Im Strafgesetzbuch legt § 316a seit 1938 fest, dass Raubüberfälle auf Fahrzeuglenker eine besonders schwere Straftat darstellen. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) will diesen Paragrafen nun entsorgen. TMV-Präsident Thomas Kroker hält dagegen.
Ein Paragraf im Strafgesetzbuch (StGB) beschreibt den Räuberischen Angriff auf Kraftfahrer und legt besondere Strafen dafür fest. Dort heißt es: „Wer zur Begehung eines Raubes, eines räuberischen Diebstahls oder einer räuberischen Erpressung einen Angriff auf Leib oder Leben oder die Entschlussfreiheit des Führers eines Kraftfahrzeugs oder eines Mitfahrers verübt und dabei die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren. Verursacht der Täter durch die Tat dagegen wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.“
Thomas Koker, Präsident des Taxi- und Mietwagenverbands Deutschland e. V. (TMV) sieht hier den Erhalt des besonderen strafrechtlichen Schutzes von Taxi- und Mietwagenfahrern gefährdet und wertet die geplante Abschaffung dieses Paragrafen als vollkommen falsches Zeichen. Paragraf 316a des Strafgesetzbuches verschärfe das Strafmaß bei Eigentumsdelikten, wenn für deren Begehung die besondere Angreifbarkeit von Kraftfahrern ausgenutzt wird, und stellt Fahrer von Taxis, Mietwagen und Bussen unter verstärkten strafrechtlichen Schutz. Geschützt wird dabei auch das Gemeingut des sicheren Straßenverkehrs, an dem alle Straßenverkehrsteilnehmer ein Interesse haben. „Dieser Paragraph darf nicht abgeschafft werden! Deswegen haben wir uns als TMV nun unmittelbar an den Bundesjustizminister gewandt“, berichtet der TMV in einer Presseinformation.
Einem Referentenentwurf zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Strafrechts, welcher sich derzeit in der Ressortabstimmung befinde, sei zu entnehmen, dass das Bundesministerium der Justiz (BMJ) die Abschaffung der Strafnorm gemäß Paragraf 316a StGB vorsehe. Begründet werde dies damit, dass dieser Paragraf ein Produkt nationalsozialistischer Strafrechtswissenschaft sei, denn die Vorschrift gehe schließlich auf das Gesetz gegen Straßenraub mittels Autofallen aus dem Jahr 1938 zurück, dessen Ziel es seinerzeit war, nach einer aufsehenerregenden Serie von Überfällen auf Autofahrer gegen einen der Täter durch rückwirkendes Inkrafttreten die Todesstrafe verhängen zu können. Das BMJ sehe hier keine Strafbarkeitslücke, da auch mit den Straftatbeständen des Raubs, des schweren Raubs, des Raubs mit Todesfolge, des räuberischen Diebstahls und der räuberischeren Erpressung ausreichend Möglichkeiten bestünden, um die hier erfassten Sachverhalte angemessen zu ahnden.
Kroker hält dagegen, dass die fragliche Strafnorm das Umfeld nationalsozialistischer Strafrechtswissenschaft inzwischen schon lange verlassen habe, auch da das ursprüngliche NS-Autofallengesetz durch den Alliierten Kontrollrat aufgehoben worden war, der Gesetzgeber der jungen Bundesrepublik allerdings weiterhin eine Notwendigkeit für diese Strafnorm gesehen habe und der Bundestag die Strafnorm im weiteren Verlauf der Jahrzehnte mehrfach anpasste. Er sieht die Strafnorm als großen Erfolg, die neben sonstigen Verkehrsteilnehmern insbesondere Taxi- und Mietwagenfahrer, aber auch Busfahrer seit Jahrzehnten zuverlässig schützt.
Schutzgut sei neben Leib, Leben und Eigentum der Opfer mit dem öffentlichen Personennahverkehr auch ein essentielles Element der Daseinsvorsorge, was auch der in der Literatur teilweise geäußerten Kritik an der hohen Strafzumessung den Wind aus den Segeln nehme. Es sei gerade diese hohe Strafzumessung, die durch Abschreckung dazu führe, dass der Straftatbestand selten verwirklicht werde und somit eine Schutzfunktion erfülle. Möglicherweise könne sie ja alternativ dahingehend angepasst werden, dass das dort benannte Strafmaß grundsätzlich gesenkt werde.
