In der am Freitag vom Bundesrat verabschiedeten Stellungnahme zum Entwurf des neuen Personenbeförderungsrechts taucht die ursprünglich geforderte Vorbestellfrist nun doch nicht auf. Blockiert haben dies auf politischer Ebene in erster Linie die CDU, aber auch der neue Taxiverband TMV spricht sich dagegen aus – was wiederum vom anderem Bundesverband BVTM massiv kritisiert wird.
Im aktuellen Gesetzgebungsverfahren für eine Novelle des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) spielt der Bundesrat (Parlament der 18 Bundesländer) eine wichtige Rolle. Er muss dem „Gesetz zur Modernisierung des Personenbeförderungsrechts“ zustimmen, wenn es wie geplant Anfang März vom Bundestag beschlossen („verabschiedet“) wird.
Große Streitpunkte des Gesetzes sind dabei die Rückkehrpflicht und eine Vorbestellfrist für Mietwagen. Im Erstentwurf des Bundesverkehrsministers Andreas Scheuer im Jahr 2019 (Eckpunkte) wurde noch über eine Aufhebung der Rückkehrpflicht nachgedacht, im aktuellen Gesetzentwurf, der am 29. Januar in den Bundestag eingebracht wurde, soll sie nun doch beibehalten werden. Die massiven Proteste des Taxigewerbes am 10. April 2019 sowie im darauffolgenden Sommer (Scheuerwehr-Tour) haben zu diesem Sinneswandel sicherlich beigetragen.
Da die Rückkehrpflicht für Mietwagen allerdings aufgrund seiner mühsamen Kontrollmöglichkeiten ein stumpfes Schwert ist, hatte der Bundesverband Taxi und Mietwagen (BVTM) im Jahr 2020 zusätzlich eine so genannte Vorbestellfrist für Mietwagen gefordert. Mietwagen sollten frühestens nach einer vorgegebenen Karenzzeit (z.B. 30 Minuten) nach ihrer Bestellung beim Kunden eintreffen dürfen. Parteiübergreifend war dieser Vorschlag im Sommer 2020 von der Politik noch abgelehnt worden. Man befürchtete, dass eine solche Regelung auch die regelkonform agierenden Mietwagenbetriebe vor allem im ländlichen Bereich ausbremsen würde.
Folglich wurde die Forderung in den folgenden Monaten konkretisiert und man gelangte letztlich zum Ergebnis, dass die Festlegung einer Vorbestellfrist für die kommunalen Genehmigungsbehörden ermöglicht werden soll. „Damit wird den Behörden ein Instrument für eine wirksame Kontrolle und Sanktionierung all jener Mietwagenbetriebe an die Hand gegeben, die mithilfe von Apps wie Uber und Free Now taxiähnlichen Mietwagenverkehr betreiben“, schildert Michael Oppermann, Geschäftsführer im BVTM, den Sinn der Regelung.
„Das Instrument der Vorbestellfrist können somit vor allen Dingen die Aufsichtsbehörden in Großstädten wie Berlin, Hamburg, München, Köln und anderen Städten anwenden. Denn genau dort sind Uber und Free Now aktiv und arbeiten mit Mietwagenunternehmen zusammen, die durch ihre täglichen Rechtsverstöße den Wettbewerb massiv verzerren. Genehmigungsbehörden in ländlichen Regionen haben dagegen gar keinen Anlass, eine solche Vorbestellfrist einzuführen, solange dort regelkonform agiert wird.“
Eine solche Lösung stieß nun auch bei Teilen der Politik auf Zustimmung, vor allen auf Länderebene. Auf Initiative von Berlin und Baden-Württemberg wurde im Bundesrat für die oben angesprochene Empfehlung der Punkt 14 aufgeführt: „Die Genehmigungsbehörde kann zum Schutz der öffentlichen Verkehrsinteressen für in ihrem Bezirk beginnende Mietwagenfahrten eine vom Unternehmer einzuhaltende Zeitspanne zwischen Buchung und Fahrtantritt (Vorausbuchungsverpflichtung) durch Auflage zur Genehmigung festlegen.“
Zur Abstimmung stand dieser Punkt dann am vergangenen Freitag im Bundesrat, er fand dort allerdings unter den 16 Bundesländern keine Mehrheit. Vor allen Dingen die CDU / CSU hatte dagegen massiv opponiert, was auch Winfried Hermann in seiner Rede am Freitag im Bundesrat bestätigte: „Mein Koalitionspartner hat alle meine Initiativen blockiert. Wir wissen, dass die kommunalen Spitzenverbände hinter all den Vorschlägen des Bundesrats stehen. Ebenso der VDV, ebenso das Taxigewerbe. Wenn die CDU / CSU sich mit all denen anlegen will und es besser weiß, dann würden sie wahrscheinlich einen Fehler machen.“
Die Rede von Winfried Hermann am 12.2.21 im Bundesrat: Er ist Verkehrsminister in Baden-Württemberg. Seine Partei „die Grünen“ regiert dort mit der CDU. Auch Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, wo die CDU ebenfalls an der Landesregierung beteiligt ist, haben dem Punkt 14 nicht zugestimmt.
