Bundeswirtschaftsminister Habeck macht es vor und realisiert einen Praxis-Check für einen Gesetzesentwurf. Welches Ergebnis würde solch ein Praxis-Check wohl für den Anwendererlass zur Kassensicherungsverordnung (AEAO) bringen?
Trotz gebetsmühlenartig vorgetragener Detailkritik aus dem Taxigewerbe schreitet die Aufnahme der Taxameter in die Abgabenordnung des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) in Riesenschritten voran und scheint gemäß dem aktuell vorliegenden „Anwendungserlass zu § 146a der Abgabenordnung“ (AEAO) unverändert zum 1. Januar 2024 zur Realität zu werden. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt: Vielleicht könnte ja ein Praxis-Check à la Habeck noch die Wende bringen. Ganz im Sinne des derzeit ebenfalls diskutierten Bürokratieentlastungsgesetzes gibt ein solcher Praxis-Check einem grundsätzlich schon als endgültig ausformulierten Gesetz noch einmal die Gelegenheit zur Realitätsüberprüfung, indem Praxisvertreter es gemeinsam an einem runden Tisch einer Zielkontrolle unterziehen.
Das Gesetz müsste so noch einmal beweisen, dass es seinen eigenen Zielvorgaben auch wirklich nachkommt und nicht anstelle dessen noch mehr oder weniger weit am Ziel vorbeischießt oder andere ungewollte Konsequenzen initiiert. Der AEAO des BMF zur Kassensicherungsverordnung bietet sich hier auch im FDP-geführten BMF für einen ersten solchen Praxis-Check förmlich an, denn die lauteste Kritik an der geplanten Verordnung kommt überraschenderweise nicht von denen, die mit dieser Regelung zur Ordnung gerufen werden sollen, sondern von denen, die ebendiesen Ordnungsruf eigentlich begrüßen. Hier scheint also tatsächlich etwas schief zu laufen.
Die Zielvorgabe der Integration von Taxameter und Wegstreckenzähler in die Kassensicherungsverordnung ist relativ klar. Das Lindner-Ministerium will damit sicherstellen, dass alle steuerpflichtigen Einnahmen mit dem Zeitpunkt, zu dem die Leistung erbracht wird, digital registriert und unveränderbar gespeichert werden. Zum einen soll so ein fairer Wettbewerb sichergestellt werden, vor allem aber soll all das dem Staat gegeben werden, was dem Staat gehört. So weit, so gut. Die Frage eines Praxis-Checks muss nun also lauten: Erreichen die gesetzlichen und abgabenrechtlichen Vorgaben des BMF einen Fortschritt auf dem Weg zu diesem Ziel oder bringen sie nur ein neues, möglicherweise sogar sinnloses Bürokratieinstrument auf den Weg, welches die Redlichkeit der Steuerpflichtigen vielleicht sogar eher ausbremst?
Der wesentliche Kritikpunkt ist derzeit die fehlende Realisierbarkeit in der Kürze der Zeit. Auch wenn viele Eckpunkte der neuen Regelungen schon lange bekannt sind: Die technischen Grundlagen für die TSE wurden erst in diesem Sommer festgelegt und den Taxameterherstellern zugänglich gemacht. Daraus resultierend ist ein Fakt, dass es diesen nicht mehr gelingen kann, dass gesamte Gewerbe mit der notwendigen Technik auszustatten. Da gesetzliche Regelungen allerdings bindend sind und sein müssen, kämen alle Fahrzeuge, die die neue Technik nicht zum Stichtag 1. Januar 2024 funktionstüchtig verbaut haben, ihren konzessionellen Pflichten nicht mehr nach, und ihre Unternehmer wären persönlich unzuverlässig. Das Zitat „Deutschland schafft sich ab“ bekäme so eine ganz neue Note.
