Ein wenig befremdlich sind Umfragen, die von Mietwagenvermittlern bezahlt werden, immer schon gewesen. Bolt schießt mit der letzten Untersuchung allerdings den Vogel ab und nutzt die Umfrageergebnisse als Rechtfertigung für die Forderung nach mehr Mietwagen und allerlei anderen Vereinfachungen für die Unternehmer.
‚Alarm‘ im Berliner Bolt Hauptquartier, denn „… unverhältnismäßige Regulierungen für sogenannte Mietwagen mit Fahrer:innen gefährden jetzt einen wichtigen Teil der Verkehrsversorgung der Stadt.“ Um die drohende ‚Gefahr‘ abzuwenden, hat man seine Argumente durch das Ergebnis einer Umfrage durch die Firma Censuswide mit 1.000 Befragten in Berlin untermauert. Sie wurden vom 17. Oktober bis zum 21. Oktober 2024 bei Nutzern eines Ride-Hailing-Dienstes durchgeführt.
Dieser Hinweis lässt aufhorchen, denn bei einer Umfrage unter Nutzern von Ride-Hailing-Diensten kann davon ausgegangen werden, dass die Befragten den Mietwagen von Bolt und Co. grundsätzlich offen gegenüberstehen. Hätte man ausschließlich Taxifahrer und Taxifahrerinnen befragt, wäre das Ergebnis sicherlich anders ausgefallen. Da Bolt die Umfrage selbst in Auftrag gegeben hat, wird deren Ergebnis jetzt kommunikativ wie eine Zitrone ausgequetscht, um auf so ‘dramatische Szenarien’ aufmerksam zu machen, die dringend eine Reaktion der Berliner Genehmigungsbehörde LABO erfordern.
Der Fahrdienstvermittler fordert unter anderem mehr Mietwagen, „da die erwiesenermaßen wichtige Rolle von Ride-Hailing gefährdet ist.“ Den Beweis für dessen Relevanz liefert selbstverständlich die von Bolt beauftragte Umfrage. So eine Vorgehensweise ist grundsätzlich bekannt und man muss auch zugeben, dass Umfragen regelmäßig dazu genutzt werden, um die Wichtigkeit von verschiedenen Themen zu unterstreichen. Häufig werden die Umfrageergebnisse allerdings mit mehr Finesse für die eigenen Ziele eingesetzt und nicht so plumb wie in diesem Fall.
So will Censuswide herausgefunden haben, dass “54% der Nutzer:innen von Ride-Hailing-Diensten in Berlin der Meinung sind, dass die Stadt mehr Ride-Hailing-Fahrzeuge benötigt, um die wachsende Nachfrage zu befriedigen.“ Bei so einer Aussage muss man sich die Frage stellen, woran die Fahrgäste denn gemerkt haben, dass die wachsende Nachfrage nicht mehr bedient werden kann. Da uns die Umfrage nicht vorliegt und die Bolt Pressestelle zwar offen für spezifische Frage ist, aber die Studie selbst nicht herausgibt, kann man nur vermuten, dass in der Fragestellung auf einen etwaigen Mietwagenmangel hingewiesen wurde.
Aber auch die folgende Aussage im sogenannten Bolt Blog, in dem aus der Studie zitiert wird, ist irreführend: „In einer kürzlich von Bolt in Auftrag gegebenen und von Censuswide durchgeführten Umfrage gaben 85 Prozent der Berliner:innen an, dass Ride-Hailing ein wichtiger Bestandteil der Verkehrsinfrastruktur der Stadt ist.“ Korrekt wäre es hier zu sagen, dass 85 Prozent der Befragten Ride-Hailing-Nutzer diese Meinung vertreten. Da die Umfrage nur unter Ride-Hailing Nutzern getätigt wurde, kann sie nicht als repräsentativ für ganz Berlin angesehen werden. Schließlich nutzt lange nicht jeder Berliner Ride-Hailing-Apps.
