Mobilitätsgarantie braucht öffentliche 24/7-Verkehrsmittel im Individualverkehr vor Ort. ÖPNV-Taxis sind so nicht nur en Vogue, sondern als Game-Changer der Verkehrswende notwendig.
Viele selbständige Taxiunternehmen kommen in den Mühlen von Verkehrswende, Digitalisierung, Personalproblemen und Inflation an die Grenzen ihrer organisatorischen Leistungs- und Anpassungsfähigkeit. Trotzdem setzt sich gerade jetzt auch in der Politik die Erkenntnis durch, dass sich ohne einen durchgehend verfügbaren Gelegenheitsverkehr keine Transformation zum Verkehr der Zukunft gestalten lässt. Individuell verfügbare 24/7-Verkehre werden so besonders außerhalb der Metropolen zum schützenswerten Gut. Aus dieser Logik heraus ist eine Kooperation des individuellen Verkehrs mit den linienbasierten Verkehren die Chance für die Branche.
Nachdem sich in den vergangenen Jahren verschiedene ÖPNV-Ergänzungen durch aufgesattelte Verkehre zu etablieren versuchten, setzt sich vielerorts inzwischen die Erkenntnis durch, dass diese Hochglanzprojekte in Konkurrenz zum bestehenden öffentlichen Linien- und Gelegenheitsverkehr nur Erfolge verzeichnen, solange enorme Geldsummen in diese Projekte gepumpt werden. Aufgesattelte Verkehre sind nach den Erfahrungen vieler Kommunen oft mehr als doppelt so teuer, wie es die Integration bestehender Angebote wäre, denn letztere sind schon da und erfreuen sich dann einer besseren Auslastung, während die ersteren vollfinanziert oder ehrenamtlich betrieben werden müssen. Ist das Geld dann verbraucht, findet auch die Begeisterung der Anbieter der aufgesattelten Verkehre ihr Ende. Übrig bleibt verbrannte Erde für die ÖPNV-Zukunft der Region, denn eigenwirtschaftlich organisierte Mitbewerber überleben diese Strohfeuer oft nicht oder geraten zumindest in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten. Dafür gibt es etliche Beispiele.
Fraglich ist im Übrigen oft auch die grundsätzliche Genehmigungsfähigkeit solcher aufgesattelter Hochglanzlösungen, denn die Länder sind gesetzlich verpflichtet, die Funktionsfähigkeit des Gelegenheitsverkehrs mit Taxen zu gewährleisten. Auf dieser Basis liegt es nahe, dass die Genehmigung aufsattelnder On-Demand-Verkehre sogar rechtswidrig sein kann, denn diese gefährden die Funktionsfähigkeit des bestehenden Taxiverkehrs massiv.
Für eine nachhaltigere Verkehrsplanung vor Ort bedarf es daher zunächst keiner bunten Hurrah-Initiativen im Kreistag, sondern einer sachlichen Analyse, was denn überhaupt benötigt wird. Eine erste wichtige Erkenntnis sollte dabei sein, dass es auf dem Lande, in den kleinen Städten und in den Regiopolen (Oberzentren außerhalb von Ballungsgebieten) in erster Linie der Wunsch nach sozialer Teilhabe für alle ist, die vor Ort erwünscht ist. Und der Wunsch nach sozialer Teilhabe stellt oft eher Kinder, Senioren oder Verkehrsoptionen in Schwachlastzeiten in den Vordergrund, denn wenn der letzte oder sogar einzige Bus weg(rationalisiert) ist, fällt auf, dass man ohne eigenes Auto nun auch nicht mehr zum Bahnhof oder nach Hause kommt. Gern, aber letztendlich trotzdem zweitrangig, soll diese Teilhabe, amtsdeutsch als Daseiensfürsorge betitelt, dann mit klimafreundlichen Verkehrsmitteln ermöglicht werden.
In den Metropolen stellen sich die Wünsche dagegen völlig anders dar, denn dort lässt sich die soziale Teilhabe vielfach durch einen schon jetzt gut aufgestellten ÖPNV-Linienverkehr ausreichend realisieren. Entsprechend machen junge Menschen hier oft auch gar keinen Führerschein mehr und geraten so in den Fokus der Beförderungswirtschaft. Hier können also Klimaziele tatsächlich parallel ganz in den Vordergrund rücken, denn sie gelten zudem als „sexy“. Damit sind also die Metropol-Lösungen völlig anders indiziert als die ÖPNV-Lösungen für den Rest der Republik und sollten entsprechend auch getrennt voneinander betrachtet werden.
