Die EU-Kommission hat ein großes Ziel: Sie will die Arbeitsbedingungen von ‘Gig-Workern’, also für Menschen, die für digitale Plattformen arbeiten, verbessern. Für eine dafür geplante Gesetzgebung hat man diese Woche die erste Phase der Konsultationen eingeleitet. Gewerkschaften und Wirtschaftslobbyisten können Vorschläge und Statements zu Regeln für Plattformarbeiter abgeben.
Ob man in dieser Phase bereits einen Konsens finden wird, bezweifelt nicht nur die Zeitung `Poltico´. “Der Weg zu einer Einigung zwischen Gewerkschaften und App-Unternehmen wird wahrscheinlich mit Meinungsverschiedenheiten einhergehen.“ Kein Wunder, die Beziehungen zwischen App-Unternehmen, App-Mitarbeitern und Gewerkschaften sind oft bitter und die Verhandlungen werden schwierig, auch weil sich die Parteien in Rechtsstreitigkeiten in ganz Europa diametral widersetzen. Es gibt auch einige heikle Themen, wie die Rolle des Managements durch Algorithmen, der Zugang zum Sozialschutz und die kollektive Vertretung – alles Punkte, die einen Platz im Konsultationspapier der Kommission gefunden haben.
Vor dem Hauptquartier der EU-Kommission hatten sich am Mittwoch Dutzende protestierender Plattformarbeiter und Gewerkschaftsmitglieder versammelt. Margrethe Vestager, Leiterin der EU-Sparte Wettbewerbs und Digitales, sagte dazu in einem Politico-Interview: „Sie haben unsere Aufmerksamkeit und sie haben sie schon lange. Nach meiner Erfahrung werden Diskussionen äußerst komplex, wenn sie eine neue Kategorie erstellen möchten. Wir schaffen keine dritte Kategorie. Wir sind jedoch der Meinung, dass es hier in der Konsultation wichtig ist, dass wir genau diesbezüglich Feedback erhalten.”
Jene angesprochene dritte Kategorie ist eine der zentralen Frage: Sollen ‘Gig-Worker’ für Plattformen als Angestellte gelten oder nicht? Unternehmen wie Uber haben sich vehement und bereits vor Beginn der offiziellen Konsultationen mit einem “Weißbuch” vehement für den ‘Selbständigen’ eingesetzt. Sie plädieren für einen ‘dritten Weg’ zwischen Arbeitnehmerstatus und Selbstständigkeit, der dem ‘Gig-Worker’ einen gewissen (oft minimalen) sozialen Schutz bieten sollte. In Kalifornien, wo bereits ein „AB5-Gesetz“ zum Schutz der Gig-Worker in Kraft getreten ist, haben Uber und Lyft mithilfe einer Wählerkampagne (Prop22) einen solchen dritten Weg erzwungen.
Kritiker sagen, dass dies eine Klasse von ‘falschen Selbständigen’ schafft: alle Pflichten eines Arbeitnehmers, aber keine Rechte. Gerichte in Großbritannien und Spanien haben kürzlich entschieden, dass ‘Gig- Worker’ nicht selbstständig sind. Seit dieser Woche vertreten nun auch Ankläger in Mailand die Auffassung, dass `Just Eat´, `Deliveroo´ und andere Anbieter von Lebensmittellieferplattformen als Arbeitnehmer eingestuft werden müssen. In Italien arbeiten vornehmlich die “selbständigen” Fahrrad-Essenslieferanten zu erbärmlichen Konditionen, wie beispielsweise einem Bericht der neuen Zürcher Zeitung zu entnehmen ist.
Die jetzt gestarteten EU-Konsultation sollen den verschiedenen Parteien die Möglichkeit geben, ihre Ansichten darüber zu äußern, wie EU-weite Regeln für die Arbeitsbedingungen von Plattformen funktionieren könnten. Wenn diese Konsultation nicht zu einer Einigung führt, wird die Kommission eigene Rechtsvorschriften erarbeiten. „In der Welt der Plattformen gibt es eine große Vielfalt“, sagte Nicolas Schmitt, der „Job Commissioner“ der EU, und das Feedback ist wichtig, weil „es kein Weiß oder Schwarz und keine Einheitsgröße gibt.” Die Kommission ist sich noch nicht ganz sicher, wie sie sich bei den verschiedenen Fragen positionieren soll, und nutzt die Konsultation, um Informationen zu sammeln und eigene Schlussfolgerungen zu ziehen.
Die Kommission steht unter starken Druck der Sozialisten und Demokraten (S&D) im Europäischen Parlament sowie der Europäischen Gewerkschaften, vereint im EFT. „Um die Gig-Wirtschaft zu verändern, sollten grundsätzlich alle Plattformarbeiter als Angestellte betrachtet werden“, sagte Agnes Jongerius, eine niederländische S & D-Europa-Abgeordnete und Sprecherin für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten, in einer Erklärung.
Selbst in Reihen der CDU geht einigen das Treiben von Uber zu weit. “„Schluss mit Ausbeutung und unfairem Wettbewerb bei Uber und Co“, fordert beispielsweise der aus dem Ruhrgebiet stammende Europa-Abgeordnete Dennis Radtke in seiner Funktion als sozialpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion.
Dagegen wollen andere Parteien nationale und keine EU-Vorschriften. Dies könnte auch die Position der International Road-Union (IRU) sein, die auch das Taxigewerbe vertritt. Die IRU will seine Empfehlungen nächste Woche beraten. wf
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