Die rot-grün-rote Landeskoalition erhöht die Preise für Parkplaketten drastisch und weitet die Parkraumbewirtschaftung räumlich aus. Betroffene Taxiunternehmen befürchten das Aus.
Zur Verkehrswende, die Berlins Koalitionspartner sich auf die Fahnen geschrieben haben, gehört eine stärkere Förderung des öffentlichen Verkehrs und eine Benachteiligung des umweltschädlichen Autoverkehrs. Dazu wird das Gebiet mit bewirtschaftetem Parkraum schrittweise weiter ausgedeht und Parkplaketten steigen drastisch im Preis.
Für Taxibetriebe kann die Parkraumbewirtschaftung ein existenzbedrohendes Problem sein. Anwohnerparkplaketten gibt es laut Boto Töpfer, dem Ersten Vorsitzenden des Taxiverbandes Berlin, Brandenburg e. V. (TVB), grundsätzlich nur für ein einziges Fahrzeug je Firma. Töpfer ist selbst Mehrwagenunternehmer und befürchtet, seinen Betrieb in Charlottenburg schließen zu müssen, wenn in seinem Kiez demnächst Schilder und Parkscheinautomaten aufgestellt werden: „Alle Fahrzeuge, die am Betriebssitz geparkt werden müssen, wenn der Fahrer seine Schicht beendet hat, brauchen dann eine Vignette. Für Betriebe mit mehr als einem Taxi gibt es aber in Berlin keine weiteren Vignetten. Das Anmieten von privaten Parkflächen in der City kostet um die 250 Euro monatlich pro Parkplatz.“
Die Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz (SenUMVK) erklärte dazu gegenüber Taxi Times, Taxi-Betriebe seien von den Regelungen zur Erhöhung der Verwaltungsgebühren für die Erteilung von Bewohnerparkausweisen gar nicht betroffen. „Für Fahrzeuge von Betrieben kann es stattdessen Ausnahmegenehmigungen zur Freistellung von der allgemeinen Parkgebührenpflicht geben. Solche Ausnahmen für Betriebe werden nur in begrenztem Umfang gewährt, sofern eine Dringlichkeit im Sinne der StVO existiert. Bei Taxiunternehmen sind Ausnahmen lediglich zur Sicherstellung bestimmter Betriebsabläufe am Hauptstandort vorgesehen. Daneben gibt es, wie Sie wissen, die straßenverkehrsrechtliche Privilegierung von Taxis über das Zeichen 229 StVO (Taxihalteplatz).“
Ein Unternehmer, der bereits leidvolle Erfahrung mit der innerstädtischen Parkraumbewirtschaftung gemacht hat, ist Karlo Reckert. Als an seinem Betrieb im Ortsteil Mitte 2015 die Parkraumbewirtschaftung kam, bemühten er und sein Kompagnon sich beim damaligen Staatssekretär Kirchner, mit dem man sehr gut habe reden können, um Ausnahmegenehmigungen für die 30 Taxis. Ergebnis: ganze drei nicht fahrzeuggebundene Vignetten, die man nach Bedarf auf die Autos verteilen konnte; für die restlichen 27 Taxis: nichts.
Reckert erzählt, wie verärgert er darüber war: „Es hieß, Taxis hätten keine Priorität. Drei Vignetten seien schon ein Entgegenkommen, normalerweise gäbe es nur eine pro Firma. Mit anderen Worten: Euer Büro könnt ihr behalten, aber die Fahrer müssen irgendwo außerhalb der Innenstadt ablösen.“ Besonders schwer nachvollziehbar erschien ihm dies angesichts der Regelung, dass Hotels für alle Zimmer je eine Vignette erhielten: „Das heißt, jeder Tourist kann hier sein Auto parken, aber unsere Fahrer, die zum Teil neben der Firma wohnten, sollten kilometerweit ‚zur Arbeit’ fahren, weil die Taxis hier nicht stehen dürfen. Das soll grüne Politik sein?“
Reckert und sein Kompagnon zogen mit ihrer Firma mehrere Kilometer stadtauswärts nach Prenzlauer Berg, in weiser Voraussicht knapp außerhalb des S-Bahn-Rings. Dennoch droht die Verkehrspolitik sie im kommenden Frühjahr einzuholen: Anfang April soll auch hier die Parkraumbewirtschaftung Einzug halten. „Dann können unsere Fahrer wahrscheinlich jeden Tag mit der S-Bahn an den Stadtrand fahren, um ihr Arbeitsgerät abzuholen. Dazu sind nicht alle bereit. Ein Teil hat schon aufgegeben. Wir haben heute nur noch 23 Taxen.“
Der TVB will sich nun bei der Senatsverwaltung um eine Lösung bemühen. Töpfer spricht von einem drohenden „Ausschluss der Berliner Taxis von der Verkehrswende“, und dieser „hätte für alle Berliner weitreichende Folgen, denn ein Taxi ersetzt nach wissenschaftlichen Untersuchungen etwa sechs Pkw.“ Würden hunderte oder gar tausende Taxis aufgrund der verwehrten Ausnahmegenehmigungen wegfallen, so sei dies „die Verkehrswende rückwärts“.
Hintergrund: Im Koalitionspapier der seit Ende 2021 bestehenden Berliner Landesregierung heißt es: „Die Berliner Verkehrswende soll sowohl nachhaltig als auch sozial verträglich gestaltet sein […].“ Solche Veränderungen kosten Geld. Wo die hierfür erforderlichen Mittel unter anderem herkommen sollen, steht im Kapitel Mobilität: „Um die im Koalitionsvertrag festgehaltenen Ziele des ÖPNV-Ausbaus mitzufinanzieren, wird die Koalition auch weitere Einnahmequellen erschließen. Dazu gehört eine dritte Finanzierungssäule. Hierfür vereinbart die Koalition folgende Elemente:
– Eine Erhöhung der Kurzzeitparkgebühren im ersten Halbjahr 2022. Unbürokratische Ausnahmen für Schichtarbeit und den Wirtschaftsverkehr werden wir prüfen.
– Eine Erhöhung der Beiträge für die Anwohnerparkvignette auf 10 Euro im Monat mit Einführung bis spätestens 2023. Wir prüfen in diesem Zusammenhang Ermäßigungen nach sozialen und ökologischen Kriterien.“
Weiter unten heißt es: „Die Parkraumbewirtschaftung wird innerhalb des S-Bahn-Rings ausgeweitet. Darüber hinaus sind Gebiete mit hohem Parkdruck zu erfassen und bei gegebenen Voraussetzungen zu bewirtschaften.“ Das betrifft auch den Teil Prenzlauer Bergs außerhalb des S-Bahn-Rings – schlechte Aussichten für Karlo Reckert und andere betroffene Unternehmer. ar
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