Ein anderer Kritikpunkt ist die fehlende zeitgleiche Einbeziehung der Wegstreckenzähler (WSZ) in die Regelung der AEAO. Der AEAO verlangt nach aktuellem Stand die TSE-Nachrüstung nur für vorhandener Taxameter, während sie dies für die Wegstreckenzähler im Mietwagen nicht tut. Das ist definitiv ungerecht. Übersehen wird bei dieser Diskussion allerdings, dass die gesetzliche Regelung der Kassensicherungsverordnung als Basis der AEAO eine solche Nachrüstung für WSZ überhaupt nur dann verlangen kann, wenn dort neue WSZ verbaut würden, alte WSZ sind überhaupt nicht betroffen. Von daher ist die Diskussion um Marktfairness an diesem Punkt eigentlich müßig, denn selbst, wenn die AEAO nun doch noch WSZ mit in die Regelung einbeziehen würde, könnten Mietwagenunternehmen vorhandene WSZ einfach nicht ersetzen – und die AEAO-Gültigkeit für ihre Mietwagen so elegant umschiffen.
Nicht nachvollziehbar erscheint den Kritikern auch, dass die vorhandenen INSIKA-fähigen, so genannten Fiskaltaxameter zeitgleich nachgerüstet werden müssen, es sei denn, sie wären schon vor 2021 verbaut worden und seit diesem Zeitpunkt immer noch im selben Fahrzeug. Dann und nur dann kann eine zusätzliche Zweijahresfrist in Anspruch genommen werden. Hier führt das BMF ins Feld, dass eine notwendige Absegnung einer Ergänzungsvorschrift im Bundesrat festhängt und ihm daher die Hände gebunden seien. Auch, wenn Demokratie Regeln braucht, es erscheint hier einfach undenkbar, dass es nicht doch Wege gäbe, wie dieses unsinnige Ausgrenzen von nach 2021 zugelassenen Neufahrzeugen mit schon zuvor genutzten Fiskaltaxametern sich egalisieren ließe.
Auch wurde von Anfang an hinterfragt, wie die nicht taxameterabhängig erhobenen Fahrpreise, beispielsweise für Kranken- oder Kurierfahrten, in das System mit eingepflegt werden sollen, wenn Taxameter als geeichtes Messinstrument die nachträgliche Eingabe von Festpreisen eigentlich gar nicht vorsehen. Eine anschließende manuelle Korrektur von beispielsweise mehr als der Hälfte der Taxameterfahrpreise erscheint hier nicht alltagstauglich, denn es untergräbt die Glaubwürdigkeit der gespeicherten Daten gegenüber einem zukünftigen Prüfer doch massiv, obwohl der Prüfling alles korrekt abgerechnet hat.
Zu guter Letzt wird die fehlende praxistaugliche Regelung zur Belegpflicht kritisiert, denn nach aktuellem Stand sollen solche Systeme, bei denen ein Drucker integriert ist, auch einer Belegausgabepflicht unterliegen, während solche ohne integrierten Drucker davon befreit bleiben. Mit einer solchen Regelung wird nur ein sinnentleerter Thermopapierberg geschaffen.
Im Ergebnis würde eine Umsetzung der AEAO zum Stichtag 1. Januar 2024 also tatsächlich alle Unternehmen, die guten und die schlechten, in einen Topf werfen und es gleichzeitig bei Betriebsprüfungen auch eher erschweren als erleichtern, diese beiden Kategorien wieder zu trennen. Außerdem würden all diejenigen Unternehmen finanziell bestraft, die eigentlich versucht hatten, den vorherigen Anforderungen auch bezüglich der digitalen Einzelaufzeichnung nachzukommen. Noch konnten sie in den meisten Fällen nicht einmal die Früchte ihrer Investition ernten. Mitwerber, die diese Pflichten nicht ganz so ernst genommen haben, werden herzlich lachen. Und die Mitbewerber aus der Mietwagenszene lachen sowieso schon jetzt, denn so ein WSZ hält ja schon einige Jahrzehnte und befreit diese so von allen Pflichten.
Ein Praxis-Check des AEAO zur Kassensicherungsverordnung muss also scheinbar ein für seine Autoren niederschmetterndes Ergebnis zeitigen, insofern werden diese natürlich wenig Begeisterung für eine solche Realitätsüberprüfung an den Tag legen. Nichts desto trotz ist er zwingend notwendig, denn selbst mit einer leichten Verschiebung, vielleicht um ein halbes Jahr, lassen sich die grundsätzlichen Mängel der Regelungen nicht heilen. rw
Hinweis der Redaktion: Alle bei Taxi Times bisher veröffentlichten Beiträge zum Thema TSE-Pflicht finden Sie hier.
Beitragsbild: Grafik Remmer Witte