In der badischen Kleinstadt Rastatt können sich Bürger ab nächster Woche mit einem Mietwagen zu über 50 Adressen fahren lassen. Die Fahrtkosten übernimmt der örtliche Gewerbeverein. Bestellt werden kann ausschließlich per App. Initiiert und in nur sechs Wochen auf die Beine gestellt hat das Projekt das örtliche Personenbeförderungsunternehmen.
Rastatt hoch drei Shuttle (RA³) nennt der Gewerbeverein diesen On-demand-Shuttle, der nicht auf einem starren Fahrplan oder festen Linienabläufen basiert, sondern auf Bedarf nach Kundenanfrage fährt. Ziel des Gewerbevereins Rastatt RA³ ist es, mehr Kunden zu den Rastatter Geschäften zu locken und zum Umdenken der eigenen Mobilität anzuregen, weg vom privaten Fahrzeug, hin zu geteilter Mobilität. Einwohner können sich ab dem 19. November von Rastatt und zwei angrenzenden Ortsteilen kostenlos von zu Hause zu einem der über 50 Händler des Gewerbevereins chauffieren lassen. Dabei werden Fahrgäste mit ähnlichen Wegen und Abfahrts- bzw. Ankunftszeiten als Fahrgemeinschaften zusammengefasst.
Der Dienst ist an fünf Tagen jeweils für acht Stunden abrufbar. Bestellt werden kann ausschließlich über die App RA³ Shuttle, die kostenlos über die Nextshuttle Smartphone App für Android und iPhone erhältlich ist.
Am zunächst für drei Monate angesetzten Pilotprojekt sind neben dem Gewerbeverein auch „Inges Personenbeförderung“ und ioki beteiligt. Letztere stellen die Pooling-Software zur Verfügung, die von der Bahn-Tochter speziell für On-demand-Dienste entwickelt wurde.
„Inges Personenbeförderung“ ist ein Rastatter Mietwagenunternehmen innerhalb der Holl AG, das ansonsten auch noch Taxis und Mietwagen in Gaggenau, Baden-Baden und Karlsruhe betreibt und beim On-Demand Ergänzungsverkehr in Karlsruhe-Ettlingen Fahrzeuge und Personal stellt.
Während in Karlsruhe allerdings die Pooling-Software von moovel kommt und als Betreiber unter anderem die örtlichen Verkehrsbetriebe fungieren, handelt es sich in Rastatt um ein Eigenprodukt der Holl AG. Die On-Demand-App „nextshuttle“ wurde in nur sechs Wochen gemeinsam mit ioki entwickelt und könnte im Erfolgsfall auch in anderen Regionen verwendet werden.
In Raststatt stellt Inges Personenbeförderung sowohl den Fahrer wie auch das Fahrzeug. Die monatlich mit einem Fixbetrag vereinbarten Fahrtkosten übernimmt für die ersten drei Monate der Gewerbeverein. Raststatts Einzelhandel sowie die Gastronomie leidet unter einer schwierigen Parkplatzsituation, nicht immer optimalen ÖPNV-Verbindungen und einem Kaufkraftindex, der knapp unter dem bundesweiten Durchschnitt liegt. Dies in Kombination mit den „Computerkaufhäusern“ wie Amazon, Zalando und Co sorgt für einen Umsatzrückgang der Mitglieder, dem man nun mit einem On-Demand-Shuttle aktiv entgegensteuern will. „Wir schaffen eine neue Lust, diese Stadt zu besuchen“ erläutert der Vereinsvorsitzende Thomas Richers gegenüber Taxi Times.
Hinterlegt sind in der App als Abhol- bzw. Zieladressen ausschließlich Mitgliedsbetriebe des Gewerbevereins. Entweder der Einstiegsort oder das Fahrtziel müssen aus dieser Auswahl angeklickt werden. „Gibt ein Fahrgast nur zwei Straßennamen ein oder einen nicht hinterlegten Betrieb, schlägt ihm die App einen Abhol- oder Zielort ganz in seiner Nähe vor“ erläutert Daniela Matheis, die für ioki für die Technik zuständig ist. „Unser Fahrer ist dann auch angewiesen, nur dort den Fahrgast ein- oder aussteigen zu lassen“, ergänzt Daniel Zeibig, Projektleiter der Holl AG. Und Richers beschreibt die Hintergründe aus Sicht seiner Mitglieder: „Selbst wenn unser Kunde dann nicht zu diesem Geschäft will, steht er immerhin davor. Und vielleicht schaut er sich dann dort doch um – aus Lust oder aus Dankbarkeit für den kostenlosen Shuttle“, sagt Richers und betont, dass dieses Projekt völlig ohne öffentliche Fördermittel finanziert wird.
Für Sebastian Holl, Aufsichtsratsmitglied der Holl AG, stand deshalb auch die Wirtschaftlichkeit im Vordergrund: „Deshalb kommt ein hybridgetriebener Toyota Prius+ zum Einsatz, der allerdings maximal vier Gäste befördern wird“.
Bleibt noch die Frage nach der eigenen Kannibalisierung. „Natürlich werden wir die eine oder andere Fahrt verlieren, die sonst bei unserm Mietwagenunternehmen gelandet wäre“, sagt AG-Vorstand Dirk Holl. Doch unsere Fahrten werden ja vom Gewerbeverein bezahlt. Und mir ist es lieber, wenn wir solche Angebote machen können und nicht Uber.“ jh
Hinweis in eigener Sache: Diese Meldung können Sie auch in unserer Taxi Times-App nachlesen. Jetzt kostenlos runterladen.