Bei der Hauptstadtkonferenz Elektromobilität 2022 im Berliner Rathaus stand am Mittwoch unter anderem ein Experteninterview mit Leszek Nadolski von der Berliner Taxi-„Innung“ auf dem Programm.
Die Konferenz, die von der Berliner Agentur für Elektromobilität (eMO) abgehalten und auch online übertragen wurde, bot ein Bündel an Vorträgen und Diskussionen zum aktuellen Stand aus unterschiedlichen Segmenten der E-Mobilität. Da der Wirtschaftsverkehr der wichtigste Bereich bei der Abkehr vom Verbrennungsmotor ist, spielt auch das Taxigewerbe bei dem Thema eine nicht unwesentliche Rolle.
Frank Panse, als eMO-Projektmanager für das Thema Elektrifizierung von Nutzfahrzeugen zuständig, interviewte Leszek Nadolski, den Ersten Vorsitzenden der Innung des Berliner Taxigewerbes e. V., der sich seit Längerem für elektrisch angetriebene Taxis engagiert. Panse erwähnte einleitend das Mitte 2021 aufgesetzte „WELMO“-Projekt, ein Förderprogramm, das auch E-Taxis fördert. Für die Taxibranche gibt es deshalb ein zweijähriges Pilotvorhaben des Senats mit Schnellladesäulen ausschließlich für die elektrischen Berliner Taxis. „Das Ganze würde aber nicht funktionieren, wenn es aus dem Taxigewerbe selbst nicht Unterstützer geben würde“, so Panse. Nadolski scheue sich nicht vor Herausforderungen mit alternativen Antriebsarten, wie Panse aus eigener Erfahrung bestätigte.
Leszek Nadolski beklagte den Schwund von über 2.000 Taxis in Berlin seit Beginn der Corona-Krise und bezeichnete die WELMO-Förderung als „Segen“, sowohl im Hinblick auf das Ziel der Emissionsfreiheit als auch wirtschaftlich, da das Gewerbe sich im Unterschied zum restlichen ÖPNV ausschließlich aus Fahrpreiseinnahmen finanziere.
Da das Gewerbe sich seiner Mitverantwortung für die Verkehrswende bewusst sei, habe die „Innung“ – sie ist einer von vier Landesverbänden des Berliner Taxigewerbes – Elektrofahrzeuge angeschafft, auch, „um den Unternehmern überhaupt die Möglichkeit zu geben, es zu testen – also Elektromobilität zum Anfassen.“ Man habe ein erstes Elektrofahrzeug angeschafft und jedem interessierten Mitgliedsunternehmen nacheinander für jeweils zwei bis drei Wochen zur Verfügung gestellt. „Als er zurück kam, sagte er: Wow, ich wusste gar nicht, dass das funktioniert.“ So habe Nadolski peu à peu versucht, die Unternehmer – gerade die älteren, die schon Jahre auf dem Markt und zum Teil schwer von etwas Neuem zu überzeugen seien – zu überzeugen. Auch für ihn selbst, der seit 20 Jahren Mercedes fahre, sei es eine gewisse Umstellung gewesen.
Nadolski sieht deshalb großes Potential in der Unterstützung der jüngeren Generation, die jetzt als Unternehmer in den Markt eintritt. Man müsse das Thema nur richtig kommunizieren. Er wolle nun beobachten, ob auch Elektrotaxis fünf Jahre halten und 500.000 Kilometer problemlos überstehen.
Für einen Einsatz der Fahrzeuge im Mehrschichtsystem bedürfe es allerdings mehr Schnellladesäulen. „Ich als Einzelkämpfer kann auch ganz normal über Nacht laden“, doch seien zwei Drittel der Berliner Taxis – rund 4.000 – in Mehrwagenbetrieben und somit in mehr als einer Schicht pro Tag in Betrieb. Diese müssten innerhalb von 20 Minuten geladen werden; langsames Laden könnten sie sich nicht leisten. Das WELMO-Projekt mache ihm daher Hoffnung, und er sei für das Förderprogramm dankbar.
Auf die Frage nach einer realistischen Perspektive bis Jahresende sagte Nadolski, unter der Voraussetzung schneller Lieferungen durch die Hersteller ließe sich die Zahl von derzeit zugelassenen 50 bis 60 rein elektrisch getriebener Taxis in Berlin möglicherweise in der zweiten Jahreshälfte verdoppeln. Die derzeitigen Lieferzeiten seien aber nicht akzeptabel.
Auf die Frage nach dem Bedarf an Schnellladesäulen sprach Nadolski von mindestens ein bis zwei weiteren Säulen in jedem der zwölf Berliner Bezirke als Mindestvoraussetzung. Er selbst müsse an der einzigen Schnellladesäule in Spandau, dem Bezirk seines Betriebssitzes, häufig zu lange warten.
Panse erwähnte, dass Nadolski auch durch seine Offenheit für weitere Technologien von sich Reden gemacht habe und fragte nach Alternativen zum bisherigen Ladesystem. Nadolski sagte, er wünsche sich die „Tankstelle der Zukunft“, an der neben herkömmlichen Kraftstoffen auch Wasserstoff getankt und außerdem Akkus sowohl geladen als auch gewechselt werden können. Er berichtete von seinen Tests mit einem Fahrzeug mit Wasserstoffantrieb, was ausgezeichnet funktioniere. Man habe einen Fahrer bis nach Rügen geschickt und Wetten abgeschlossen, ob er es mit einer Tankfüllung hin und zurück schaffe. Erfreulicherweise habe er es geschafft. „Es funktioniert, wenn man will“. Auch sei Wasserstoff wirtschaftlicher als Strom aus Ladesäulen.
Nadolski wünscht sich zudem, in Berlin europaweit die ersten Taxis mit Wechselakkus in Verkehr zu bringen, um zu zeigen, dass dies unter realen Bedingungen problemlos möglich ist: „Wenn es bei uns funktioniert, funktioniert es überall – genau so wie mit Wasserstoff und mit Stromern.“ Scherzhaft ergänzte Nadolski: „Also wir sind dabei: Wenn Sie in zwei Jahren mit Druckluft kommen, dann fahren wir mit Druckluft. Ich sehe das ganz entspannt. Wir sind Pragmatiker. Wir nehmen das, was auf den Markt kommt.“ Diese Aussage quittierte das Auditorium mit Beifall. ar
Hinweis der Redaktion: Das Programm der Konferenz sowie der Mitschnitt der kompletten Veranstaltung ist auf der Interntseite der eMO abrufbar. Im Video-Stream beginnt das Interview mit Leszek Nadolski bei 4:24:52 (bzw. 1:40:02 vor Schluss).
Auch alle anderen Redebeiträge und Diskussionen bieten interessante Inhalte, so etwa der sehr anschauliche Vortrag „Herausforderung Verkehrswende für Städte und Unternehmen“ von Agora-Verkehrswende-Direktor Christian Hochfeld (0:41:00) und die anschließende Diskussion zum Mobilitätswandel mit Christian Hochfeld, Alexandra Knauer und Tino Schopf, dem früheren verkehrspolitischen Sprecher der Berliner SPD-Fraktion und jetzigen Staatssekretär für Energie und Betriebe (1:10:48).
Aus dem Berliner Senat hielten Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (0:01:47) und Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (5:08:47) Vorträge.
Beitragsbild: Frank Panse und Leszek Nadolski auf der Bühne im „roten“ Rathaus; Screenshot: eMO