Uber und Lyft haben in Amerikas Städten längst die Marktführerschaft im Bereich der Personenbeförderung übernommen. Was aber, wenn sie dort wegen neuer Gesetze ihren Dienst einstellen müssen? In Austin ist das 2016 bereits für 12 Monate geschehen. Wir berichten von den damaligen Folgen.
Das neue, amerikanische AB5-Gesetz will so gar nicht in das Geschäftsmodell von Uber und Lyft passen. Die beiden Vermittlungsplattformen sollen ihre selbständig agierenden Fahrer plötzlich wie Angestellte behandeln. Das gefällt den beiden App-Vermittlern gar nicht und entsprechend groß ist deren Widerstand.
Zusammen mit anderen Gig-Unternehmen haben sie eine Wahlkampagne im Wert von 110 Millionen US-Dollar unterstützt, die eine “dritte Kategorie“ von Arbeitsplätzen schaffen und es ihnen ermöglichen soll, Fahrer nicht als Angestellte einzustufen. Eine Bürger-Abstimmung darüber soll am Tag der Präsidentenwahl im November stattfinden.
In Kalifornien hätte das AB5-Gesetz Uber und Lyft bereits im August gezwungen, ihre Fahrer als Angestellte zu behandeln – weshalb beide damit drohten, ihren Dienst dort komplett einzustellen. Die Erpressung hatte Erfolg, denn dank einer Berufung beider Unternehmen hatte ein Gericht ihnen eine vorübergehende Frist eingeräumt, damit sie ihre Geschäfte wie gewohnt fortsetzen konnten. Das Berufungsverfahren könnte Monate dauern, da sowohl Uber als auch Lyft erfolgreich versuchen, mehr Zeit zu gewinnen. Eine Strategie, die bei nahezu allen weltweit ausgetragenen juristischen Auseinandersetzungen angewendet wird – auch in Deutschland.
Experten entlarven die wahren Absichten dieses Handelns: “Die Wahrheit ist, dass beide Unternehmen Zeit hatten, sich an das Gesetz zu halten”, sagt beispielsweise Nicole Lee klipp und klar im Techno-Magazin “Engadget”. “Die Tatsache, dass sie sich wehrten, ins Stocken gerieten, sich entschuldigten und einen Wahlvorschlag finanzierten, der die Arbeitnehmerrechte rückgängig machen würde, ist ein Zeichen dafür, dass diese Unternehmen nicht die Absicht haben, die Regeln einzuhalten oder ihren Fahrern die Vorteile zu bieten, die sie verdienen. Sie hatten ihre Zeit, aber sie verschwendeten sie.”
Was aber wäre gewesen, wenn sich die beiden App-Vermittler tatsächlich im August aus Kalifornien zurückgezogen hätten, jenen Markt, der für beide zu den wichtigsten in den USA zählt? Ein Rückblick nach Austin lässt die Folgen eines solchen Schritts erahnen. Die Hauptstadt vom Bundesstaat Texas ist unter anderem für sein (normalerweise) alljährliches Musik und Techno-Festival SXSW bekannt. Dieses Festival bringt im Normalfall tausende Besucher in diese kleine Stadt.
Die Stadtverwaltung hatte im Jahr 2016 Uber und Lyft per Gesetz dazu verpflichtet, bei Fahrern vor deren Aufnahme eine Hintergrundüberprüfung per Fingerabdruck vorzunehmen, denn nur diese föderale FBI-Prüfung liefert Information für die ganze USA. Diese Maßnahme hatten Uber und Lyft überall in den Staaten bekämpft, denn beiden brauchen ihre neuen Fahrer schnell und ohne Umstände. Man könnte auch vermuten, dass Uber & Co sich nicht so sehr interessieren für die tieferen Hintergründe ihrer Fahrer*Innen in anderen Teilen der USA.
In Austin war der Widerstand aber zunächst ohne Erfolg und Uber und Lyft stellten daraufhin ihren Dienst in der texanischen Hauptstadt ein.
