Die Veröffentlichung des Anwendererlasses zur Kassensicherungsverordnung war ein Paukenschlag vor der Sommerpause. Mit unterschiedlichen Mitteln versucht man nun, das Schlimmste noch zu verhindern.
Diese Meldung ist am 24.7.2023 aktualisiert worden. Siehe unten.
Bis heute ist noch nicht einmal die technische Definition der Schnittstelle zur Finanzverwaltung (DSFinV-TW) abgeschlossen. Trotzdem bleiben die Finanzbehörden unbeirrt dabei, dass zum 1. Januar 2024 sämtliche Taxameter in Deutschland den durch den neuen Anwendererlass zur Abgabenordnung zur Kassensicherungsverordnung (AEAO) festgelegten neuen Ansprüchen genügen und mit einer technischen Sicherungseinrichtung (TSE) ausgestattet sein müssen. Gleichzeitig wird die Gültigkeit dieser Anforderungen für Wegstreckenzähler auf unbestimmte Zeit verschoben. Die Inhalte einer Anhörung der Verbände vom März dieses Jahres wurden dabei vollständig ignoriert.
Für das Auskurieren des Schocks über diese Ignoranz bleibt dabei weder bei den Verbänden noch bei den Herstellern Zeit zu Beginn der Sommerpause. Und für die Taxi-Unternehmen ist nun die Einschätzung sehr wichtig, ob es für sie überhaupt schon Handlungsoptionen gibt, oder ob sie lediglich darauf hoffen müssen, das ihre gewählten Gewerbevertreter in den Verbänden doch noch eine Möglichkeit finden, die Kuh vom Eis zu holen. Eine Anfrage von Taxi Times an die Hersteller ergab, dass diese sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht in der Lage sehen, eine realistische Perspektive zu veröffentlichen, wann sie den Taxlern die notwendige Technik liefern können, da sie noch auf die finalen Details der Finanzbehörden warten.
Klar scheint derzeit lediglich, dass die notwendige TSE vielfach als zusätzliche Hardware mit den Taxametern verknüpft werden wird. Dabei wird es aber über externe Tools wie beispielsweise die Sei-Box 03 für aktuelle Hale-Taxameter meist möglich sein, eine zusätzliche Eichnotwendigkeit zu umgehen.
Der Bundesverband Taxi und Mietwagen (BVTM) veröffentlichte schon Vorab die aktuellen Fakten sowie seine Wertung zum Thema (Taxi Times berichtete). Nach einer Sitzung des Ausschusses Technik & Digitalisierung folgte jetzt unter der Prämisse „Wir möchten Sie gern bestmöglich informieren“ ein weiteres Statement – und die Strategie, mit der der BVTM auf das Dilemma reagieren will, wie dessen Geschäftsführer Michael Oppermann mitteilte.
„Der Bundesverband BVTM wird sich erneut an das BMF wenden und die bereits [in der bisher ignorierten Stellungnahme aus dem Frühjahr dieses Jahres, Anm. d. Verf.] vorgetragenen Punkte unterstreichen. Wir drängen nun auf eine Übergangsregelung, die für die Unternehmer Rechtssicherheit schafft. Daneben werden wir die Gleichzeitigkeit der Einführung für Taxameter und Wegstreckenzähler erneut einfordern und mit Fakten untermalen, wieso dies geboten ist.“ Oppermann ließ Taxi Times dazu wissen, dass er den direkten Kontakt zur Ministerialrätin im Bundesfinanzminsterium (BMF), Nadine Danewitz, aufnehmen wird. Sollte sich innerhalb des Sommers auf dieser Verwaltungsebene allerdings nicht erreichen lassen, schließt der BVTM auch politische Aktivitäten nicht aus.
