Das zweite Webinar der Veranstaltungsreihe Taxi Driving Innovation 2020 des Bundesverband Taxi und Mietwagen e.V. (BVTM) legte den Fokus auf den aktuellen Stand der Ladeinfrastruktur in Deutschland.
Zwei Wochen nach der Auftaktveranstaltung zur insgesamt dreiteiligen Webinar-Reihe war diesmal unter anderem Amelie Thürmer vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) zu Gast. Der BDEW ist ein Zusammenschluss von energiewirtschaftlichen Verbänden, wie beispielsweise dem Verband der Netzbetreiber oder dem Verband der Elektrizitätswirtschaft und vertritt somit die Betreiber von ca. 80 Prozent aller öffentlichen Ladepunkte.
Frau Thürmer konnte berichten, wie in Deutschland derzeit die Ladeinfrastruktur aufgestellt ist. Aktuell wären die 27.700 öffentlich zugänglichen Ladepunkte in der Lage, rund 440.000 E-PKW mit Strom zu versorgen. Kein allzu schlechtes Ergebnis, zieht man in Betracht, dass derzeit nur rund 240.000 E-Fahrzeuge (Batterie und Plug-in-Hybrid) in Deutschland auf der Straße sind. Der Zusammenschluss peilt an, dass jeder Ladepunkt rund zehn Fahrzeuge versorgen soll. Trotz des durchaus guten Ergebnisses darf nicht vergessen werden, dass die Ladesäulen leider nicht immer dort sind, wo der Strom benötigt wird. So nutzt es in Berlin niemanden, wenn in München eine Ladesäule frei ist. Untersucht man das Verhältnis von rein batterieelektrischen Autos zu den Ladepunkten in einzelnen Kommunen, dann rücken, neben den Metropolen, auch Orte wie das vergleichsweise kleine Regensburg in den Mittelpunkt. Dort kommen auf jeden Ladepunkt lediglich 1,8 batterieelektrische Fahrzeuge.
Ein Wert, der zwar auf dem Papier gut ausschaut, aber leider die gesamten Plug-in Hybride außer Betracht lässt. Frau Thürmer kommt zu dem Schluss, dass derzeit nur ein kleiner Teil der E-Fahrzeuge auf die öffentliche Ladeinfrastruktur angewiesen ist, um Strom tanken, weil rund 85 Prozent der Ladevorgänge durch private Lademöglichkeiten abgedeckt werden.
Für Unternehmer, die sich eine eigene Ladeinfrastruktur aufbauen wollen, hat Thürmer den Tipp, noch ein wenig zu warten, denn im Herbst könnte eine Förderung des Bundes mit viel Geld den Aufbau unterstützen. Weiterhin sollen bis 2022 rund 50.000 öffentlich zugängliche Ladepunkte verfügbar sein, was mit einer Verdopplung der aktuellen Daten gleichzusetzen ist. Zudem soll in diesem Jahr eine Ausschreibung für den Bau von 1000 DC-Schnellladern (150 kW) – vornehmlich an Fern- und Ausfallstraßen – starten. Auch die Verfügbarkeit von Wallboxen in Wohn- bzw. Mietshäusern und sogenannten Nichtwohngebäuden soll per Gesetz erleichtert werden.
Mit dem zweiten Referenten des Tages kam Robert Buch, Senior E-Mobility Expert der Comfort Charge GmbH zu Wort. Nach einer kurzen Leistungsbeschreibung des Unternehmens, welches bundesweit Ladestationen betreibt und ein Teil der Telekom Gruppe ist, begann der Vortrag mit den Vorteilen des E-Autos, welche im Vergleich zum Verbrenner rund fünf mal energieeffizienter sein sollen.
Mit Blick auf das Taxigewerbe stellte Buch drei verschiedene Lade-Strategien vor. Soll das Fahrzeug jederzeit einsatzfähig sein, so empfiehlt er, jede Gelegenheit dazu zu nutzen, um das Fahrzeug nachzuladen. Voraussetzung ist allerdings, dass man sich auf die öffentliche Ladeinfrastruktur verlassen kann. Beispielsweise könnte die Option, den entsprechenden Ladepunkt vorab zu reservieren, dabei helfen. In Hamburg, so der E-Mobilitäts Experte, werden gerade Sensoren getestet, die prüfen, ob der Ladeplatz durch Fremdparker besetzt ist.
Bei der anschließenden Runde, in der spezifische Fragen der Teilnehmer beantwortet wurden, kam die Sprache auch auf das Durcheinander mit den vielen Ladekarten. Hier konnte Frau Thürmer erklären, dass mittlerweile ein Trend zu erkennen ist, dass ein bis zwei Karten oder Apps ausreichen werden. Allerdings, so gab Frau Thürmer zu bedenken, ist das zu Hause Laden immer noch der günstigste Weg, denn an den öffentlichen Ladestationen startet der Preis pro Kilowatt bei ca. 35 Cent und geht beim schnellen DC Laden hoch auf 90 Cent.
Robert Buch wollte diese Zahlen nicht bestätigen. Mit seinem eigenen Elektro-Fahrzeug würde er kaum mehr als 30 Cent pro Kilowattstunde beim Schnellladen bezahlen. Bei solch unterschiedlichen Aussagen fällt eine vernünftige Verbrauchskalkulation natürlich schwer. In Zukunft, so ergänzte Buch, soll aber damit zu rechnen sein, dass der Strompreis fürs Schnellladen deutlich sinken wird. sg
Anmerkung der Redaktion: Das zweite Webinar der Veranstaltungsreihe Taxi Driving Innovation hat gezeigt, dass im Bereich der Ladeinfrastruktur viel geschieht, allerdings zum aktuellen Zeitpunkt noch keine einhundertprozentige Verlässlichkeit und Flächendeckung gewährleistet ist. Auch wären belastbare Zahlen darüber, wie die Batterien von E-Fahrzeugen mit den taxi-typischen hohen Laufleistungen klarkommen, sehr hilfreich gewesen.
Dazu kommt, dass ein aus Redaktionssicht falscher Eindruck aus dem Webinar der letzten Woche noch einmal bekräftigt wurde. Letzten Montag war der Eindruck entstanden, dass die Anschaffung von E-Fahrzeugen minimal mit 50.000 Euro zu Buche schlägt. Das hatte einen Teilnehmer zu der Bemerkung veranlasst, dass solche“Kaufempfehlungen“ in Corona-Zeiten doch sehr zynisch seien. Dennis Klusmeier als Vertreter des Bundesverbands ging auf diesen Hinweis heute nachträglich ein und erläuterte, dass sich die Mehrkosten durch Ersparnisse in anderen Bereichen amortisieren würden.
Er hätte auch endlich einmal erwähnen können, dass es längst taxitaugliche E-Fahrzeuge gibt, die ein Drittel geringere Anschaffungskosten haben als die beiden letzte Woche vorgestellten Modelle. So wie es ja bei Verbrennern auch Taxivarianten gibt, die ein gutes Drittel unterhalb der Anschaffungskosten eines Sterns liegen.
Screenshots: Webinar