Sollte dies nun trotz des juristischen Aufschubs auch in Kalifornien passieren, haben die Fahrer in Austin einige Ratschläge für Los Angeles und Co: “Machen Sie sich auf ein Chaos gefasst. Die Woche, nachdem Uber und Lyft Austin im Frühjahr 2016 verlassen hatten, war verwirrend”, sagen die Fahrer. Leute, welche die Nachrichten nicht verfolgt oder für die Einführung der Fingerabdruckverordnung gestimmt hatten, waren wütend geworden, andere verzweifelt. “In der Innenstadt gingen die Leute zu den Autos auf der Straße, klopften gegen das Fenster und winkten ihnen mit Bargeld zu“, sagt Christopher David, der in Austin einen Uber-Konkurrenten, Arcade City, gründete. „Es gab einen großen Mangel an Autos.“
Bald jedoch kamen Ersatz-Fahrzeuge: Arcade City startete zunächst eine Facebook-Gruppe, die Fahrer mit Menschen auf der Suche nach Mitfahrgelegenheiten zusammenbrachte. Auch andere Plattformen, die bereit waren, die neuen Regeln der Stadt zu befolgen, hatten sich in den darauffolgenden Wochen und Monaten durchgesetzt: Fare, Fasten, Wingz, GetMe und das gemeinnützige RideAustin. Die Stadt richtete schließlich eine Hotline und dann eine Jobmesse für Fahrer ein, die ihre Arbeit verloren hatten.
Einer von ihnen, Miguel Monsivais, der seit 2015 für beide Unternehmen gefahren war, zeigte sich im Portal “WIRED” vom Wechsel sehr angetan: „Innerhalb von ein paar Wochen wurde mir klar, dass es eigentlich besser ist, dass Uber und Lyft nicht hier sind.“ Ihre besten Verdienstmöglichkeiten würden von den Tarifen herrühren, die sie selbst geschaffen haben. “Das ist unser Geld und es gehört uns. Es gehört zur Gemeinschaft.“ Heute fährt Monsivais ein Pedicab und holt Passagiere für Arcade City ab, das immer noch in Austin operiert. Er hat auch regelmäßige Fahrten mit Stammkunden eingerichtet – etwas, was die Apps den Fahrern nicht erlauben.
Die neuen und rechtskonform agierenden Vermittlungsplattformen konnten allerdings nicht alle bisherigen Uber- und Lyft-Kunden auf ihre Seite ziehen. Eine Online-Umfrage unter 1.840 App-Nutzern, die sechs Monate nach dem Ausscheiden der Unternehmen verschickt wurde, ergab, dass 45 Prozent auf das Fahren ihrer eigenen Fahrzeuge umstellten und neun Prozent eines gekauft hatten. Nur drei Prozent waren auf öffentliche Verkehrsmittel umgestiegen.
Und heute? Die Änderungen aus dem Jahr 2016 hatten nicht lange angedauert. Im Jahr 2017 wurde vom Gesetzgeber des Bundesstaates Texas bereits ein Gesetz zur Beseitigung der Fingerabdruck-Verordnung berschlossen. Somit konnten Uber und Lyft in die verlassene Stadt zurückkehren und die Kunden mit erheblichen Preisnachlässen zurückholen, was bei den anderen Anbeiter sofort zu einem steilen Rückgang der Fahrtanfragen führte. Zwar versuchte man, die Preise mit Uber und Lyft wettbewerbsfähig zu halten, doch “die Gewschwindigkeit unseres Niedergangs war sicherlich schneller als von uns modelliert“, schrieb Andy Tryba, CEO von RideAustin, in einem Blogbeitrag von 2017. “Unsere Fahrer”, ergänzte er, “waren RideAustin treu. Aber irgendwann mussten sie parallel auch die beiden Apps bedienen.
RideAustin hat diesen Sommer abgeschaltet. Die meisten anderen Dienste sind im Laufe der letzten drei Jahre ebenfalls zusammengebrochen oder haben die Stadt verlassen.
Anmerkung der Redaktion: „2 x 3 macht 4 – Widdewiddewitt – und Drei macht Neune !! Ich mach‘ mir die Welt – Widdewidde – wie sie mir gefällt“, lautet ein weltweit bekannter Liedtext von Astrid Lindgren. Uber und Lyft sind die Pippi Langstrumpfs dieser Welt. Nur dass es Ihnen bei ihrer Spielerei nicht um Spaß geht, sondern um knallharte Profitmaximierung auf Kosten prekärer Arbeitsverhältnisse. Schlimm genug, dass die Politik dieses Spiel mitspielt – einschließlich Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, wie man an dessen Plänen zur PBefG-Novellierung deutlich sieht. wf
Uber und Lyft geht es nicht um Profitmaximierung. Profite machen sie eben gerade nicht mit ihrer Strategie. Ihnen geht es um die Schaffung eines Monopols (Lyft gehört wohl mittlerweile zu Uber, wie ich vor ca. 10 Tagen erfahren habe). [Anmerkung der Taxi-Times-Redaktion: Das können wir nicht bestätigen)
Uber braucht Ende 2021 frisches Geld. Spekulanten erwarten Gewinne und steigende Aktienkurse, in einen unregulierten Monopolisten zu investieren, kann da interessant sein. Noch interessanter wird aber sein, mit welcher Preisstrategie Uber einmal Gewinne machen will. Billig, billiger, am billigsten wird es nicht sein können. Und genau an dieser Stelle widerspricht sich die jetzige mit der zukünftigen Strategie von Uber, wenn es um ein Erreichen der Gewinnzone gehen soll und das Anlocken neuer Investoren. Teuer und Gewinn, und gleichzeitig billig ohne Verlust, dafür ist ein Algorithmus für einen Preis nach Angebot und Nachfrage nicht ausreichend. Das Ganze ist ein Widerspruch in sich.
