Nach dem EU-Parlament und der EU-Kommission hat sich nun auch der Rat der Europäischen Union auf EU-weite Kriterien zur Definition von Plattformarbeit geeinigt. Dort werden Taxizentralen nun nicht vom Geltungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen.
Während der schwedischen Präsidentschaft, die am 30. Juni endet, wurde in letzter Minute im Rat der EU ein Kompromiss zum allgemeinen Ansatz der Plattformarbeitsrichtlinie erzielt. Die schwedische Präsidentschaft hatte diese Richtlinie zu einer ihrer Prioritäten gemacht.
Zur Enttäuschung des Taxigewerbes und entgegen seiner Warnungen ist der explizite Ausschluss von Taxizentralen aus dem Geltungsbereich der Richtlinie – trotz harter Lobbyarbeit seitens der internationalen Lobbygruppe Taxis4SmartMobility, adaptiert vom EU Parlament – auf der Strecke geblieben. Da das Parlament bereits im Februar einen Beschluss gefasst hatte, ebnet die Einigung des Rates den Weg für Verhandlungen zwischen den EU-Institutionen.
Der Rat der Europäischen Union in Brüssel (Council of the European Union), auch EU-Ministerrat genannt (nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Rat / Council of Europe in Straßburg, das wird in der Berichterstattung oft falsch ins Deutsche übersetzt) ist das Organ, das allgemeine politische Zielvorstellungen und Prioritäten der EU festlegt. Er erörtert oder verabschiedet keine EU-Rechtsvorschriften. Die Mitglieder des Rates sind die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Mitgliedstaaten, der Ratspräsident (wechselt turnusmäßig zweimal jährlich, derzeit Tobias Billström aus Schweden, ab 1.7. Spanien) und der Präsident der EU-Kommission (derzeit Präsidentin Ursula von der Leyen).
Nach mehr als einem Jahr intensiver Verhandlungen hat der Rat gestern einen allgemeinen Ansatz zur Plattformarbeitsrichtlinie gebilligt, der die Definition einer „digitalen Arbeitsplattform” einschränkt, in einem „willkommenen Beitrag zur Klärung der einschlägigen Definition und Kriterien“, so die internationale Lobbyorganisation IRU in einem Pressebericht, also einem Versuch, die relevante Definition und die Kriterien klarzustellen. „Allerdings hat der Rat [der EU] es versäumt, Taxiunternehmen ausdrücklich vom Geltungsbereich der Richtlinie auszuschließen”, bemängelt die IRU.
Der Standpunkt des Rates der EU führt algorithmische Überwachungs- und Entscheidungssysteme als zusätzliche Ebenen zur Definition „digitaler Arbeitsplattformen” ein und verringert so das Risiko einer Ausweitung des Anwendungsbereichs auf die gesamte (physische) Wirtschaft.
Obwohl dies laut IRU ein Schritt in die richtige Richtung ist, besteht immer noch die Gefahr, dass Taxizentralen in den Anwendungsbereich der Gesetzgebung fallen. Ebenso wie das Europäische Parlament hätte der Rat der EU Taxizentralen ausdrücklich ausschließen und das Arbeitsrecht für selbständige Taxifahrer beibehalten müssen.
Raluca Marian, Direktorin der EU-Interessenvertretung der IRU und deren Generaldelegierte (Director EU Advocacy & General Delegate), sagte: „Die Richtlinie sollte auf Scheinselbstständigkeit und rein digitale Plattformen abzielen, ohne traditionelle Betreiber unbeabsichtigt zu belasten, und zwar in voller Übereinstimmung mit den EU-Gesetzen und Arbeitssystemen. […] Beförderungsunternehmen, darunter auch Taxizentralen, leisten seit langem Beiträge zu Staatshaushalten und Sozialversicherungssystemen.“
„Wir begrüßen die Entschlossenheit des Rates, mehr Klarheit in die Plattformarbeitsrichtlinie zu bringen und uns nur auf das Problem zu konzentrieren, nämlich die reine Plattformwirtschaft. Aber der endgültige Text sollte klarstellen, dass Taxizentralen nicht in den Geltungsbereich fallen“, fügte sie hinzu.
