Ein Experten-Trio des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen hat mit Vertretern der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und des Sozialverbandes Deutschland über Krankenfahrten und Inklusion gesprochen.
Die kleinteiligen Verhandlungen mit den Krankenkassen bzw. deren Verbänden über die Bedingungen für Krankenfahrten, mit denen sich im Taxigewerbe die Landesverbände, Regionalverbände oder im schlimmsten Fall einzelne Unternehmen herumschlagen müssen, sind für die Branche eine zeitraubende Belastung. Von den derzeit 103 Krankenkassen in Deutschland handhabt jede die Bedingungen für Krankenfahrten anders, beklagt Gisela Spitzlei vom Bundesverband Taxi und Mietwagen e. V. (BVTM).
Im Bemühen um allgemeingültige und einheitliche Bedingungen im Umgang mit Krankenfahrten, die idealerweise in einem bundesweiten Rahmenvertrag festgeschrieben werden sollten, haben drei Gewerbevertreter des BVTM die KBV und die Bundesgeschäftsstelle des SoVD in Berlin besucht, um sich mit Vertretern zu dem Thema auszutauschen.
Vizepräsident Wolfgang Oertel, Abrechnungsexpertin Gisela Spitzlei und Öffentlichkeitsreferent Christoph Siekermann besuchten zunächst die Kassenärztliche Bundesvereinigung, wo sie mit Doreen Biermann, Birgit Schellhase und Pamela Oertmann sprachen. Gisela Spitzlei referierte ausführlich über die Praxis der Krankenfahrten und die dabei immer wieder auftretenden Probleme.
Einer der größten Hemmschuhe bei der Abwicklung ist die Genehmigungspflicht für die einzelnen Fahrten. Ihre Forderung nach einer Abschaffung dieser Pflicht wurde jedoch seitens der KBV sehr kritisch gesehen. Laut Spitzlei sei es etwa unsinnig, wenn eine Person mit einer dringend behandlungsdürftigen, aber nicht lebensbedrohlichen Verletzung einen teuren Rettungswagen für die Fahrt zur Notaufnahme in Anspruch nimmt, obwohl sie problemlos im Taxi befördert werden könnte – was nach den derzeit bestehenden Regeln praktisch nicht umsetzbar ist.
Spitzlei thematisierte zudem das Problem, dass bei ihr in der Abrechnungsstelle immer wieder erbrachte Krankenfahrten von den Krankenkassen mit teils fadenscheinigen Argumenten, wie sie es beurteilt, nicht bezahlt würden. Als Beispiel nannte sie die häufig hervorgebrachte Begründung: „Es wird nicht bezahlt, wenn vor der Unterschrift ein ‚i. A.’ steht!“ Eine Unterschrift durch eine Begleitperson „im Auftrag“ des Fahrgastes sei aber obligatorisch, wenn dieser aufgrund seiner Erkrankung oder einer Behinderung nicht selbst unterschreiben könne. Die Krankenkassen fragen dann laut Spitzlei häufig umständlich nach, in welcher Beziehung der Unterzeichner zu dem beförderten Patienten steht. „Soll der Taxifahrer seine Fahrgäste etwa fragen, in welcher Beziehung sie zueinander stehen, um den Beleg für die Krankenkasse korrekt ausfüllen zu können?“
Sie könne unzählige weitere „absurde Geschichten“ erzählen, etwa von Fahrten, die nicht von der Kasse bezahlt wurden, weil auf der Verordnung „stationär“ angekreuzt war, das Krankenhaus aber wegen Personalmangels aus dem geplanten stationären Aufenthalt spontan eine ambulante Versorgung machen musste.
Die Vertreterinnen der Kassenärzte-Vereinigung hörten den Argumenten sehr genau zu. Auch die Vereinheitlichung von Tarifen ist ein übergeordnetes Ziel, zumindest in möglichst vielen Bundesländern landesweit, allerdings nach Spitzleis Vorstellung getrennt nach Stadt und ländlichen Regionen. Für Verhandlungen hierüber ist aber nicht die KBV zuständig. Doreen Biermann brachte stattdessen den Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) als Verhandlungspartner ins Gespräch.
Beim Sozialverband Deutschland sprachen die drei BVTM-Vertreter mit Michaela Engelmeier, Monika Paulat und Armin Dötsch. Auch hier wollte man in erster Linie über Krankenfahrten sprechen, außerdem über Inklusionstaxis und das Taxi als mögliche Krankenwagen-Ergänzung in minder schweren Fällen.