Hedgefonds-Manager beschäftigen Mathematiker aus dem Bereich Pferdewetten für ihre Investitionsstrategien. Und Uber ist die Wette, in naher Zukunft mit selbstfahrenden Fahrzeugen (Robotaxen) viel Geld verdienen zu können mithilfe einer Fahrzeugvermittlungs-App.
Das ist eine Wette, die sich nun aber so schnell nicht realisieren lässt. Die Versuche mit selbstfahrenden Fahrzeugen finden in den USA in ruhigen Vorstädten statt, quasi ohne Fußgänger und Fahrradfahrer. Dort mag das noch halbwegs funktionieren. Aber bei den „chaotischen Strassenverhältnissen“ anderswo keinesfalls. Ein System kann zu 99% zuverlässig sein, was für „Computerfuzzis“ eine Traumquote sein mag angesichts der Zahl an Computerabstürzen und sonstigen ständig notwendigen (Bug-geschuldeten) Software-Updates. Im Straßenverkehr stellt aber das letzte fehlende 1% Zuverlässigkeit, einmal ganz abgesehen vom ethischen Aspekt, die Akzeptanz solcher Fahrzeuge infrage.
Insgesamt wird Uber am Ende eine Luftnummer gewesen sein, ein weiteres Startup, das mangels Gewinnen eingegangen ist, wie dies auf über 90% davon zutrifft. Zuerst und eigentlich als App zur Vermittlung von Mitfahrgelegenheiten gedacht, hat ein Mr. Kalanick die Idee schnell zu dem pervertiert, was wir heute kennen. Das war groß gedacht, muss aber scheitern. Im Nachhinein wird Uber‘s Problem gewesen sein, wegen falscher Zukunftseinschätzungen (Stichwort autonomes Fahren) zu früh auf den Markt gekommen zu sein. Auf den Markt mussten sie aber, denn zur gleichen Zeit wurde die App Mytaxi entwickelt.
Warum das Gewerbe deren Bedeutung nicht erkannt und nicht direkt mit einer konkurrenzfähigen App gekontert hat, ist mir bis heute ein Rätsel. Ich hatte als 50-Jähriger schon bei der Ankündigung Ende 2009 in der RAL 1015 über die Programmierung einer Vermittlungs-App für Taxen sofort verstanden, welche Vorteile so etwas mit sich bringt, auch wenn ich ein Smartphone noch nicht einmal kannte.
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Wie und warum Uber frisches Geld bekommen wird und warum die Politik Uber u.a. derart zu Füßen liegt, darüber gilt es (dann) auch noch nachzudenken.
Das Gutachten der Expertenkommission beim Bundesverkehrsministerium ist absurd, allein der Titel zeugt von völliger Unkenntnis des Gewerbes und der völligen Ignoranz der Konsequenzen im Falle der Umsetzung der Vorschläge. Das Wort Uber-Stau hat dort offensichtlich noch niemand gehört. Uber bringt Autos in die Stadt, der ÖPNV wird nach und nach eingestellt.
Wer entschieden hat, dass Taxifahrer und -betriebe zu viel Geld verdienen, das es dringend abzuschöpfen gelte per Provision auf jeden Euro Umsatz, würde man auch mal gerne wissen. Mytaxi hat gerade die Provision von 7 auf 12% erhöht, was sie schon sehr lange angesichts der Kosten für Funk hätten machen müssen, was aber nichts ausmacht, da fast gar keine Aufträge an Taxen mehr vermittelt werden von Free Now.
So viel zu diesem Artikel als Anregung zum Weiterdenken.