Die Wahrscheinlichkeit der Bildung einer großen Koalition ist stark gestiegen. Die Innung des Berliner Taxigewerbes hat den Koalitionären in spe vorab eine Forderungsliste zukommen lassen.
Niemand wird sagen können, das Taxigewerbe hätte sich zu spät gemeldet. Um der künftigen Berliner Landesregierung, deren Chef wahrscheinlich Kai Wegner (CDU) sein wird, von vornherein – oder genauer gesagt: bereits vorab – klarzumachen, dass bezüglich der notleidenden Taxibranche in der Bundeshauptstadt an allen Ecken Handlungsbedarf besteht, hat die Taxi-„Innung“ für alle Fälle schon einmal ein zweiseitiges Papier mit einer breiten Palette an Forderungen an Vertreter der CDU und der SPD geschickt, die morgen offiziell mit Koalitionsverhandlungen beginnen. Hintergrund sind die Erfahrungen mit der früheren Verkehrssenatorin Regine Günther, der das Taxigewerbe vorwarf, anstelle von Gesprächen zu oft vollendete Tatsachen geschaffen zu haben.
In seinem Schreiben kommt „Innungs“-Chef Leszek Nadolski sofort zur (Ur-)Sache: Corona-Pandemie und illegal agierende Mietwagenunternehmen haben dem Berliner Taxigewerbe Umsatzeinbußen von bis zu 80 Prozent beschert. Nur durch gezielte Kontrollen könne der unlautere Wettbewerb geregelt werden.
Mit verstärkten und intensiveren Kontrollen will die „Innung“ auch Schwarzarbeit und organisierten Betrug im Taxi- und Mietwagengewerbe bekämpfen. Dazu wird eine bessere personelle Ausstattung der Behörden gefordert, namentlich LABO und Finanzkontrolle, um die Betriebe, die sich nicht gesetzeskonform verhalten, ausfindig zu machen und ihnen die Konzession zu entziehen, was insbesondere für die sogenannten 20-Monats-GmbHs gelte. Würde das gelingen, erhöhe es die Wirtschaftlichkeit der verbliebenen rechtskonform arbeitenden Taxi- und Mietwagenunternehmen, die somit gleichzeitig für ihre Ehrlichkeit belohnt würden.
Erneut fordern die Gewerbevertreter, die Möglichkeit von Festpreisen für Taxifahrten in Erwägung zu ziehen. „Auch ein Festpreis im Tarifkorridor würde bei vorbestellten oder per App gebuchten Fahrten für die Fahrgäste mehr Sicherheit, Verlässlichkeit und eine preisliche Flexibilität schaffen.“ Staus bzw. Umleitungen wären im Festpreis bereits einkalkuliert und „Überraschungen“ für die Fahrgäste ausgeschlossen. Als weitere Möglichkeit könnte laut „Innung“ ohne Aushöhlung der Daseinsvorsorge bei vorbestellten Fahrten mittels Tarifkorridor mit Mindest- und Höchstpreisen (§ 51 Abs. 1 Satz 3 PBefG) der unternehmerische Spielraum vergrößert werden. In der Praxis bedeute dies, „dass die vorbestellte Fahrt für den Fahrgast, wenn dieser es ausdrücklich wünscht, nicht dem Taxitarif entspricht, sondern je nach Angebot und Nachfrage flexibel ist.“
Für ein Dauerärgernis hatte CDU-Politiker Oliver Friederici bereits selbst häufig scharf die grünen Verkehrssenatorinnen Regine Günther und Bettina Jarasch kritisiert, jetzt thematisiert Nadolski es mit Nachdruck: Noch immer sind kaum zehn Prozent der Berliner Taxis berechtigt, sich am Flughafen BER bereitzuhalten. „Die Koalition wird aufgefordert, sich in Verhandlungen mit dem Landkreis Dahme-Spreewald für ein Laderecht aller Berliner Taxen am Flughafen BER einzusetzen.“ Eine mögliche Lösung sei ein gemeinsames Pflichtfahrgebiet aus Berlin und dem Landkreis Dahme-Spreewald.
Ein Bereich, in dem Nadolski sich mit seinem Engagement in den letzten Jahren einen Namen gemacht hat, ist die Elektrifizierung der Taxiflotte. Auch hier erwartet er vom künftigen Senat Taten: „Die Umstellung des Wirtschafts- und Taxiverkehrs auf elektrische Antriebe muss weiter vorangetrieben werden. Wir streben an, die Berliner Taxiflotte bis 2030 sukzessive vollständig auf elektrische Antriebe umzustellen. Die Nutzung im Betrieb CO2-freier Fahrzeuge soll durch den Ausbau der Ladeinfrastruktur an Taxi-Halteplätzen unterstützt werden.“ Nur, wenn an den Taxi-Halteplätzen Schnellladesäulen zur Verfügung stünden, sei eine effektive Umstellung auf Elektrobetrieb möglich. Die Ladeinfrastruktur für Taxis an den Halteplätzen müsse daher vorrangig ausgebaut werden.
Nadolski hat dabei mehr als nur seine Branche im Blick: „Die Elektrifizierung der Berliner Taxiflotte muss bis 2030 vollzogen sein. Das elektrifizierte Taxi gilt als Vorzeigeprojekt des Landes Berlin. Menschen, die ein Taxi nutzen, welches mit E Mobilität angetrieben wird, sind durch diese Erfahrung eher davon zu überzeugen, sich privat der E-Mobilität zu widmen. Taxis gelten als Multiplikatoren. Deshalb muss die bestehende Welmo-Förderung bis 2026 fortgeschrieben werden. Weitere Finanzprogramme des Landes Berlin müssen geschaffen werden, um dem Taxigewerbe bei der Umstellung langfristig zu helfen, das gesamtgesellschaftliche Klimaziel der Elektrifizierung des ÖPNV zu erreichen. Alleine schafft das gebeutelte Taxiwesen dies nicht.“
Ebenso wird eine Fortsetzung der Förderung barrierefreier Fahrzeuge eingefordert: Um auch mobilitätseingeschränkten Personen eine selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, empfiehlt die „Innung“ ausdrücklich die Förderung für Inklusionstaxis analog der Förderung der Elektromobilität.