Der TMV sieht ohne eine relativ hohe Strafandrohung allerdings Hemmungen fallen, auch für geringe Beuteaussichten Taxi-, Mietwagen- und Busfahrer zu überfallen, was diese für die öffentliche Daseinsvorsorge so wichtigen Berufsbilder deutlich gefährlicher und unattraktiver mache, und das bei ohnehin bereits grassierendem Personalmangel. Man appelliere daher dringend an das BMJ und seinen Minister, vom diesbezüglichen Vorhaben Ihres Hauses Abstand zu nehmen oder es zumindest in der dargestellten Form modifizieren.
Für den räuberischen Angriff auf Kraftfahrer kann eine Freiheitsstrafe von fünf bis fünfzehn Jahren verhängt werden. Damit handelt es sich um ein Verbrechen. Im Übrigen handele es sich hier ferner um ein Delikt, dessen Nichtanzeige strafbar sein könne, wenn sich durch eine Anzeige die Tat noch abwenden ließe. Laut polizeilicher Kriminalstatistik wurden gemäß Wikipedia beispielsweise 2019 in Deutschland 172 Fälle des Paragrafen 316a StGB angezeigt. Zahlenmäßig wird der Vorgang somit im Vergleich zu anderen Tatbeständen sehr selten gemeldet.
Der Ursprung des Paragrafen 316a StGB ist hier im Detail nachzulesen. Es handelt sich aus heutiger Sicht um eine absolut spektakuläre Geschichte mit vielen Crime-Time-Elementen, deren offensichtliche Rechtsbeugung durch die Schaffung gesetzlicher Regelungen erst nach der Begehung einer Straftat allerdings nicht in das Umfeld eines demokratischen Staates passt. Auch wenn das Herz eines Droschkenkutschers also auch heute noch dafür schlagen mag, die damaligen Täter streng zur Rechenschaft zu ziehen, ist die damalige Vorgehensweise mit heutigen Rechtsvorstellungen nicht vereinbar.
Allerdings differenziert der TMV hier zurecht zwischen Ursprung und historischem Werdegang des Paragrafen und legt überzeugend dar, dass es hier inhaltlich eben nicht um das juristische Spektakel eines Unrechtsstaates gehen darf, sondern um den aktuellen Status der gesetzlichen Regelung, welche ja inzwischen in unserem Rechtsstaat tatsächlich voll legitimiert ist. Bei der Wertung der Diskussion um Sinn oder Unsinn darf also der historische Ursprung der Regelung tatsächlich keine Rolle mehr spielen. Es muss dabei vielmehr ausschließlich um das hier und jetzt gehen.
Beispielsweise auch Wikipedia wertet den Tatbestand des Paragrafen 316a StGB dennoch aus mehreren Gründen äußerst kritisch. Häufig beklagt werde unter Rechtswissenschaftlern zum einen die Strafandrohung, die mit einem Minimum von fünf Jahren Freiheitsstrafe auf einem besonders hohen Niveau läge, über das nur wenige Tatbestände verfügten. Insbesondere die Raubdelikte, deren Begehung ein räuberischer Angriff doch vorgelagert wäre, wiesen mit jeweils einem Jahr Freiheitsstrafe ein weit geringeres Mindeststrafmaß auf. Darüber hinaus würden Struktur und Tatbestandsmerkmale des Paragrafen für ihre Unbestimmtheit kritisiert. Daher werde der Paragraf insgesamt für entbehrlich gehalten, auch da das vom Täter verübte Unrecht bereits durch die Raubdelikte hinreichend erfasst sei.
Insofern mag sich hier jede und jeder selbst sein Urteil bilden, ob die Aufrechterhaltung des Paragrafen 316a nun sinnvoll ist oder ob er weg kann. Einzig das Argument der zusätzlichen Abschreckung darf hier wohl kaum gelten, denn die Existenz einer solch besonderen Regelung im StGB wird weder bisher potentiellen Straftätern noch ihren potentiellen Opfern bekannt gewesen sein – was sich wohl auch in Zukunft nicht ändern wird, egal, wohin der Weg dieses Gesetzes geht. rw
Beitragsbild: Taxi Times
Die strafen sollten so hoch wie nur möglich sein, wenn alles nur noch bagatellisiert wird, öffnet das Tür und Tor.