Taxi-Times-Auslandskorrespondent Wim Faber hat jüngst an mehreren internationalen Taxi-Veranstaltungen teilgenommen. Wie in einem Reisebericht gibt er in mehreren Teilen die Ideen und Entwicklungen im weltweiten Taxigewerbe wieder. Beim TTA-Jahrestreffen in South Carolina ging es auch um die Möglichkeiten für mittelständische Unternehmen, an Großaufträgen teilzuhaben.
Tagebuch-Eintrag 4, Myrtle Beach, USA, 19. bis 23. September: Die Neuausrichtung der Branche, über die Unternehmer sich bei der Tagung der Transportation Alliance (TTA), des größten Verbandes des Taxigewerbes der USA, austauschten, wurde auch bei der parallel abgehaltenen Messe deutlich, die mit rund 40 Ständen erstmals wieder das Format der Jahrestagungen vor der Corona-Zeit aufwies. Anders als sonst: Die meisten Stände waren kleiner und konzentrierten sich auf Buchungs-, Verwaltungs- und Zahlungssysteme für Taxidienste und Beförderungsdienste im NEMT/Medicaid-Bereich. Auffällig: Bis auf ein paar (Rollstuhl-)Transporter waren die bisher mit großen Ständen prominenten Fahrzeuglieferanten wie Ford und GM nicht vertreten. Ein Trend, der sich zuletzt auch auf der Europäischen Taximesse beobachten ließ.
Von amerikanischen Taxiunternehmen wird viel Eigenmotivation erwartet, wenn es darum geht, neue Arbeitskräfte zu gewinnen oder neue Arbeitsfelder zu öffnen. Interessengruppen sind in einem so großen Land nicht auf staatlicher oder lokaler Ebene aktiv. Chancen in Form von Ausschreibungen ergeben sich auf Bundes-, Landes- oder kommunaler Ebene. Aber niemand (auch keine Branchen-Organisationen) bietet Unternehmern diese Möglichkeiten in mundgerechten Stücken an.
Steve Yaffe ist seit langem als Berater im Mobilitätsbereich tätig. In einem anspruchsvollen Vortrag für die TTA, der er mittlerweile als Berater in Sachen ÖPNV und Mobilitätsfragen angehört, gab er einen Überblick über die Chancen, die sich durch Ausschreibungen oder neue Mobilitätsprogramme auf der Ebene von Unternehmen mit der Größe mittelständischer Taxiunternehmen ergeben. „Was ich hier präsentiere, sind Chancen – insbesondere im Bundesverkehrsprogramm – die zu groß sind, um sie zu ignorieren“, sagte Yaffe. „Es gibt nach und nach mehr Möglichkeiten für private Unternehmen im öffentlichen Verkehr. Die Frage ist jedoch: Sind TTA-Unternehmen für diese Herausforderung bereit?” Dies hat mit technischen Spezifikationen z. B. für Steuerungsprogramme, aber auch mit barrierefreien Fahrzeugen zu tun. „Sind Ihre Fahrzeuge wirklich für jedermann zugänglich? Denn auch bei Medicaid gibt es verschiedene Beförderungssysteme. Denken Sie zum Beispiel an verschiedene Formen von Microtransit, Kleintransportsystemen, die bei der Abgrenzung des Transportgebiets oft mit Geofencing arbeiten. Wenn Sie mehr Fahrgäste anlocken möchten, suchen Sie nach Mobility Hubs (Verkehrsknotenpunkten, Anm. d. Autors) und nach Orten, die viele, oft ältere Fahrgäste anziehen. Denken Sie an Apotheken, aber auch an Schulen, zu denen Eltern gehen müssen. Nicht alle haben ein Auto. Sie können alles in Ihre App integrieren. Und achten Sie besonders auf neue Pläne für den öffentlichen Nahverkehr in Ihrer Region.“
In seinem klaren und detaillierten Überblick ging Yaffe von der Bundesebene auf die Landesebene und dann auf die lokale Ebene über. „Behalten Sie die Mobilitätsaktivitäten Ihrer Kommunalverwaltung im Auge. Lassen Sie die Menschen dort wissen, dass Sie da sind und was Sie tun. Ihre Public Relations und Ihr Lobbying ihnen gegenüber ist sehr wichtig. Verschaffen Sie sich vor allem mit einer Taktung von Plänen und Ausschreibungen im ÖPNV und im Non-Emergency Medical Transport einen klaren Überblick, um rechtzeitig dabei zu sein.“
Der Mobilitätsspezialist Matt Daus von der International Association of Transportation Regulators (IATR), einer Arbeitsgemeinschaft von gesetzgebenden und kontrollierenden Verkehrsbehörden, bezeichnete die jüngste Zusammenarbeit zwischen LA Taxi und Uber (siehe den Bericht über die Konferenz in Marrakesch) als „inspirierend“. „Ubers Haltung gegenüber dem Taxisektor ist freundlicher geworden. Dies wird sich auf die Lizenzierung und Handhabung im Taxibereich auswirken. Früher war Uber der Todfeind, jetzt gibt es bereits eine gewisse Annäherung zwischen diesen beiden ‚Erzfeinden’. Aber die Gesetzgebung zu beiden ist immer noch unterschiedlich.“
Laut Daus sei die geltende Taxigesetzgebung – nicht nur in den USA – nicht mehr durchsetzbar. Durch den Einsatz von Apps ist die Grenze zwischen bestellter Beförderung und Halteplatz-Taxis verwischt. „Ridehailing (wie Uber und Lyft, Anm. d. Autors) ist zunehmend die Norm, mit digitalen ‚Soft’-GPS-Messgeräten und manchmal festen Tarifen. Die Auswahl an (Taxi‑)Fahrzeugen ist freier geworden, allerdings sind die Null-Emissions-Anforderungen strenger, was wiederum Konsequenzen für die jährlichen oder halbjährlichen Fahrzeuguntersuchungen hat. Es ist bedauerlich, dass es an den meisten Orten in den USA keinen Masterplan für Elektrofahrzeuge und ein effizientes Ladesystem für den Sektor gibt.“Auch im Land der traditionellen Yellow Cabs ist das strenge Taxi-Design lockerer geworden, so dass man sich schon fragt, wann das letzte Yellow Cab in New York City fahren wird. Wer weiß, vielleicht gibt es bald nur noch Taxis und „Uber & Co.“-Fahrzeuge in verschiedenen Farben, erkennbar nur an einem LED-„Taxi“-Schild hinter der Windschutzscheibe und Aufklebern an den Seitenscheiben und der Windschutzscheibe. Noch tragen in New York City gerade die gelben Taxis zur touristischen Attraktivität der Stadt bei. Eine Fahrt in einem Yellow Cab gehört einfach dazu. wf
Bisher erscheinen in dieser „Reisetagebuch-Reihe“:
Teil 1: Marrakesch mit Erfahrungsberichten von Ägypten, Dänemark, Deutschland, Österreich und aus der EU-Arbeit.
Teil 2: Marrakesch mit einem Ausblick auf Ubers neue Strategie
Teil 3 USA: Wie sich das amerikanische Taxigewerbe aus seiner Kleinteiligkeit löst
Teil 5 London: Beim ERTA-Treffen kommen die Chefs großer Europäischer Taxizentralen zusammen. Unter anderem berichtete die Pariser Zentrale G7, warum man die Quote der Taxifahrerinnen steigert.
Beitragsfoto: Myrtle Beach, South California; Foto: Wikipedia (U.S. Air Force photo/Tech. Sgt. Louis L. Rivers)
Alle anderen Fotos: Wim Faber