Zudem sieht Bolt seinen Service auch relevant für Fahrten zum Arzt an. “Rund 26% der Berliner:innen [die Ride-Hailing-nutzen] gaben an, Ride-Hailing für Fahrten zu Arztterminen zu nutzen.“ Anhand dieser Aussage soll verdeutlicht werden, dass Ride-Hailing, also Fahrten mit Bolt und Co. für Menschen mit eingeschränkter Mobilität oder gesundheitlichen Problemen von Bedeutung ist. Der letzte Satz ist kann durchaus Interpretation angesehen werden, denn die Menschen mit eingeschränkter Mobilität, die befragt wurden, sind sicher nicht mit den vielen Fahrgästen gleichzusetzen, die tagtäglich vom Taxi befördert werden. Rollstuhl ist nicht gleich Schnupfen. Bolt ist das egal, schreibt man sich doch eine entscheidende Rolle für den Zugang zur ‚Gesundheitsversorgung‘ zu.
Auch wird in dem Blog erwähnt, dass trotz steigender Nachfrage der legale Ride-Hailing-Markt um 15 Prozent zurückgegangen ist. (Ja, auch Bolt scheint bewusst zu sein, dass es illegalen Mietwagenverkehr in Berlin gibt.) Dieser Rückgang wird auf die Auswirkungen übermäßiger Regulierung Behörde zurückgeführt. Diese Aussage lässt den Autor tatsächlich darüber nachdenken, ob er nicht sein erstes Kabarettprogramm entwickeln soll, denn er und sicher auch der größte Teil des Taxigewerbes kann sich noch ziemlich genau daran erinnern, wie es zu diesem Rückgang gekommen sein muss. War es nicht eher so, dass erst vor Kurzem in Berlin 1.700 Mietwagen vom Labo gesperrt wurden, nachdem sich herausgestellt hatte, dass sie illegal unterwegs waren und ebenso illegal vermittelt wurden?
Diese Sperre war erwiesenermaßen für Bolt kein Grund, die Fahrzeuge der bewussten Unternehmen nicht doch einfach weiterzuvermitteln. Offenbar ist es sogar so, dass sich Bolt als Opfer wähnt und stattdessen die Schuld im PBefG, der Behörde oder sonstwas sucht, was einen wirklich sprachlos werden lässt. Bleibt nur zu hoffen, dass diese Rechnung nicht aufgeht und sowohl die Medien als auch die Politik die vermeintlichen Ergebnisse einer solchen Umfrage zunächst hinterfragen und nicht als Wahrheit weiterverbreiten.
Das eigentliche Ziel, welches Bolt mit den Umfrageergebnissen manifestieren möchte, sind verschiedene Forderungen. Man verlangt vom Berliner LABO klare und transparente Vorschriften in leicht verständlicher Sprache, die Straffung von Genehmigungsverfahren, die Bereitstellung von Hilfsmitteln, die Förderung der Zusammenarbeit bei unklaren rechtlichen Anforderungen sowie die Verlängerung der Genehmigungsdauer von zwei auf fünf Jahre.
Die ‘Ergebnisse’ der Bolt-Umfrage bergen noch viel mehr Stoff für Rückfragen. Wir wollen abschließend nur feststellen, dass unterm Strich Bolt mehr Rechte verlangt, ohne auch mehr Pflichten übernehmen zu wollen. Da verwundert es nicht, wenn im Bolt-Blog auch noch von einer Vision fabuliert wird, in der alle Mobilitätsdienste (unter anderem auch das Taxi) kooperieren, um dicht besiedelte Städte lebenswerter zu werden zu lassen. Offenbar macht sich langsam Verzweiflung im Bolt-Hauptquartier breit. Denn man ist sich nicht zu fein, um auch noch einen wichtigen Beitrag zur Beförderung von mobilitätseingeschränkten Mitmenschen und kranken Personen zu beanspruchen. sg
Beitragsfoto: Axel Rühle
Da fragt man sich doch, wie Hamburg eigentlich ohne Mietwagen auskommt…
Die sollen erstmal in der Lage sein bei diesem Anzahl der Fahrzeuge die unterwegs sind die mindest Lohne zu zahlen bzw zu decken . In Frankfurt sind die Mietwagen Unternehmer am Streiken weil die ein. Minus Geschäft machen.
Und zweitens die sollen erstmal in der Lage sein einen Disponenten einstellen und voll bezahlen . Die haben doch Niemanden in deren Büros sitzen . Die Aufträge werden doch uber die Fahrly Go und Octupy direkt an Fahrern weiter geleitet . Und die Behörden hätten es schon lange diese Art von Mietwagen Vermittlung verbieten müssen aber na ja was soll man dazu sagen. Schaut euch deren WhatsApp Gruppe an wo die in Frankfurt streiken weil das absolutes minus Geschäft ist.