Der Fahrdienstanbieter Free Now hat eine Verdoppelung der barrierefreien Taxis in Berlin bis 2022 angekündigt. Wie die milliardenschwere Tochter von Daimler und BMW das konkret erreichen möchte, ist nicht ganz klar. Das Taxigewerbe sollte eine mögliche Zusammenarbeit sehr kritisch hinterfragen.
Für barrierefreie Taxen ist in Berlin schon viel geworben worden: vom Sozialverband Deutschland, von der Senatsverwaltung für Soziales und nicht zuletzt von Vertretern des Taxigewerbes. Letztes Jahr appellierte Taxi-Berlin-Chef Hermann Waldner persönlich in der Berliner Regionalausgabe der Taxi Times an die Unternehmer, sich das Zukunftssegment Inklusion nicht von Konkurrenten wegnehmen zu lassen, zumal das Land Berlin Inklusionstaxen mit 15.000 Euro fördert.
Waldners Befürchtung könnte nun wahr werden, zumindest will Free Now, Europas selbsternannter „führender Mobilitätsanbieter“, anscheinend eine solche Richtung einschlagen. In einer Pressemitteilung hat PR-Manager Christoph Weferling letzte Woche eine „Initiative für inklusive Mobilität“ angekündigt. Unter der Überschrift „Verdoppelung bis 2022: FREE NOW will mehr barrierefreie Taxis in Berlin“ weist der Fahrdienstanbieter ausführlich auf die fehlende spontane Mobilität von Menschen im Rollstuhl hin und kündigt zur Abhilfe viel an, allerdings mit recht inkonkreten Formulierungen wie „greift dieses Problem nun in Berlin auf“, „will […] eine deutliche Verbesserung […] erreichen“, „strebt an, die Anzahl der barrierefreien Fahrzeuge in Berlin bis Anfang 2022 mindestens zu verdoppeln und per App bestellbar zu machen“ und „werden uns dafür einsetzen, dass der Service schnell angeboten wird“.
Mit welchen konkreten Maßnahmen die angestrebte Verbesserung herbeigeführt werden soll, wird nicht verraten. Eine Abkehr von der Geschäftspraxis, selbst keine Fahrzeuge zu betreiben und nur Vermittlungsprovision von denen zu kassieren, die die Personen befördern, darf man sicherlich nicht erwarten.
Ein reiner PR-Gag wie seinerzeit die vermeintliche Rettung Europas aus der Corona-Krise dürfte aber diesmal dennoch nicht dahinter stecken, denn auch, wenn die Berliner Taxibetriebe bislang mit wenig Interesse auf alle Versuche zur Etablierung des Inklusionstaxis reagiert haben, so scheint Free Now hier doch einen Markt zu wittern.
Dafür sprechen die guten Erfahrungen, die man in Hamburg mit dem Projekt „Zukunftstaxi“ gemacht hat. Hier gibt es – vergleichbar mit der Inklusionstaxiförderung in Berlin – eine staatliche Förderung für Elektrotaxen, und da das Taxigewerbe hier mit Behörden und Industrie zusammenarbeitet, funktioniert das Projekt an der Alster so gut, dass das Taxigewerbe in anderen Städten nur neidisch sein kann.
Folglich hat Free Now sich auch in Hamburg nach Möglichkeiten umgesehen, auf den Zug aufzuspringen, um Taxikunden zu gewinnen, die man zu den Mietwagenanbietern umleiten kann. Man hat Unternehmen dann Verträge über Außenwerbung an den Fahrzeugen für 130 Euro pro Monat mit einer zweijährigen Laufzeit angeboten und dies als Unterstützung des Projekts Zukunftstaxi dargestellt. Damit es nach mehr klingt, hat man die 24 Monatszahlungen zu einem Gesamtbetrag von 3.120 Euro pro Taxi addiert und diese zu Beginn der Laufzeit gleich komplett ausgezahlt (Taxi Times berichtete). Auch Uber war in Hamburg sofort zur Stelle, als absehbar war, dass hier Geld herauszuholen sein würde.
Was Free Now jetzt in Berlin anstößt, ist unter dem Strich ein weiterer Versuch, für die Anschaffung von barrierefreien Taxen zu werben, und dies dann gewinnbringend auszuschlachten, indem man die Möglichkeit schafft, die durchaus hohe Nachfrage nach Beförderungsmöglichkeiten für Behinderte später mit Mietwagen zu bedienen. Das hätte für die Kundschaft den Vorteil, nicht jede Fahrt lange im Voraus beim Sonderfahrdienst buchen zu müssen (der laut Free Now doppelt so teuer ist wie das Taxi), und Free Now schafft ein weiteres Geschäftsfeld, auf dem man Partnern, die ihre schmalen Gewinnmargen mit unterbezahlten Fahrern erwirtschaften, hohe Vermittlungsprovisionen abverlangen kann.
Um das Projekt voranzubringen, regt Free now einen runden Tisch an, geführt von Verkehrssenatorin Regine Günther, „um das Thema in Berlin gemeinsam voranzubringen“ – noch so eine inkonkrete Formulierung. Ob man damit ausgerechnet bei der Uber-kritischen Grünen-Politikerin an der richtigen Adresse ist, wird sich zeigen müssen. Sollte ein solcher runder Tisch zustande kommen, so wird ein Teilnehmer für das Gelingen allerdings verzichtbar sein, und das ist Free Now.
Welches Interesse sollten Berliner Taxiunternehmer haben, sich von Free Now zu einer Zusammenarbeit ködern zu lassen? Wir wissen nicht, mit welchen Anreizen der Konzern die erwähnten Unternehmen zu den erwähnten Gesprächen gewonnen hat. Ein seriös arbeitender Taxiunternehmer mit Weitblick kann sich allerdings leicht ausrechnen, wozu eine Zusammenarbeit mit Free now auf dem Inklusionsmarkt führen würde: zu einer Schädigung des Taxigewerbes, ganz genau so, wie es bereits auf dem allgemeinen Taximarkt vorausgesehen wurde und eingetreten ist, da Free Now auch die Kunden mit Mobilitätseinschränkung schnellstmöglich mit Mietwagen befördern lassen wird statt mit Taxen.
Unabhängig vom Erfolg oder Misserfolg des Vorstoßes von Free Now dürfte der Anbieter mit der PR-Aktion in jedem Fall einen kleinen Imagegewinn erzielen. Der weniger kritische Kunde, den die permanenten Rechtsverstöße der für Free Now tätigen Mietwagenfahrer und die Belastung des Sozialsystems nicht interessieren, wird die vermeintliche Förderung der Inklusion sicherlich gutheißen und Free Now als wohltätige und selbstlose Institution wahrnehmen.
Wer als Taxiunternehmer den Mut zur Investition in barrierefreie Taxen aufbringt, hat dagegen sicherlich wenig Interesse daran, zuzusehen, wie sein vermeintlicher Unterstützer das Geschäft dann lieber mit anderen aufzieht, die sich besser melken lassen. ar
Beitragsfoto: Axel Rühle
Welche Großraumtaxi-Autofabrik (national und/oder global) hat nicht so ein beschiss…….Geschäfts-
verhalten wie Mercedes genüber dem Taxigewerbe ? Baut BMW überhaupt Großraumtaxen (evtl. in USA oder sonstwo) ?