Die seit zwei Jahren diskutierte europäische Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Plattformarbeitern steht kurz vor einem Abschluss. Der EU Rat und das Europäische Parlament haben diese Woche eine vorläufige Einigung veröffentlicht. Wir fassen die wichtigsten allgemeinen Punkte zusammen.
Die vorgeschlagene Richtlinie beinhaltet zwei wesentliche Verbesserungen: Sie hilft bei der Bestimmung des korrekten Beschäftigungsstatuss von Personen, die für digitale Plattformen arbeiten und legt die ersten EU-Regeln für den Einsatz künstlicher Intelligenz (AI) am Arbeitsplatz fest.
Die heutige Vereinbarung wird von Beobachtern und Experten als großer Fortschritt für jene Menschen gesehen, die in der Gig Economy der EU arbeiten. Sobald es vom Rat und vom Parlament bestätigt und dann innerhalb von zwei Jahren in den europäischen Mitgliedsstaaten umgesetzt wird, wird es den Plattformarbeitern insgesamt einen besseren Schutz bieten. Insbesondere wird dadurch sichergestellt, dass Arbeitnehmer, die fälschlicherweise als Selbstständige eingestuft wurden, leichteren Zugang zu ihren Rechten als Arbeitnehmer nach EU-Recht haben.
Derzeit sind die meisten der 28 Millionen Plattformarbeiter in der EU, darunter Personenbeförderer, Hausangestellte und Lebensmittellieferanten, offiziell selbstständig. Dennoch gelten für sie oft die gleichen Regeln und Einschränkungen wie für einen Arbeitnehmer. Dies weist darauf hin, dass sie tatsächlich in einem Arbeitsverhältnis stehen und daher die Arbeitnehmerrechte genießen sollten, die Arbeitnehmern nach nationalem und EU-Recht zustehen.
Die EU will dies mit der Verabschiedung einer entsprechenden Richtlinie sicherstellen. Die nun vorgelegte vorläufige Einigung zwischen Rat und Parlament zielt darauf ab, diese Fälle von Fehlklassifizierung anzugehen und die Umklassifizierung von Plattformarbeitern in Arbeitnehmer zu erleichtern. Der Vereinbarung zufolge gelten Plattformarbeiter rechtlich als Angestellte einer digitalen Plattform (und daher nicht als Selbstständige), wenn ihre Beziehung zur Plattform mindestens zwei der fünf Indikatoren der Richtlinie erfüllt. Diese Indikatoren betreffen:
- den Höchstbetrag, den Plattformarbeiter erhalten können
- die Überwachung ihrer Leistung, auch elektronisch
- die Kontrolle über die Aufteilung oder Zuweisung von Aufgaben
- die Kontrolle über die Arbeitsbedingungen und Einschränkungen bei der Wahl der Arbeitszeiten sowie
- die Einschränkungen ihrer Freiheit, ihre Arbeit zu organisieren und Regeln für ihr Aussehen oder Verhalten
Die Mitgliedstaaten können dieser Liste nach ihrem nationalen Recht weitere Indikatoren hinzufügen. Sofern die gesetzliche Vermutung zutrifft, muss die digitale Plattform nachweisen, dass kein Beschäftigungsverhältnis im Einklang mit der nationalen Gesetzgebung und Praxis besteht.
Digitale Arbeitsplattformen nutzen regelmäßig Workforce-Management-Algorithmen. Dadurch besteht oft zu wenig Transparenz darüber, wie Entscheidungen getroffen werden und wie personenbezogene Daten verwendet werden.
Die neue EU Richtlinie soll sicherstellen, dass Plattformarbeiter über den Einsatz automatisierter Überwachungs- und Entscheidungssysteme informiert werden. Es soll auch verhindern, dass digitale Arbeitsplattformen bestimmte Arten personenbezogener Daten mithilfe automatisierter Überwachungs- oder Entscheidungssysteme verarbeiten. Dies betrifft:
- personenbezogene Daten über den emotionalen oder psychischen Zustand der Plattformarbeiter
- Daten im Zusammenhang mit privaten Gesprächen
- Daten zur Vorhersage (möglicher) Gewerkschaftsaktivitäten
- Daten, um Rückschlüsse auf die Rasse oder ethnische Herkunft, den Migrationsstatus, politische Meinungen, religiöse Überzeugungen oder den Gesundheitszustand zu ziehen
- biometrische Daten, die nicht zur Authentifizierung verwendet werden
Nach den neuen Regeln müssen diese Anlagen von qualifiziertem Personal überwacht werden, das besonderen Schutz vor Beeinträchtigungen genießt. Auch bei wichtigen Entscheidungen wie der Kontosperrung ist die menschliche Aufsicht gewährleistet.
Das vorläufige Abkommen muss nun noch vom Rat und vom Parlament genehmigt werden. Anschließend übernehmen beide Institutionen es formell in der Rechts- und Sprachsachverständigenfassung. Nach diesen formellen Schritten haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, die Bestimmungen in ihre nationalen Rechtsvorschriften zu übernehmen.
Die Plattformökonomie ist in den letzten Jahren exponentiell gewachsen, die Einnahmen stiegen zwischen 2016 und 2020 von geschätzten 3 Milliarden Euro auf rund 14 Milliarden Euro. Bis 2025 soll es 43 Millionen Plattformarbeiter geben.
Während das Wachstum digitaler Plattformen Unternehmen und Verbrauchern zugutekam, hat es für viele Plattformarbeiter hinsichtlich ihres Beschäftigungsstatus eine Grauzone geschaffen. Nach Angaben der EU-Kommission befinden sich derzeit etwa 5,5 Millionen Plattformarbeiter, die als Selbstständige gelten, in einem faktischen Arbeitsverhältnis mit digitalen Plattformen und sollten daher die gleichen Arbeits- und Sozialrechte haben wie Arbeitnehmer.
Darüber hinaus warf der Einsatz von Algorithmen in der Plattformarbeit Fragen zur Verarbeitung der Daten von Plattformarbeitern sowie zur Transparenz und Rechenschaftspflicht der Entscheidungsfindung auf. wf
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Beitragsfoto: Axel Rühle