„Alle Tiere lieben sich – bloß das Opossum Diederich fanden alle widerlich“, genau dieser Weg einer willkürlichen Ausgrenzung steht einer marktbeherrschenden Taxizentrale nicht zu, entschied jetzt – wieder einmal – ein Gericht in Franken. Eine Taxizentrale ist danach verpflichtet, alle örtlichen Taxler aufzunehmen, sie darf hier nicht individuell unterscheiden und einzelne Interessenten ausgrenzen. Im aktuellen Fall hat der klagende Taxiunternehmer nun sogar Anspruch auf Schadenersatz.
Der Spruch „Alle Tiere lieben sich, bloß das Opossum Diederich fanden alle widerlich“ stammt aus dem Gedicht „Der Tierfreund“ von Wilhelm Busch. Busch beschreibt dort die Vorliebe eines Mannes für Tiere aller Art, die er heimlich in seiner Tasche mit sich führt. Das Opossum Diederich wird dabei von allen anderen Tieren als unangenehm empfunden und ausgegrenzt. Und eben eine solche Ausgrenzung steht einer marktbeherrschenden Taxizentrale nicht zu, sie muss auf Antrag alle örtlichen Taxiunternehmer gleichermaßen vermitteln.
Mit Urteil vom 23.10.2024 hat das Landgericht Nürnberg-Fürth (Az.: 4 HK O 1566/24) den Anspruch eines örtlichen Taxiunternehmers auf Aufnahme in die Taxi-Zentrale an seinem Betriebssitz bestätigt. Das OLG Nürnberg erteilte anschließend den Hinweis, dass es beabsichtigt, die von der beklagten Taxi-Zentrale eingelegte Berufung zurückzuweisen (Az.: 3 U 2225/24 Kart).
Worum ging es? In sehr vielen Städten und Landkreisen existiert jeweils nur eine Taxi-Zentrale. Damit nehmen solche Taxi-Zentralen eine marktbeherrschende Stellung ein und unterliegen damit der Pflicht, auch neu hinzugekommene Taxiunternehmer an der Fahrtenvermittlung teilhaben zu lassen. Dies klingt zunächst keineswegs selbstverständlich, denn Taxi-Zentralen sind in aller Regel privatwirtschaftlich organisiert (z.B. als Genossenschaft, GmbH, UG oder als eingetragener Verein). Aufgrund der bestehenden Vertragsfreiheit kann sich eine Taxi-Zentrale dabei grundsätzlich aussuchen, wen sie als Mitglied aufnehmen bzw. an ihren Dienstleistungen der Fahrtenvermittlung teilhaben lassen möchte.
Grenzen setzt jedoch auch nach Ansicht des fränkischen Gerichts das Kartellrecht. Das Gericht stellte fest, dass die beklagte Taxi-Zentrale zumindest im hier vorliegenden Fall eindeutig eine marktbeherrschende Stellung innehabe, denn sie sei die einzige Taxi-Zentrale am Ort und ihre Mitglieder verfügten über mehr als die Hälfte aller lokal vergebenen Taxikonzessionen. Diese marktbeherrschende Stellung missbrauche diese Taxi-Zentrale somit, indem sie dem Kläger ohne sachlichen Grund die Aufnahme und damit die Teilnahme an der Fahrtenvermittlung verweigere. Da der klagende Taxiunternehmer alle satzungsgemäßen Voraussetzungen für die Aufnahme erfülle, müsse die Taxi-Zentrale ihn auch aufnehmen.
Besonders ist in diesem Fall die parallele Entscheidung des Gerichts, dem Kläger sogar einen Schadensersatz zuzusprechen für den Zeitraum, in dem er nicht an der Fahrtenvermittlung teilnehmen durfte. Es entschied, dass dem Kläger ein Schaden im dem hier fraglichen Zeitraum – von ca. eineinhalb Jahren – in Höhe von 1.375,99 Euro zuzüglich Zinsen entstanden sei.