Die Letztgenannten sind auch jene Länder, aus denen auch Teile der dort existierenden Taxi-Landesverbände zum Jahreswechsel aus dem Bundesverband Taxi ausgetreten sind und einen eigenen Bundesverband TMV gegründet haben. Dessen Präsident Michael Müller, der bis Anfang Dezember noch in gleicher Funktion für den anderen Verband BVTM tätig war und der mit seinen neuen Vorstandskollegen drei Tage vor der Bundesratssitzung noch eine Videoschalte mit Minister Scheuer hatte, spricht sich klar gegen eine Vorbestellfrist aus. Der TMV lehne den Ansatz zur Vorbestellfrist oder auch so genannter Karenzzeit für Mietwagen ausdrücklich ab, heißt es in einer am Freitag während der Bundesratssitzung verschickten Pressemitteilung.
„Dies ist kein geeignetes Mittel um den Wildwuchs von plattformorientieren Anbietern wie Uber oder Free Now zu begrenzen“ lässt sich Müller zitieren. „Vielmehr zerstöre dies die Dienstleistungsbasis für sauber agierende Mietwagenunternehmen. Diese sicherten gerade auch im Bereich der Patientenbeförderungen die flächendeckende Versorgung.“
Michael Oppermann vom BVTM hat für diese Interpretation der Vorbestellfrist kein Verständnis: „Der Göttinger Mietwagen-Unternehmer Michael Müller reiht sich mit seinen jüngsten Äußerungen ein bei Uber, Free Now und Scheuer. Er fällt dem Taxigewerbe und den ehrlichen Mietwagenunternehmern damit gezielt in den Rücken. Der Ex-Präsident (des BVTM, Anm. der Redaktion) macht damit erneut deutlich, dass er nicht mehr für die Mehrheit und die Zukunft des Gewerbes spricht.“
Trotz der Nicht-Zustimmung im Bundesrat ist Oppermann weiterhin optimistisch, dass es keine Novelle ohne eine Option für die Vorbestellfrist geben wird. „Enthaltungen im Bundesrat zählen immer wie Nein-Stimmen. Am Freitag wurde gefragt: `Seid ihr für die Vorbestellfrist“, und viele Länder mussten sich enthalten, weil sich die Partner nicht einig waren. Darum gab es keine Mehrheit. Wenn das PBefG dann irgendwann (26.3.) zur Abstimmung steht und es dann keine Vorbestellfrist beinhaltet, dann sind die Enthaltungen vom Freitag „Nein-Stimmen“ gegen eine Reform ohne Vorbestellfrist. Daher ist die Ablehnung vom Freitag nicht entmutigend. Eine Vorbestellfrist ist möglich.“ jh
Hinweis der Redaktion: Zum Verständnis der Vorgehensweise im Bundesrat und dem Abstimmungsvorgaben siehe auch diesen Beitrag. Der Unmut aus der Taxibranche steigt derweil. In München fand am Freitag eine Taxidemo statt, in Berlin ist für den 19.2. ein Protest-Korso angemeldet. Dieser soll auch am Parteisitz der Bundes-CDU vorbeiführen.
