematik der Durchsetzbarkeit einer grundsätzlich berechtigten Forderung gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer. Eine Aufrechnung von Gehaltsansprüchen ist hier zwar möglich, wird jedoch schnell durch die Pfändungsgrenzen beschränkt. Selbst bei Alleinstehenden ohne Unterhaltverpflichtung müssen aktuell 1.259 Euro zuzüglich steuerfreier Zuschläge beispielsweise für Nachtarbeit unangetastet bleiben.
Ohne Einigung mit dem Arbeitnehmer verbleiben Arbeitgebern wenig Chancen, ihre Forderung zu realisieren. In diesen wenigen Fällen der Einigkeit bietet es sich an, dem Arbeitnehmer einen Mitarbeiterkredit in Höhe der fraglichen Summe zu gewähren, mit dem der Schaden mit einer Komplettzahlung ausgeglichen werden kann. Für die Rückzahlung des Kredites können die Zahlungsbedingungen etwas freier verhandelt werden, da der Zahlungsgrund eine beidseitig vereinbarte Kreditvereinbarung ist und die Arbeitnehmerhaftung als Rechtsgebilde endgültig vom Tisch ist.
Eine verantwortungsbewusste Entscheidung darüber, ob ein Anspruch gegenüber einem Arbeitnehmer besteht, der sich ggf. im Verkehr nicht ganz korrekt verhalten hat, ist also notwendig, denn der Arbeitgeber wird vor Gericht vor allem dann mit seiner Forderung auf die Nase fallen, wenn sie auf emotionaler Basis beschlossen wurde und nicht auf Fakten basiert. rw
Beitragsfoto: Thomas Beimes, Rechtsanwalt aus München, beim ERFA-Treffen – Foto: Remmer Witte
Schaut man sich das Beitragsfoto an, könnte einem Arbeitnehmer*in im Taxigewerbe Angst und Bange werden: An erster Stelle wurden die Unternehmer*innen über das Thema „Kündigung“ informiert… Ansonsten liest sich die TO wie ein Pflichtenheft für Unternehmen egal aus welcher Branche. Aber offensichtlich gibt es für das Taxigewerbe noch Nachholbedarf – in Hamburg wurde beim Thema Arbeitszeit erst kürzlich wieder deutlich warum. Willkommen in der Wirklichkeit, in der es beim Mindestlohn, beim Urlaub, bei der Arbeitszeit und auch beim Arbeitsvertrag oder der Kündigung keine Graustufen gibt. Es gibt nur schwarz oder weiß, richtig oder falsch. Legendär sind bspw verschiedene „kreative“Modelle der Lohnfortzahlung – eher abenteuerlich als gesetzeskonform. Ausgerechnet die Arbeitnehmerhaftung ist ein „grauer“ Bereich (das gibt der Bericht gut wieder) und bis vor wenigen Jahren im Taxigewerbe eher ein Tabu: Taxifahrer*innen wurden tendenziell auch bei größtem Blödsinn nicht zur Kasse gebeten. Nun denn, die Zeiten ändern sich. Und so wird der Arbeitsrechtler bei seinem Vortrag bestimmt nicht vergessen haben, darauf hinzuweisen, wie ein Arbeitnehmer*in sich zuverlässig und vergleichsweise kostengünstig vor Ansprüchen schützen und absichern könnte: Durch eine Mitarbeiter*innenvertretung und eine Mitgliedschaft in einer Fachgewerkschaft! Ein Betriebsrat kümmert sich natürlich auch um alle anderen Themen auf dem Foto. Und somit gilt auch hier: Willkommen, Taxigewerbe, in der Wirklichkeit!
Sehr geehrter Herr Lamping, danke für Ihren Kommentar. Es freut uns, dass Sie als angestellter Taxifahrer unsere Beiträge so intensiv und kritisch lesen. Der hier beschriebene Vortrag wurde bei einem Treffen von Taxiunternehmern gehalten und zielte inhaltlich daher natürlich auf die Perspektive eines Arbeitgebers.
Hallo mein Mann fährt für ein Unternehmen mit dem Mietwagen Kunden.
Er wollte rechts abbiegen und ist versehentlich dem Auto vorne drauf gefahren , als es stehen blieb.
Jetzt hat der Chef ihn 1000€ von Lohn abgezogen .
Was kann er tun?