Die seit Jahren existierende Taxi-Erfagruppe fand am vergangenen Wochenende als Digital-Konferenz statt. Grund dafür war natürlich Corona und genau dieses C-Wort prägte dann auch Teile des zweistündigen Treffens. Wie hart traf und trifft die Gruppenmitglieder der Dauer-Lockdown?
Die ERFA ist ein lockerer Zusammenschluss zukunftsorientierten Unternehmer*Innen aus ganz Deutschland, bei dem das, was im Wort drinsteckt, auch der Anlass jedes Treffens ist: Ein ERFAhrungsaustausch untereinander, wie jeder in seiner Region mit den (meist) identischen Problemstellungen umgeht. Taxi-Times berichtet regelmäßig über diese Treffen. Wesentliches Thema des aktuellen, auf drei Stunden verkürzten Treffens war der Erfahrungsaustausch, wie die einzelnen ERFA-Mitglieder mit ihren Betrieben bisher durch die Krise kommen. Im Ergebnis streifte man dabei zwangsläufig aber auch viele andere Themen, welche die gesamte Branche aktuell bewegen.
Die Corona-Konsequenzen beherrschten natürlich die Gespräche. In der Zusammenfassung lässt sich für die Beschreibungen aus den Metropolen wie München, Köln, Düsseldorf oder Hamburg unisono fast nur das Wort „katastrophal“ zitieren. Umsatzeinbrüche von 60–80 Prozent sind immer noch an der Tagesordnung und nur die Kombination von Kurzarbeit und Überbrückungshilfen hält viele der Mehrwagen-Unternehmen dort über Wasser. Nur wer über ein hohes Stammkundenpotential verfügt, kann offensichtlich seine persönliche Situation zumindest etwas entspannter sehen, wobei überall gilt: Tagschicht hui, Nachtschicht pfui.
Zusätzlich scheint die Bevölkerungsdichte der jeweiligen Heimat umgekehrt proportional zum aktuellen Wohlergehen der Betriebe zu stehen, denn die Großstädter leiden nach wie vor besonders. Bewährt hat sich hier allerdings die Nürnberger Idee der Fifty-Fifty-Einsatzbeschränkung, von der ERFA.Gründer Christian Linz berichten konnte, der seit 2020 als Vorstand der Nürnberger Taxigenossenschaft auch die Funktionärsseite kennt. In der Frankenmetropole fahren an einem Tag die geraden und am anderen die ungeraden Konzessionen und so teilen sich jeweils nur die Hälfte der üblichen Fahrzeuge den reduzierten Umsatz. Und das Ergebnis ist nach wie vor „relativ positiv“, denn es ist natürlich immer noch besser, einen Tag nix und den anderen Tag halbwegs respektable Umsätze zu erzielen, anstatt jeden Tag aufs Neue fast nix mit nach Hause zu bringen.
Große Sorgen bereitet vielen ERFA-Unternehmern dabei die zumindest am Samstagmittag noch die völlig offene Frage, ob der vereinfachten Zugang zum Kurzarbeitergeld, aktuell bis Ende Juni befristet, verlängert werden wird. Besonders die darin enthaltene Sonderregelung, dass parallel zum KUG für die Mitarbeiter*Innen auch der Arbeitgeberanteil an der Sozialversicherung, also weitere knapp zwanzig Prozent der Lohnkosten von der Bundesarbeitsagentur übernommen werden, hilft dem Gewerbe sehr bei der Krisenbewältigung. (Die gute Nachricht gab es dann noch am selben Tag, als die Politik eine weitere Verlängerung dieser Regelung bis Ende September versprach).