Relevante Basis der grundsätzlichen Entscheidung des Gerichts, dem Kläger Recht zu geben, ist ein Verstoß der Beklagten gegen die Regelungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Die Beklagte sei als marktbeherrschendes Unternehmen gemäß GWB anzusehen, wenn es einen Marktanteil von mindestens 40 Prozent habe. Der dem zugrunde zu legende Marktbezug beschränkt sich dabei auf die Vermittlung von telefonisch angefragten Taxifahrten, nicht auf den der Beförderungsleistungen insgesamt. Räumlich sei dieser Markt gleich der sachlichen Marktabgrenzung sehr eng auf den Bereich bezogen, welcher auch tariflich vergleichbar sei. Sind benachbarte Tarifbezirke berechtigt, Anfahrtszuschläge für Aufträge innerhalb des hier fraglichen Raumes zu erheben, gelten sie als eigenständige Märkte.
Aus Sicht der Beklagten rächen sich hier wieder einmal zu kleinkarierte regionale Tarifausgestaltungen. Letztlich ist es allein der Arbeitszeitanteil von üblicherweise 50-70 Prozent, der die unternehmerischen Kosten des Angebotes von Taxifahrten maßgeblich beeinflusst. Daher sind entfernungsbasierte Anfahrtsregelungen inner- oder auch außerhalb des Tarifbezirks sowohl für die örtlichen Unternehmen als auch für das Gewerbe insgesamt kontraproduktiv, wo die variablen und somit entfernungsabhängigen Fahrzeugkosten meist nur weniger als 10 Prozent ausmachen. Warum also gibt es kleinkarierte Anfahrtsreglungen in die Nachbartarifgemeinden, obwohl doch nicht die Entfernung, sondern fast ausschließlich die Zeit der maßgebliche Kostgenfaktor ist?
Hätten aber aktive Taxler vor Ort gemeinsam eine bezirksübergreifende, kundenfreundlichere Tarifregelung etabliert, hätte das Gericht eine eigentlich doch sehr kleine Zentrale nicht als marktbeherrschend definiert. Diese kleinteilige Differenzierung basiert gemäß dem Urteil nur auf den Anfahrtsregelungen, die den Kunden unterschiedliche Kosten für gleiche Leistungen bescheren, ansonsten wären auch die regionalen Nachbarkommunen zum zu definierenden Markt hinzugerechnet worden. Die betroffene Zentrale wäre so nie und nimmer als marktbeherrschend eingestuft worden, einfach weil ein größerer Markt zugrunde gelegt worden wäre.
Will eine Zentrale konservativer denken, verweist das Gericht auf eine weitere Option zur Teilnahmebegrenzung. Es legt dar, dass technische Integrationsprobleme ins Vermittlungssystem der Zentrale durchaus als Argument dienen können, weitere Interessenten von einer Teilnahme an der Fahrtvermittlung auszuschließen. Ob solche Selbstbeschränkungen mittelfristig allerdings wirklich zielführend sind, muss wohl dahingestellt bleiben.
Aus der Perspektive eines außenstehenden Betrachters ohne besondere Sympathien für die eine oder andere Seite, dafür aber für die betroffene Branche im Allgemeinen, verbleibt nach der Lektüre dieses Urteil allerdings der fade Beigeschmack, dass man sich hier an den eigentlichen Problemen des Gewerbes vorbei streitet. Auch die offensichtlich von Kläger- und Beklagtenseite vorgetragenen Argumente, auf welche sich das Gericht dann bezieht, wirken wie von vorgestern. So wird das Angebot Taxi dort beispielsweise lediglich in Einsteiger und Telefonvermittlung differenziert. Weder App-Vermittlung noch Mobiltelefone haben danach marktbeeinflussenden Charakter vor Ort. Es bleiben, obwohl offensichtlich eine ländliche Vermittlung diskutiert wird, jedwede persönlichen Kundeninteressen außen vor. Gleichzeitig ist aber kaum vorstellbar, dass die Kunden vor Ort nicht, wie sonst außerhalb der Metropolen republikweit üblich, sehr wohl genau darauf achten, mit welchem Fahrer oder Unternehmen sie fahren wollen. Und so tut sich der zweite Bezug zu Wilhelm Busch in dieser Sache auf, denn Busch ist ein Künstler aus einem vergangenen Jahrhundert. rw
Beitragsfoto: Symbolbild, Opossum, pixabay;