Auch das Thema Taxihalteplätze, das im politischen Tagesgeschäft vergleichsweise wenig Beachtung findet, darf Nadolskis Ansicht nach nicht vergessen werden: „Die Reduzierung von Stellplätzen an Halteplätzen oder ganzen Halteplätzen muss gestoppt werden. Die Taxi-Halteplätze sind als Arbeitsplatz für Taxis zu betrachten, essenziell für die Existenz des Taxigewerbes und feste Anlaufstelle für die Bevölkerung. Die Bereitstellungspflicht der Taxis für die Berlinerinnen und Berliner muss erhalten bleiben. Es muss eine Qualitätsnorm für die Gestaltung und den Erhalt von Taxihalteplätzen erarbeitet werden. Die Berlinerinnen und Berliner müssen sich auf das Taxigewerbe als Teil des ÖPNV verlassen können. Das von der Vorregierung angestrebte Halteplatzmoratorium ist fortzuführen.“
Mit Seitenblick nach Österreich bringt Nadolski eine Idee mit Revolutionspotential ins Gespräch, um im Bereich der „einfachen Krankenfahrten“ das Preisdumping zwischen sparwütigen Krankenkassen und illegal agierenden Mietwagenbetrieben zu unterbinden: Hier soll ein Einheitsgewerbe geschaffen werden. „Die Landesregierung muss dafür sorgen, dass keine Verträge zwischen Leistungsträgern und Leistungserbringern abgeschlossen werden dürfen, die sittenwidrig sind. Die Verträge für einfache Krankenfahrten dürfen den vom Senat gesetzlich festgeschriebenen Taxitarif in Berlin nicht unterschreiten. Fairer Wettbewerb und Tarifgleichheit für die Krankenfahrten, die auf dem Taxitarif basieren, müssen das Ziel in Berlin bleiben.“
Doch nicht nur bei Krankenfahrten, sondern generell müssten die „unplausiblen“ Dumpingpreise im Mietwagenverkehr unterbunden werden. „Ein Unit-Verkehr (Einheitsgewerbe, bestehend aus Taxi- und Mietwagengewerbe) wäre nicht nur ein Modell für Berlin, sondern bundesweit die perfekte Lösung. Damit würden unter anderem die prekären Arbeitsverhältnisse und Steuerbetrug der Vergangenheit angehören.“
Wer demnächst das Berliner Verkehrsressort innehaben wird, ist derzeit (Stand 8. März) noch offen. Die zunächst geplante „Super-Senatsverwaltung“ mit Stadtentwicklung, Bauen und Verkehr, das zeitweise für die bisherige Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) im Gespräch war, soll verworfen sein. Dabei hatte in früheren Senaten unter Eberhard Diepgen und Klaus Wowereit ebenfalls jeweils eine Person die Verwaltungen für Stadtentwicklung, Bauen, Wohnen und Verkehr inne, nachdem die Anzahl der Senatoren von einst 15 auf acht zusammengespart worden war. Erst 2016 wurde das Verkehrsressort von der Stadtentwicklung abgekoppelt und dem Umweltressort angegliedert. Seitdem ging es mit Fahrrad, Linienverkehr und Uber & Co. aufwärts, für den Autoverkehr und das Taxigewerbe dagegen bergab.
Sollte im künftigen Senat die CDU das Verkehrsressort übernehmen, so hätte der langjährige verkehrspolitische Sprecher Oliver Friederici vermutlich gute Aussichten auf das Amt des Verkehrsstaatssekretärs. Ginge es an die SPD, so wäre deren verkehrspolitischer Sprecher Stephan Machulik ein wahrscheinlicher Kandidat. In beiden Fällen dürften die Chancen auf baldige Umsetzung wichtiger Straßenbauprojekte wie A-100-Verlängerung, TVO-Lückenschluss und TV Nord steigen. ar
Beitragsbild: Leszek Nadolski, erster Vorsitzender der Berliner Taxi-„Innung“, bringt die E-Mobilität voran. Foto: Axel Rühle
Zur Förderung von Elektro- und Inklusionstaxen: Ein Mehrwagenbetrieb mit 20 Taxen will seinen Fuhrpark erneuern. In Extremfall bekommt er 15000 für das Elektrotaxi und 15000 Euro für das Inklusionstaxi, also insgesamt 600000 Euro. Dann muss er aber für seine 50 Angestellten Taxifahrer den Berliner Mindestlohn von 13,50 bezahlen. Für eine Laufzeit von 4 Jahren macht d er Betrieb einen Verlust von 500000 Euro. Gleichzeitig vergibt der Senat die Beförderung von behinderten Menschen an die Firma Muwa, hinter der wiederum Viavan steckt. Das war die Firma, die vom Senat einen Nachschlag von mehreren Millionen Euro im Zusammenhang mit Berlkönig gefordert hat. Die Förderung ist also was für ganz schlaue Unternehmer. Und der Senat wundert sich, dass die Förderung nicht angenommen wird. Willkommen in der Hauptstadt.
Umsatzeinbußen von bis zu 80% ?? Dann würde es schon keine Taxen in Berlin mehr geben !! Man sollte schon realistische Zahlen nennen, 30% sind es bei mir. Schlimm genug ….