Ähnlich differenzieren lassen sich dann auch die Bedürfnisse im städtischen Umfeld außerhalb der Metropolen zu denen im ländlichen Raum. Um zumindest stündlich zuverlässige Angebote von A nach B offerieren zu können, bedarf es dort eher eines zentral organisierten On-Demand-Verkehrs, wo gegebenenfalls bei Ermangelung von Linienlösungen individuelle Taxis zum ÖPNV-Preis ergänzend zum Einsatz kommen. Im städtischen Umfeld und in den Regiopolen sind dagegen eher bedarfsorientiert linienähnliche Lösungen mit Großraumfahrzeugen für bis acht Fahrgäste als Ergänzung zum bestehenden Liniennetz erfolgversprechend, denn mit On-Demand-Angeboten findet alternativ schnell eine unerwünschte Kannibalisierung von Linien- und Taxiverkehr statt, welche die Angebote letztendlich verwässert und nicht stärkt.
Das Taxi ist in beiden Nutzungsräumen wohl der einzig mögliche Partner, der solche Kooperationen leisten kann. In allen drei Nutzungsräumen – Metropole, Stadt, Land – besteht im Übrigen gleichermaßen das Bedürfnis nach NUR-Fahrzeugen (Nicht Umsetzbarer Rollstuhl), welche auch die Option zur sozialen Teilhabe mobilitätseingeschränkter Menschen fördert. NUR-Taxis sind überall wünschenswert und ihr Fehlen darf nicht zum Hemmschuh werden. Natürlich sollen ÖPNV-Projekte auch barrierefrei sein. Aufgrund der rasanten Anforderungsverschiebung auch zu klimaneutralen Fuhrparks muss den Anbietern hier aber ausreichend Zeit zu Anpassung gegeben werden. Fördern statt Fordern, dies gilt so für die Barrierefreiheit gleichermaßen wie für die Klimaneutralität für ÖPNV-Taxi-Projekte.
Eine weitere Erkenntnis schon aus den Zeiten der klassischen AST-Verkehre (Anruf-Sammeltaxi) ist die, dass Angebote keine Nachfrage schaffen, sondern sich das Angebot immer an der tatsächlichen Nachfrage orientieren muss. Die professionelle Ermittlung, wo ein wirklicher Beförderungsbedarf besteht, der mit dem bestehenden Angebot nicht befriedigt werden kann, erscheint somit zwingend notwendig (und ist eigentlich Standard in der Verkehrsplanung), bevor dann das lokal passende Modell entwickelt werden kann. Die blinde Übernahme anderswo funktionierender Lösungen, die sicherlich von vielen Verwaltungen favorisiert würde, ist nicht automatisch zielführend. Gleichzeitig tragen individuelle Regionallösungen aber auch dem Profilierungsbedürfnis der Politik eher Rechnung, die sich gern ihre Lokal-Lösung ans Revers heften möchte, und bestärken so lokale Lösungen.
Zu guter Letzt bedarf es der intensiven Kommunikationsförderung bei den notwendigen Genehmigungen. Genehmigungsbehörden führen oft ein Stiefmütterchendasein. Ihre Mitarbeitenden sind mit der aktuell sehr dynamischen Entwicklung der PBefG-Optionen schnell überfordert. ÖPNV ist, was Städte und Landkreise dazu erklären. Wenn die Länder die nachhaltige Entwicklung des ÖPNV auch außerhalb der Metropolen fördern wollen, dann ist eine landesweite Vernetzung der lokalen Behörden daher unbedingt zu fördern. Da die Linienverkehrsunternehmen, mit denen die Taxibranche zukünftig kooperieren sollte, in völlig anderen Strukturen denken als das eigenwirtschaftlich organisierte Taxi, müssen mittelfristig genau diese Behörden sich dann zukünftig von einer Regulierungsbehörde zum Schutzpatron ihrer Taxen wandeln und deren Bedürfnisse protegieren. Und dafür benötigen sie neue Kompetenzen.
Es sind also viele dicke Bretter zu bohren, wenn die Taxibranche die Verkehrswende überleben soll, aber es lohnt sich für alle Beteiligten. Die Taxiunternehmer vor Ort können dabei wohl wenig mehr tun, als sich lokal gut zu vernetzen – zum einen, um besser als kompetente Kooperationspartner für den ÖPNV wahrgenommen zu werden, und zum anderen, um dabei die regionalen Entscheidenden zu den richtigen Weichenstellungen zu inspirieren. Die Taxibranche muss also das ÖPNV-Taxi selber als die wichtigste Zunkunfts-Chance wahrnehmen. Es muss auch gewerbeintern absolut technologieoffen jede Möglichkeit nutzen, dessen Optionen zu bewerben und das Taxi als Team denken.
Dem Taxi selber kommt hier also die Aufgabe zu, die Welt von seiner flexiblen Leistungsfähigkeit zu überzeugen, denn ohne Taxi geht es nicht. Und wo dies gelingt, gibt es auch Hoffnung, aber das Taxi muss vor allem selbst an sich glauben und entsprechend handeln. rw