Darüber hinaus ist es dem BVTM sehr wichtig, die Unternehmer klar zu informieren: „Der Bundesverband wird darauf hinwirken, eine Übergangsregelungen zu erwirken. Erfahrungsgemäß braucht die Einsicht in Fakten bei Behörden aber Zeit, die mit Unsicherheit für die Unternehmer verbunden ist. In der Zwischenzeit können die aktuellen Taxameter-Modelle eingebaut werden. Hale und Semitron bestätigen, dass die aktuellen Modelle nachrüstfähig auf TSE sind.“
Der Taxi- und Mietwagenverband Deutschland (TMV) reagierte dagegen direkt mit einem offenen Brief an Bundesfinanzminister Lindner. Darin heißt es gleich zu Beginn: „Sehr geehrter Herr Bundesminister der Finanzen, lieber Christian, im Taxi- und Mietwagengewerbe Deutschlands ist man gerade auf das Bundesministerium der Finanzen – entschuldige die Offenheit – stinksauer!“ Weiter heißt es dann: „Eine wirkliche bodenlose Unverschämtheit stellt die Tatsache dar, dass wir als Taxi- und Mietwagenverbände bis zum 10. Juli zu einer Stellungnahme … aufgefordert werden, das Ministerium aber mit Datum vom 30. Juni 2023 auf seiner Homepage das 41-seitiges BMF-Schreiben an die Obersten Finanzbehörden veröffentlicht hat.“ Es sei eine Farce, so zu tun, als ob man Verbände beteiligen will, während man schon längst Fakten schafft und ohne die eingeholte Expertise genau das Gegenteil von dem in die Wege geleitet wird, was von den Praktikern geraten wird. „Wir haben gehofft, dass eine neue Beteiligungskultur … auch Realität wird.“
Im Detail fordert der TMV dann „eine schnelle und unternehmenschonende sowie nachhaltige Lösung wie von ihm bereits vorgeschlagene Anerkennung von auf dem Markt bereits verbreiteten singulären Kassensystemen (auch in der Kombination von Kassensystem und Vermittlungssystem), welche über eine durch das BSI zertifizierte TSE die Zahlvorgänge ebenso wie die Aufzeichnung insgesamt in einer Cloud sichern. Damit könnten geschätzte 50 Prozent der derzeit eingesetzten Taxameter und auch viele Wegstreckenzähler weiter betrieben werden, ohne die Zielsetzung der rechts- und fälschungssicheren Dokumentation der Bezahlvorgänge im Taxi und Mietwagen zu beeinträchtigen. Der TMV fordert im Weiteren die schnellstmögliche Einberufung eines runden Tisches durch das BMF unter Beteiligung aller relevanten Gruppen, Verbände und Institutionen. So könnten alle gemeinsam eine realistische Zeitplanung entwickeln, die sich an den wirklichen Gegebenheiten orientiere.
In der Wortwahl gegenüber Bundesminister Lindner ist das TMV-Statement natürlich wirklich starker Tobak, aber vielleicht trotzdem auch angemessen. Ob sich diese Direktheit auszahlt und ob parallel auch die Detailliebe und Transparenz des BVTM Früchte trägt oder ob beide wirkungslos bleiben wird man spätestens zum Jahresende wissen.
Schon jetzt zeichnet sich aber ab, dass aufgrund der Zeitnot die kleinen Details wieder untergehen werden und der Holzhammer siegt. All die Unternehmen der Branche, die viel Energie hinein gesteckt haben, auch die transparente und unveränderbare Buchhaltung in ihren Betreiben zu installieren, sitzen jetzt wieder mit all denen gemeinsam in einem Boot, die nach dem Prinzip so wenig wie irgend möglich, so viel unbedingt nötig agiert haben.
Alle beide werden zukünftig also wieder versuchen müssen, ihren Finanzprüfern zu erklären, warum sie nicht alle Einnahmen direkt mit dem Taxameter erfassen konnten und müssen so unisono erstmal ihre Glaubwürdigkeit in Frage stellen lassen, ohne das Gegenteil wirklich beweisen zu dürfen. Und das einfach nur deshalb, weil das BMF den Unterschied zwischen einem geeichten Messinstrument mit anschließend freier Preisgestaltung wie einer Marktwaage oder auch einem Wegstreckenzähler und einem Gerät mit einer darin verankerten Tarifverpflichtung verstehen will, die dann doch nicht für alle Fahrten gilt.
Schade, denn viele Unternehmen hätten es eigentlich verdient, endlich aus dem Grauschleier herauszukommen. Technisch wäre das problemlos möglich, aber das BMF will scheinbar gar keine Steuergerechtigkeit, sondern lieber Digitalisierung zum Selbstzweck verwirklichen. rw
Aktualisierung vom 24.7.:
Der Bundesverband Taxi und Mietwagen e. V. hat mitgeteilt, ebenfalls ein Schreiben an Finanzminister Lindner geschickt zu haben, in dem er unter anderem die zeitliche Einbeziehung von Mietwagen fordert. Er hat sein Schreiben allerdings nicht als offenen Brief geschickt, sondern als persönlichen Brief.
Gegenüber Taxi Times erläutert der BVTM, die Einführung einer TSE-Pflicht in Taxametern zum Januar 2024 habe das Gewerbe nicht grundlos aufgeschreckt, soder BVTM. Den Anwendungserlass §146a AEAO des Bundesfinanzministeriums, in dem es heißt, dass bis Anfang kommenden Jahres die Taxameter umgerüstet sein müssen, bezeichnet der Bundesverband als „Unterfangen, das weder das Gewerbe mit seinen 50.000 Taxen schafft noch die Technikanbieter HALE und Semitron – von den Kapazitäten der Werkstätten und Eichämter ganz zu schweigen.“
In seinem Brief an Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) macht sich der Vverband nun dafür stark, diese Frist konzilianter auszulegen, um dem Taxigewerbe die Möglichkeit zu geben, wirklich umrüsten zu können und auch weiterhin legal die gefahrenen Routen abzurechnen. „Darüber hinaus fordern wir, die TSE-Pflicht nicht einseitig für das Taxameter einzuführen. Denn: Technisch liegen alle Voraussetzungen dafür vor, den Wegstreckenzähler in Mietwagen ebenfalls in den Anwendungserlass mit aufzunehmen und seine zeitliche Anwendung zu terminieren.“ rw
Hinweis der Redaktion: Alle bei Taxi Times bisher veröffentlichten Beiträge zum Thema TSE-Pflicht finden Sie hier.
