Der Richterspruch, nach dem das Vergabeverfahren für die Ladeberechtigungen am BER nichtig ist, hat für Schnellschüsse bei Medien und Opposition und für Kritik aus dem Taxigewerbe gesorgt.
Offenbar hatten nicht nur etliche Medien das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts vom 28.12. dahingehend interpretiert, dass die Vereinbarung zwischen Berlin und dem Landkreis Dahme-Spreewald (LDS) über die 300:300-Regelung beim Laden am Flughafen BER als ungültig erklärt worden wäre. Auch Politiker wie Henner Schmidt (FDP) sowie Christian Gräff und Oliver Friederici (beide CDU) gingen wohl davon aus, Verkehrssenatorin Günther müsse nun die Verhandlungen mit dem LDS und dem Land Brandenburg von vorne beginnen. Der Senat hat inzwischen klargestellt, dass an der bundesländerübergreifenden Vereinbarung nichts vom Gericht beanstandet worden ist. Gegenstand des Urteils war die Allgemeinverfügung der Verkehrsverwaltung gegenüber dem Berliner Taxigewerbe.
Leszek Nadolski, Erster Vorsitzender der „Innung“, die „das Verfahren zuvor bereits angezweifelt“ hatte, reagierte erleichtert auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts und sah seine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens bestätigt: „Das Auswahlverfahren muss nun neu aufgerollt werden“. Ohnehin habe ein großer Teil der Berliner Taxifahrer die Zulassung per Los als ungerecht empfunden. Taxiunternehmen mit einem oder wenigen Fahrzeugen hätten kaum Chancen gehabt, sich gegen größere Mehrwagenbetriebe durchzusetzen.
Taxiunternehmerin Iris Schulz, die der Verkehrssenatorin in einem offenen Brief Ende September bereits die Meinung gesagt hatte, beklagt in einem erneuten Schreiben zunächst die mangelnde Bereitschaft des Senats, die Gewerbevertretungen in Entscheidungen einzubeziehen, und sie mehr als Gegner denn als Partner zu sehen. Sie habe das Procedere zur Allgemeinverfügung „durchpeitschen“ wollen, und es sei fast beschämend, wie deutlich das Gericht die „massive Rechtsbeugung“ rüge.
Auch Vorschläge zur Änderung der Situation am Flughafen kommen aus dem Taxigewerbe. Boto Töpfer, Nachfolger des verstorbenen Detlev Freutel als Erster Vorsitzender des Taxiverbandes Berlin, Brandenburg e. V., hatte bereits kurz nach Bekanntwerden des fragwürdigen Vergabeverfahrens gesagt, aus seiner Sicht wäre es für das Berliner Gewerbe weniger schlimm, wenn gar kein Berliner Taxi am Flughafen und keines aus dem LDS in Berlin laden dürfte.
Andere Vertreter stellen sich Verbesserungen anderer Art vor. Leszek Nadolski fände es besser, wenn die Anzahl von 300 Ladeberechtigungen nicht an bestimmte Taxis geknüpft wäre und alle anderen den Flughafen nach dem Entladen leer verlassen müssten, sondern wenn an der Schranke des Nachrückspeichers stattdessen die Taxis gezählt würden, und bei 300 aus Berlin wäre für den nächsten Berliner „finito“. So hätten alle die gleichen Chancen, und es gäbe viel weniger Leerfahrten.
Iris Schulz meint in ihrem Schreiben, anstelle der von der Verkehrsverwaltung angekündigten Prüfung „jeder einzelnen Ladeberechtigung“ sei „das gesamte Zulassungsverfahren neu zu regeln“. Als tragfähige Lösung schlägt sie eine Vereinigung der Pflichtfahrgebiete Berlin und LDS mit gleichem Laderecht, gleicher Ortskundeprüfung, einheitlichem Tarif und Fiskaltaxameterpflicht für alle vor. So wäre den Interessen aller Unternehmen, dem Klimaschutz, dem fairen Wettbewerb und dem Verbraucherschutz gedient. Günthers Argumentation, man sei auf das Entgegenkommen des Landratsamtes angewiesen, lässt sie nicht gelten. Als Mitgesellschafter und wesentlicher Geldgeber müsse Berlin seinen Einfluss stärker geltend machen. Schließlich lasse man sich auch „permanent“ für „finanzielle Nachträge“ zur Vermeidung der Flughafen-Insolvenz zur Kasse bitten.
Schulz regt überdies einen einjährigen Beobachtungszeitraum für Taxis und Mietwagen in Berlin an, „um die Funktionsfähigkeit des Gewerbes zu prüfen, gegebenenfalls einen Konzessionsstopp festzulegen.“ Fiskalisierte Wegstreckenzähler für Mietwagen seien unerlässlich, um die Abwanderung aus dem Taxigewerbe unattraktiv zu machen. Sie erneuert im Namen der Berliner Verbände das Angebot, „weiterhin zur fachlichen Beratung zur Verfügung“ zu stehen. ar