Weitere Themen waren die möglichen Konsequenzen der anstehenden Mindestlohnanpassungen in zwei Schritten auf dann 10,45 Euro im nächsten Sommer und die nunmehr wohl als „unstopable“ anzusehende neue Kassensicherungsverordnung, die aktuell auf ihre Ausführungsverordnungen wartet. Um gerade in den Metropolen zukünftig effizienter agieren zu können, könnten freiwillige Konzessionsreduzierungen im Konsens der lokalen Mitbewerber untereinander eine sinnvolle Lösung sein, wenn das Gewerbe gleichzeitig sinnvolle Ausgleichsregelungen findet. Keine einfache Aufgabe, aber immerhin eine Idee. Bevor so etwas klappen könnte, sei aber wohl noch viel Überzeugungsarbeit in den einzelnen Städten notwendig.
Zunächst nicht zu beantworten war die spannende Frage, ob denn zukünftig ein Berliner Taxler zum Oktoberfest auch in München taxifahren dürfe. Im Rahmen der PBefG-Novelle ist ja die Ortskenntnisprüfung nunmehr als regionale Anforderung obsolet und insofern seien neue Fahrgastbeförderungsscheine ab August dann möglicherweise bundesweit mehr oder weniger uneingeschränkt gültig. Das aktuell genutzte Musterformular sieht hier keinerlei regionale Beschränkung vor, denn hier heißt es lediglich „… ist berechtigt ein Taxi zu führen“.
Christian Linz als Vizevorsitzender des bayrischen Landesverbandes berichtete von Aktivitäten im Taxi- und Mietwagenverband (TMV), zeitnah eine bundeseinheitliche kleine Fachkundeprüfung für Fahrer*Innen von Taxi, Mietwagen und gebündeltem Bedarfsverkehr (GBV) zu erarbeiten, auch um die kommunalen Gestaltungsoptionen in diesem Zusammenhang von vorn herein einzuschränken. Allerdings wäre im Umkehrschluss eine diesbezügliche Regionalisierung wohl die einzige Lösung welche, so dies denn allgemeiner Konsens ist, „nomadisierende Taxifahrer*Innen verhindern könne.
Hier stellt sich also die Grundsatzfrage, ob Taxifahrer*Innen wirklich ohne jede Ortskenntnis auf die Kundschaft losgelassen werden sollten oder ob die Branche bzw. die einzelnen Unternehmer*Innen höhere Ansprüche an die angebotene Dienstleistung stellen und im Zweifel ihr Auto lieber stehen lassen, wenn keine lokal ausgebildete Fahrer*Innen zur Verfügung stehen.
An diesem Punkt sind zunächst die bundespolitisch aktiven Gewerbevertreter noch sehr zeitnah vor der anstehenden Sommerpause gefordert, denn nachträglich wird sich da wohl nicht mehr viel korrigieren lassen.
In diesem Zusammenhang ergab sich dann auch eine kurze, aber sehr interessante Diskussion um das zukünftige Verhältnis von BVTM und TMV, natürlich ohne ein wirkliches Ergebnis. Im Herbst vergangenen Jahres waren drei Landesverbände aus dem BVTM (ehemals BZP) ausgetreten und hatten mit dem Taxi- und Mietwagenverband TMV einen neuen Verband auf Bundesebene gegründet. Grund war unter anderem auch die strittige inhaltliche Ausrichtung des BVTM, auch wenn sich die endgültige Trennung dann an einer Regelung zu den Verbandstatuten manifestierte. Insofern steht natürlich die Frage im Raum, ob beide Verbände zukünftig miteinander konkurrieren werden oder ob sich eine andere Entwicklung abzeichnet.
Die beim ERFA-Treffen anwesenden Vertreter des bayrischen Landesverbandes, Thomas Kroker und Christian Linz, welche ja bekanntlich mit dem neuen TMV assoziiert sind, stellten beiden Verbänden dabei eine parallele Existenzberechtigung anheim, da sich beide einem jeweils unterschiedlichen Klientel verpflichtet sähen und sie in der Folge auch unterschiedliche Ziele verfolgen würden. In beiden Verbänden sei hohe gewerbespezifische Kompetenz versammelt und man könne sich daher durchaus eine fruchtbare Koexistenz der beiden vorstellen.