Das Beitragsfoto zeigt einen Screenshot aus der Bundesrats-Sitzung am 12.2.21
Wenn man es jetzt nicht schafft, das Mietwagengeweebe zu kontrollieren, wie soll man dann die Vorbestellfrist überwachen. Die Ordnungsbehörden werden auch nicht am Wochenende und nachts in der erforderlichen Stärke diese Aufgabe wahrnehmen. Auch in Großstädten würde dieses ein ungeeignetes Instrument sein.
Ein Umgehen der Vorbestellfrist wäre viel leichter nachzuweisen und gerichtsfest zu belegen als eine Umgehung der Rückkehrpflicht.
Man sollte doch mal die ehrlich arbeitenden Mietwagenbetreiber fragen. Wenn die nicht mit einer Vorbestellfrist von 30 oder sogar 60 Minuten einverstanden wären, hätten sie doch ein Taxi. Ein Mietwagen betreibe ich doch um meine Zeit besser planen zu können. Also wo ist eigentlich das Problem bei der Vorbestellung??
Verkehrsminister Scheuers hat in seiner Rede festgestellt, dass Uber in Deutschland bereits fahre.
Bei genauer Betrachtung ist das falsch.
Denn es sind Mietwagen, die von Uber VERMITTELTE Aufträge ausführen.
Somit handelt es sich hier zwar um eine Tätigkeit im Verkehrswesen (siehe auch Urteil des Europäischen Gerichtshofs), aber um KEINE neue Verkehrsform.
Dass sich Uber (und andere) um Taxispezifische Aufträge bemüht und dann illegalerweise an Mietwagen vergibt, ist der Knackpunkt.
Die beschworene Digitalisierung hat längst auch im Taxi stattgefunden. Jederzeit kann über Smartphone und App ein Taxi bestellt werden. Die Technik zu Abwicklung von Sammel- und Kettenfahrten und deren individualisierte Abrechnung hat sich bei z. B. Buszubringer- und Dialyseaufträgen bestens bewährt.
Die bisher rechtlich nicht existierende Möglichkeit, mehrere von einander unabhängige Fahrgäste in einem Taxi zu befördern (statt ‚einheitlicher Auftraggeber ‚) ist die neue Verkehrsform, die ins PbefG muss.
Dabei in Kooperation mit anderen öffentlichen Verkehrsträgern im Linien-und Bedarfsverkehr vernünftig zusammen zu arbeiten, ist längst geübte Praxis. Auch wenns manchmal holpert.
Als Bestandteil des öffentlichen Verkehrs ist es vorrangig auch eine PFLICHT des Taxis, diese Aufgabe zu übernehmen.
Das dient dabei auch dem von VM Scheuer angesprochenen Schutz im Gegenzug zu Beföderungs-, Tarif -,Betriebspflicht.
Wenn jedoch genau diese Pooling -Aufgaben anderen als dem Taxi überlassen werden, schmälert das sofort die sowieso prekäre wirtschaftliche Basis.
Es spricht überhaupt nichts dagegen, dass sich neue Anbieter Taxikonzessionen von den Kommunen holen und sich als Taxiunternehmer betätigen .
Denn innerhalb der Konzessionierungsverfahren muss ja von den Kommunen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Taxigewerbes im Gesamten gewährleistet werden. Das geschieht ganz einfach durch deren Anzahl.
Somit besteht dadurch genau jener Schutz vor Dumping, den auch Herr Scheuer beschworen hat.
Es braucht nicht die von Herrn Scheuer angeführten versuchsweise tätigen Poolinganbieter.
Sie sind lediglich als Schmarotzer im Taxigeschäft unterwegs.
Das Taxigewerbe hätte sich schon vor Jahrzehnten um genau diese Änderung im PbefG kümmern müssen!
Dass jetzt allerdings internetbasierte globale Firmen und selbst einheimische Konzerne das Taxigewerbe zerfleddern, kann nicht zugelassen werden!