Grafik: Remmer Witte, basierend auf cloud-science.de
Ich denke, dass das Dankesschreiben von Uber (mit Anhang) an Christian schon auf seinem Schreibtisch liegt. Da überfliegt er dann schon mal die Schreiben von den Taxiverbänden … 🙁
Liebe Leute,
ich finde Ihre Kritik etwas einseitig. Die Kassensicherungsverordnung wird im Oktober 6 Jahre alt. Es war bekannt, dass man aus dem Taxameter eine Kasse machen möchte. Seitens der Hersteller wurde fast nichts gemacht, vom Bundesverband kam diesbezüglich wenig.
Wenn ein Taxameter nur ein Messgerät ist, weshalb wurden dann Umsatzsteuersätze hinterlegt, die dadurch regelmäßig falsche Grundaufzeichnungen verursachen?! Hat keinen Menschen interessiert. Das die INSIKA-Lösung nicht GoB-konform ist, wurde auch nie wirklich kritisiert.
Die Stellungnahmen zur Novelle der Kassensicherungsverordnung als auch zum Entwurf zum AEAO haben das Thema meiner Meinung verfehlt.
1. in solch einer Stellungnahme gehört als aller erstes, ob und inwieweit ein steuerpflichtiger Unternehmer sich mit diesen Änderungen GoB-konform verhalten kann. Ich konnte dazu faktisch nichts lesen. Es hätte im Detail aufgezählt werden müssen, warum das nicht geht.
2. Thema Kassennachschau – korrekt möglich oder nicht? Nichts.
3. Thema Belegausgabepflicht – korrekt möglich oder nicht? Nichts. Das diese Ausgabepflicht nur bei Vorhandensein eines Belegdrucker gilt – nix.
4. Thema Taxiverordnungen – müssen/dürfen/sollten diese angepasst werden? Nichts.
5. Es wurde gefordert das Wegstreckensignal rauszunehmen – das dürfte mit der europäischen Meßgeräterichtlinie nicht vereinbar sein.
6. Aufforderung, dass der Wegstreckenzähler bei allen Mietwagen Pflicht wird – dafür hat die Regelungskompetenz das Verkehrsministerium – falscher Adressat.
7. Es gibt gute legale Gründe ohne Wegstreckenzähler ein Fahrzeug einzusetzen – man könnte mal Prüfen, ob dadurch die Aufsichtsbehörden für die Erteilung der Ausnahmegenehmigung vom Wegstreckenzähler verpflichtet sind, eine Auflage mit Bargeldverbot zu verfügen. Meine Aufsichtsbehörde erteilt jedenfalls ein Bargeldverbot.
8. Die Forderung, dass man die Datensätze zu einem späteren Zeitpunkt bearbeiten darf, ohne das dies dem Unternehmer nicht negativ ausgelegt wird. Nur ist diese Forderung ist nicht GoB-konform. Kasennachschau und Belegausgabepflicht sind damit im Eimer. Mal vom Aufwand abgesehen.
9. das INSIKA für Einbauten ab 2021 rausfliegt liegt schlicht daran, dass die Basis das aktuelle Recht von 2021 ist. Die 2. Novelle der Kassensicherungsverordnung von 2022 ist nicht in Kraft getreten, insofern kann der AE nicht darauf basieren.
10. wenn man keine gesetzeskonforme Lösung im Fahrzeug ab 01.01.2024 verbaut hat, darf/sollte man trotzdem weiterfahren? Nach § 379 AO ist das Bußgeldbewehrt, somit steht die persönliche Zuverlässigkeit auf dem Spiel. Des Weiteren ist das vielleicht wettbewerbswidrig solch ein Fahrzeug einzusetzen? Wurde das geprüft?
All das läßt am Sachverstand des Bundesverbandes zweifeln. Wenn unser Verband nicht in der Lage ist, die Baustellen detailliert sauber aufzuzeigen, wie soll das BMF denn das besser machen?
Aber ich lasse mich gerne eines besseren belehren, dass ich falsch liege, wünsche ich mir eigentlich, aber glaube eher nicht 😉
Wau, sog I ! M.R. da hast uns und dem Bundesverband aber was gegeigt. Aber ich hatte ehrlich gesagt nur verdammt wenig Ahnung und der BVTM war evtl. bewußt tiefstappelnd ???
Tja, das mit der persönlichen Zuverlässigkeit macht mir irgendwie die größte Sorge, denn dann bist ja m.E. die Konzession am schnellsten los.
Was schlägst Du eigentlich so ganz, ganz, ganz schlüssig und verständlich vor, für jemanden der kein Jurist und Techniker ist ??????????