Nach drei Stunden endete das erste digitale ERFA-Treffen, zeigte aber gerade in der Kürze der Zeit besonders klar auf, wie groß die neudeutsch „Challenge“ der Branche aktuell daherkommt. Krisenbewältigung und die folgende Neustrukturierung nach Corona, prozentual zweistellige Mindestlohnsteigerungen, die uneinschätzbare Entwicklung des neuen gebündelten Bedarfsverkehr gemäß dem neuen PBefG und anderer Mobilitätsplattformen, die immer größere Stücke vom Kuchen einfordern (Free Now Köln liegt nach Aussage eines Kölner Mitglieds aktuell bei 12 Prozent), eine Neuausrichtung der Fiskaltaxameter durch die Aufnahme in die Kassensicherungsverordnung, die noch offenen Auflagen durch die Mobilitätsdatenverordnung, die möglicherweise Thema eines der nächsten ERFA-Treffen sein sollen, gepaart mit der Ungewissheit, ob das Gewerbe zukünftig auf Bundesebene eine klare und starke Stimme finden wird – „spannend“ ist da wohl ein absolut unzureichendes Attribut für die Herausforderungen der nächsten Monate und Jahre. rw
Das Beitragsfoto zeigt in der großen Abbildung den Taxiunternehmer Christian Linz, mittlerweile auch Vorstand der Taxizentrale Nürnberg und im Bayerischen Taxi- und Mietwagenverband, Organisator des ersten digitalen Treffens der Taxi-Erfagruppe.
Es gilt jetzt, den Wegfall der Ortskenntnisprüfung nicht länger zu betrauern, sondern die riesige Chance zu ergreifen, die eine Fachkundeprüfung bieten kann: Nämlich die zukünftigen Fahrer*innen erheblich besser qualifiziert ins Rennen zu schicken. Ein Bereich, der bisher konsequent vernachlässigt wurde, wenn es um die Rechte und Pflichten eines angestellten Taxifahrers*in geht. „Lenken statt denken“ war und ist hier immer noch zu oft die Devise zu vieler Unternehmer*innen. Da Taxitarife und Taxiordnungen wohl vorerst weiterhin sehr lokal und somit auf die Besonderheiten vor Ort zugeschnitten bleiben, wäre eine bundeseinheitliche Fachkundeprüfung zu kurz gesprungen – ein lokaler Anteil ist zwingend notwendig und auch rechtlich problemlos möglich. Denn: Ein pfiffiger und gut informierter Taxifahrer*in schafft Vertrauen, sorgt für Transparenz und bietet eine bessere Dienstleistung. Das wollen doch alle!? Oder etwa nicht?
Es wäre fatal, regionale ergänzte Fachkundeprüfungen und somit die Gestaltungsmöglichkeiten der zuständigen Behörden von vornherein auszuschließen. Dafür sind Taxitarife, die dazugehörigen Taxitarifordnungen und vor allen Dingen die Taxiordnungen zu unterschiedlich und wichtig. Lokal gut ausgebildete, angestellte Taxifahrer*innen führen zu mehr Vertrauen und Transparenz bei der Kundschaft – und diese sollte wie immer im Mittelpunkt stehen. Das eine bessere Qualifikation vielleicht auch irgendwann einmal zu höheren Löhnen führen könnte, hätte dann auch noch den Nebeneffekt das angestellte Taxifahrer*innen vielleicht eben nicht „nomadisieren“ müssten. Denn das würden sie sowieso nur aus der finanziellen Not heraus tun…
Wenn es so viele „pfiffige“ Fahrer geben würde, hätte das Gewerbe ja gar kein Problem. Weder mit Unternehmern, noch mit Fahrgästen oder der Konkurrenz. Für gute Dienstleistungen braucht das Gewerbe keine Vorgaben von Außen.