Corona hat viele Mehrwagenunternehmen in die Kurzarbeit gezwungen, ein Verwaltungsmonster, welches mit seinen Regelungen größtenteils so gar nicht zum mobilsten Gewerbe der Welt passt. Taxi Times-Autor Remmer Witte, Prokurist in einem Oldenburger Taxibetrieb, hat einen Erfahrungsbericht aus dem Taxigewerbe verfasst.
Der erste Schritt in die Kurzarbeit war wahrscheinlich noch der einfachste, problematischer wird dagegen sicherlich der Weg wieder hinaus. Vor allem aber während der Krise hält die Kurzarbeit für Arbeitgeber viele kleine Fallstricke bereit, deren fatale Auswirkungen sich gegebenenfalls erst im Rahmen der nächsten Prüfung durch die Rentenversicherung zeigen werden.

Zunächst einmal galt es zu vermitteln, dass Kurzarbeit nicht alle gleich behandelt. Auftragsbedingt waren Tagfahrer erheblich weniger von der Kurzarbeit betroffen als Nacht- und Wochenendfahrer, und in der Verwaltung kamen teilweise sogar fast gar kein Arbeitsausfall vor – irgendjemand muss den Laden ja schließlich auch am Laufen halten.
Parallel gab und gibt es Kollegen, die so richtig Pech haben und mit weniger als der Hälfte des üblichen Einkommens klarkommen mussten, zumal Nachtzuschläge und Trinkgeld ja auch noch fehlen. Besonders prekär dabei war, dass viele Fahrer gezwungen waren, erstmals Unterstützung zu beantragen, ein Weg, den man niemanden gern gehen lässt. Ein von Anfang an erhöhtes Kurzarbeitergeld für Niedriglöhner hätte ihnen diese Erniedrigung ersparen können und trotzdem die dieselbe Kassen um dieselbe Summe erleichtert, und das bei gleichzeitig erheblich geringerem Verwaltungsaufwand. Schade, dass die Vernunft bei solchen Themen manchmal keine Chance hat.
Kurzarbeit tut den Betroffenen weh, teilweise auch richtig weh, aber im Laufe der Zeit haben sich viele Menschen trotzdem an das (fast) bedingungslose Grundeinkommen gewöhnt – wer kann es ihnen verdenken – und lassen sich nun teilweise nur ungern wieder ans Lenkrad zurückholen.
Ein besonderes Dilemma entstand dabei für Aushilfen, Rentner oder die wenigen Studenten, die noch im mobilen Gewerbe aktiv sind, denn einerseits stehen ihnen natürlich durchaus auch weiterhin ihre üblichen Arbeitsanteile zu, auch wenn festangestellte Kollegen parallel kurzarbeiten, aber andererseits gilt hier natürlich: Wo nichts zu tun ist, gibt es nichts zu holen.
Einige Wochen später aber veränderte sich der Bedarf. Nur eine sorgfältige Dokumentation wird dann dem Arbeitgeber im Nachhinein helfen, sowohl den Kollegen (intern wie extern) als auch dem Prüfer im Einzelfall zu erklären, warum Festangestellte noch in Kurzarbeit verharren mussten (oder durften…), während den Aushilfen trotzdem die Chance eingeräumt wurde, ebenfalls ein paar Euro zu verdienen – ein Ritt auf der Rasierklinge für die betroffenen Arbeitgeber.
Zusätzlich steht jetzt noch eine besonders skurrile Bewährungsprobe für die innerbetriebliche Loyalität an. Nur wer im vergangenen Monat maximal 50% seines vereinbarten Arbeitspensums absolviert hat, darf sich frühestens ab dem vierten Monat seiner Kurzarbeit auf 70 bzw. 77 Prozent Kurzarbeitergeld freuen. Wer mehr gearbeitet hat, der bleibt dagegen weiterhin bei 60 bzw. 67Prozent, ein unauflösbarer Interessenkonflikt zwischen Arbeiternehmer und Arbeitgeber. Die Fahrersicht: Kurz vor Monatsende hat der Fahrer schon 80 seiner vereinbarten 170 Stunden erledigt, also 47 Prozent, und der Chef verlangt nun, dass er zusätzlich doch noch am letzten Tag des Monats fahren soll, womit er auf ein Arbeitspensum von beispielsweise 90 Stunden komme, also 53Prozent. Man muss zwar schon ein großer Rechenkünstler sein, um hier wirklich genau zu errechnen, ob der Fahrer dann am Monatsende mehr oder weniger oder auch genauso viel in der Tasche habe. Fakt ist, dass der Fahrer zugunsten des Chefs auf zehn Prozent seines Kurzarbeitergeldes verzichteten soll. Finde ein Fahrer das – unabhängig vom mathematischen Ergebnis – richtig? Die Fettnäpfchen stehen also für alle gleichermaßen bereit.
Ab September könnte sich diese Rechnung dann noch einmal verschärfen, wenn eine einzige Stunde zu viel dann sogar 20% des Kurzarbeitergeldes kosten kann (80 bzw. 87 Prozent statt 60 bzw. 67 Prozent). Wie konnte man diesen unauflösbaren Konflikt bloß übersehen, es wird spannend, ob dieses Dilemma wirklich bestehen bleibt oder ob die Politik noch kurzfristig Abhilfe schafft.
Und zu guter Letzt droht dann zum Abschluss noch die Kopfregelung, die besagt, dass Kurzarbeit nur dann gestattet ist, wenn mehr als ein Drittel der Beschäftigten (und hier werden auch alle aktiven oder teilaktiven Aushilfen mitgezählt!) von einem Arbeitsausfall von mindestens 10 Prozent betroffen sind (hier können Aushilfen dann nicht mehr berücksichtigt werden). Da das Thema Kurzarbeit auch für viele Steuerberater Neuland ist, gilt es hier besonders genau aufzupassen, denn unterschreitet man diese Bedingung, ohne es zu merken, drohen im Nachhinein deftige Rückforderungen.
Die Kurzarbeit ist also für 24/7-Dienstleister im Niedriglohnbereich Segen und Fluch zugleich und alle nichtindustriellen Betriebe, die diese Hilfe in Anspruch nehmen mussten, sind wahrscheinlich mehr als froh, wenn sie dieses Monster irgendwann wieder gebannt haben. rw
Illustration: Remmer Witte