Gregor Beiner, der Vorsitzende der europäischen Gewerbevertretung Taxis 4 Smart Mobility, der bis zuletzt noch zuversichtlich gewesen war, erklärte: „Wir als T4SM begrüßen die Entscheidung über die Einigung der Mitgliedsländer zur Regulierung der Plattformarbeit in der EU, jedoch wurde es verpasst, das Taxi auch in diesem Entwurf explizit herauszunehmen. Es ist wichtig, Strukturen zu schaffen, jedoch klar die lokalen Rahmenbedingungen zu beachten. Dies hat der Rat der EU in seinem Entwurf berücksichtigt. Somit werden Taxizentralen im Entwurf des Europaparlaments explizit herausgenommen und im Entwurf des Rats nicht als Plattformen gewertet, durch die lokalen Regelungen wie zum Beispiel die Tarifpflicht. Nun geht es in den Trilog zwischen Kommission, Parlament und Rat, um das Gesetz zu finalisieren. Wir konnten durch unsere Arbeit als T4SM zusammen auch im Schulterschluss mit der IRU die Einzigartigkeit des Taxis in den Entscheidungsprozess einbringen und damit die Zukunftsfähigkeit sichern. Unsere Arbeit geht nun in die nächste intensive Phase.“
Wie es im Text des Europäischen Parlaments heißt, unterscheiden sich Taxizentralen von digitalen Vermittlungsplattformen für Mitfahrgelegenheiten („ride-hailing“) dadurch, dass sie lediglich ein „Add-on“ bzw. eine funktionale Ergänzung zu einem bereits bestehenden Dienst sind und nur echte selbständige lizenzierte Taxifahrer mit ihren Kunden verbinden.
Selbstständige Taxifahrer können aufgrund der ihnen durch ihre Taxilizenz gewährten Rechte frei wählen, wie sie ihr Geschäft betreiben, beispielsweise das Recht, Kunden auf der Straße abzuholen, spezielle öffentliche Taxistände zu nutzen wie andere gleichwertige Mittel des freien Zugangs zu den Kunden. Daher sollten Taxis nicht von der Richtlinie erfasst werden.
Eine wichtige Verbesserung durch die Einigung des Rates der EU im Vergleich zum Standpunkt des Parlaments besteht darin, dass sie explizite EU-weite Kriterien für die rechtliche Vermutung einer Beschäftigung und Neueinstufung als Arbeitnehmer festlegt.
Dem Ratstext zufolge müssen für die Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses mindestens drei der sieben genannten Kriterien, darunter die Festsetzung des Entgelts, die Überwachung der Arbeit und die Begrenzung der Arbeitszeit, erfüllt sein.
„Die IRU setzt sich seit langem für die Wiedereinführung EU-weiter Kriterien ein, da diese Rechtssicherheit bieten und einen fairen und standardisierten Ansatz ermöglichen, der von der verwirrenden Position des Europäischen Parlaments abweicht. Die Version des Parlaments enthält eine automatische Beschäftigungsvermutung, die den Unternehmern eine schwere Beweislast auferlegt“, betonte Raluca Marian.
Es ist auch ermutigend zu sehen, dass der Rat einen fairen Verteidigungsmechanismus bereitstellt. Die Mitgliedstaaten können beschließen, bis zum Ende des Berufungsverfahrens zu warten, um das Arbeitsverhältnis mit Sicherheit festzustellen. Indem die Fassung des Rates den Mitgliedstaaten die Entscheidung über die Anwendbarkeit der aufschiebenden Wirkung überlässt, trägt sie der Vielfalt der Rechtssysteme und Verwaltungsverfahren in den Mitgliedstaaten Rechnung. wf
Beitragsbild: Collage aus dem Logo des Rats der EU und einem Callcenter-Foto (Taxi Berlin)
So richtig! Warum sollte auch eine Taxizentrale besser behandelt werden als andere Plattformen. Die Mechanik ist identisch. Die Entscheidung ist zum Wohle aller unter der Gig- Economy leidenden Fahrer!
danke für Ihre Frage, die ganz einfach beantwortet werden kann. Ein Taxiunternehmer, der sich einer Zentrale anschließt, hat immer die Möglichkeit, sich an einem Taxistandplatz aufzustellen und dort auf einsteigende Fahrgäste zu warten. Er ist also niemals ausschließlich auf die Taxizentrale angewiesen. Das ist der Unterschied zu einem Mietwagenunternehmer, der eben kein Recht hat, auf der Straße Fahrgäste aufzunehmen und damit Aufträge nur von seiner Vermittlungsplattform bekommen kann. Wir hoffen, wir konnten mit dieser Antwort Ihre Einschätzung korrigieren.
Aber eben nur Halteplatz geht heutzutage nicht mehr Herr Hartmann. Und da beginnt die Abhängigkeit. Entweder von der Zentrale, oder aber dem Plattformanbieter.