Auf Initiative des Taxigewerbes trafen sich letzten Montag Berliner Branchenvertreter mit der Europa-Politikerin Gaby Bischoff und dem Berliner Verkehrspolitiker Tino Schopf auf dem Podium.
Als „Lunch-Talk“, also Mittagsgespräch, fand das Treffen in Berlin-Charlottenburg statt. Unter dem Motto „Plattformwirtschaft in der Mobilität lokal – regional – europäisch und gerecht organisieren“ diskutierten Vertreter aus Wirtschaft und Politik, was unternommen werden muss, um den Raubtierkapitalismus zu bändigen und so zu gestalten, dass die Mobilität für die Menschen bezahlbar und für die Unternehmen zum Überleben reichen.
Auf dem Podium waren Hermann Waldner als Vorstand des Gewerbeverbandes Taxi Deutschland Berlin e. V. und Vizepräsident des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen e. V. (BVTM); Gabriele Bischoff (SPD), sozial engagierte Gewerkschafterin, Mitglied des Europäischen Parlaments und dort verantwortlich für die EU-Richtlinie zur Plattformarbeit; Tino Schopf (SPD), der seit vielen Jahren für sein politisches Engagement für das Taxigewerbe in Berlin bekannt ist; IHK-Vertreter Dr. Lutz Kaden, der „Innungs“-Vorsitzende Leszek Nadolski sowie Alexander Mönch von Free Now. Auch Hermann Waldners Verbandskollege Ahmad Vahdati von Taxi Deutschland Berlin e. V., BVTM-Geschäftsführer Michael Oppermann sowie BTV-Vorstand Richard Leipold waren dabei. Moderiert wurde die zweistündige Diskussion, die vor etlichen Zuhörern aus dem Taxigewerbe stattfand, von ver.di-Bundesverbandsmitglied Rolf Wiegand.
So bot sich die Gelegenheit, die drängenden Probleme des Taxigewerbes gegenüber der Politik deutlich anzusprechen. Hermann Waldner referierte zur spezifischen Problematik Berlins, wo aufgrund der zahlreichen auswärtigen Mietwagen sowie der geschätzten Zahl von 1000 bis 2000 illegalen Mietwagen, also solchen, die ohne Konzession betrieben werden, heute bereits wesentlich mehr Mietwagen als Taxen auf den Straßen unterwegs sind. „Wir haben in Berlin durch den Marktangriff von Uber & Co. mehr Taxis verloren, als andere Großstädte je Taxis hatten. Und wir erleben hier einen Wildwuchs, wie es ihn in diesem Ausmaß sonst nirgends gibt. Den Wildwuchs aber hat Berlin nicht exklusiv, den sehen wir auch in Städten wie München, Frankfurt, Düsseldorf oder Köln.“ Er mahnte die Stärkung der Kontrollen an.
Schopf nannte die Situation in Berlin „beschämend“. Es gebe einen gewaltigen kriminellen Sumpf. Das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO), eigentlich zuständig für das Trockenlegen dieses Sumpfes, nannte er einen „Teil des Problems“. Auch Mönch sprach von einem „illegalen Gewerbezweig“, der sich hier entwickelt habe. Bischoff erläuterte die Auswirkungen der EU-Plattformregulierung, die das Taxi-Geschäft weitgehend ausspare, aber Plattformen wie Uber und Bolt treffe.
Ein weiteres wichtiges Thema waren die Möglichkeiten, das Taxi auf EU-Ebene zu schützen und zu unterstützen. Hier ist Hermann Waldner in der Lobbygruppe „Taxis 4 Smart Mobility“ (t4sm) aktiv, einer europäischen Gewerbevereinigung mit Verbänden aus Deutschland, Frankreich, Österreich, den Niederlanden und Dänemark, in der Waldner, Oppermann und Gregor Beiner gemeinsam mit den Gremien des Bundesverbands die europäische Stimme für das Taxigewerbe organisieren.
Ein wichtiger Meilenstein ist dabei die neue europäische Plattformarbeits-Richtlinie, der für die EU-Mitgliedsstaaten die Aufgabe mit sich gebracht hat, die Mindeststandards zum Schutz der Arbeitnehmer vor Ausbeutung in ihren nationalen Gesetzgebungen zu verankern und auch in der Praxis durchzusetzen. In deutschen Städten, allen voran Berlin, aber auch in München, in nordrhein-westfälischen Großstädten und in Frankfurt am Main funktioniert das bisher viel zu wenig. Hier fehlt die Umsetzung der Möglichkeiten des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG), die seit der Novelle bestehen, wie Hermann Waldner anmahnte. Dazu zählen unter anderem Mindestbeförderungsentgelte für Mietwagen.
In Berlin konnte die Politik zwar nach langen Gesprächen von der Notwendigkeit eines Tarifkorridors für Taxen und eines Mindesttarifs für Mietwagen überzeugt werden, doch ein noch wichtigeres Instrument für das Überleben des Taxigewerbes bietet das PBefG bislang nicht: eine Karenzzeit für Mietwagenbestellungen. Hier besteht noch Nachholbedarf.
Derzeit werben Waldner und seine Mitstreiter sehr aktiv in der Bundespolitik dafür, dass die sehr viel wirksamere Maßnahme einer 15-minütigen Mindestbestellfrist für das Mietwagengewerbe in das Bundesrecht aufgenommen wird, „um den taxigleichen Verkehr von Mietwagen in den Großstädten wirksam auszubremsen“, wie Waldner es Taxi Times gegenüber formulierte.
In der Schlussrunde warnte die Europa-Politikerin Bischoff das Taxigewerbe davor, den enormen Lobby-Druck von Uber, Bolt und anderen zu unterschätzen. Ein solcher Druck sei in der Intensität ungewöhnlich und würde sicher nun bei der nationalen Umsetzung erneut zum Tragen kommen. Das konnte als Appell gewertet werden, ebenfalls intensiv und einheitlich für die Position des Taxigewerbes einzutreten. ar
Fotos: BVTM