Grundsätzlich ging es um einen ersten Austausch, um sich kennenzulernen und über die Themen längerfristig ins Gespräch zu kommen. Frau Engelmeier ist erst letzten Herbst Vorstandsvorsitzende des SoVD geworden. Neben ihr hatte der Verband mit Frau Paulat und Herrn Dötsch zwei Personen in das Gespräch geschickt, die ausschließlich auf das Thema Inklusionstaxi spezialisiert waren, so dass die anderen Themen deutlich weniger ausführlich behandelt wurden. Das Gespräch war somit aus Sicht der BVTM-Vertreter thematisch noch etwas einseitig. Man bewertete den Austausch aber dennoch als konstruktive und zukunftsträchtige Grundlage für die weitere Kooperation.
Nach Ansicht von Gisela Spitzlei wird das Taxigewerbe als einer der größten Dienstleister für Krankentransporte (jährliches Gesamtauftragsvolumen: über 1,5 Milliarden Euro) unverhältnismäßig stiefmütterlich behandelt, obwohl es für die Krankenkassen auch bei fairer Vergütung der Fahrten noch ein großes Einsparpotential birgt. ar
Beitragsfoto: Christoph Siekermann, Armin Dötsch, Monika Paulat, Wolfgang Oertel, Gisela Spitzlei und Michaela Engelmeier (v.l.n.r.)
Die Probleme der Vergütung sowie der Regelungen für Krankenfahrten bestehen schon seit Jahrzehnten! Warum kümmert man sich erst jetzt um diese Problemstellungen? Hier wurde von seitens der Taxiverbände und Unternehmen eindeutig geschlafen! Zum einen dürfen die Preise für Krankenfahrten aufgrund der Mehrarbeit der Rechnungslegung und der oftmals notwendigen Betreuung der Patienten nicht unter den örtlichen Taxitarifen liegen, und zum anderen muss es zu einer Differenzierung zwischen Land und Stadt kommen. So muss es ländlichen Transportunternehmen zukünftig erlaubt sein bei längeren Anfahrtswegen über die Betriebssitzgemeinde hinaus eine Anfahrtsgebühr zu verlangen. Da die größten Ausgabepositionen der deutschen Taxiunternehmen in Form von Lohn- und Fahrzeugkosten bundesweit nahezu identisch sind, müssen auch die Preise für Krankenfahrten bundesweit gleich geregelt werden. Hierfür wäre derzeitig folgendes Tarifmodell sinnvoll:
Anfahrtsgebühr pro Leer-km = 1,20 € (ab Ortsausgangsgrenze, für alle Fahrten außerhalb der jeweiligen Betriebssitzgemeinde)
0 – 25 Besetzt-km = Fahrpreis nach Taxameter / Taxitarif
26 – 50 Besetzt-km = 5,00 € Grundgebühr + 2,20 € pro km
51 – 100 Besetzt-km = 5,00 € Grundgebühr + 2,10 € pro km
ab 101 Besetzt-km = 5,00 € Grundgebühr + 2,00 € pro km
Bei Rollstuhltransporten erfolgt zusätzlich eine Pauschale in Höhe von 15,00 € pro Fahrt.
Die Wartezeit wird ab der ersten bis zur letzten Minute mit 32,00 € pro Stunde berechnet.
Danke für den Leserkommentar: Im Beitrag wird allerdings nicht erwähnt, dass dies die ersten Gespräche waren. Verbände setzten sich seit Jahrzehnten in persönlichen Gesprächen für gute Krankenfahrttarife ein. Das Ergebnis sind die vielen Rahmenverträge zwischen Krankenkassen und diversen Taxi-Landesverbänden.
Wenn man einmal mit Verantwortlichen der Krankenkassen gesprochen hat, versteht man, warum diese Prozesse sehr lang dauern und schwierig sind. Lange Anfahrten kann man übrigens vermeiden, indem man dem örtlichen Kollegen die eine Tour überlässt ;-).
… das Problem besteht jedoch darin, dass es in vielen ländlichen Regionen gar keine Taxiunternehmen mehr gibt. Wir als Taxler sind Wirtschaftsunternehmen und müssen so auch handeln. Lange Anfahrtsweg in Nachbargemeinden dürfen und können daher nicht länger ohne Bezahlung erfolgen. Niemand arbeitet umsonst, auch kein Taxler.
Behindertenfahrdienst und Krankenfahrten sollten immer verfügbar sein. An der Verwaltung soll gearbeitet werden. Alles in allem klingt das doch gut.