Am morgigen Donnerstag beginnt die Berlinale und damit der Wettbewerb um die Goldenen Bären. Eine erste Auszeichnung darf man allerdings schon im Vorfeld vergeben: Die Goldene Augenbinde für die Veranstalterin und die Kulturstaatsministerin – weil beide mit der Wahl ihres Hauptsponsors Uber die demokratischen Werte eines Rechtsstaats ignorieren. Weil der Staat als Förderer der Berlinale auftritt, bekommt dieser Faux-Pas eine politische Dimension.
Die Berlinale ist ein jährlich stattfindendes, mehrtägiges Filmfestival, bei dem in der Bundeshauptstadt nahe dem Potsdamer Platz und dem Marlene-Dietrich-Platz unzählige Filme aus verschiedenen Ländern gezeigt werden, und zu dem Gäste aus aller Welt internationales Flair in die Stadt bringen. Die Filmschaffenden müssen dann mobil sein, weshalb die Veranstalter hier gerne auf deutsche Fahrzeughersteller als Sponsoren setzen. Diese können dann – beinahe wie die Filmstars – vor der Weltöffentlichkeit glänzen.
Von 2010 bis 2019 war das BMW, dann kurze Zeit Audi. Jetzt ist es der amerikanische Fahrdienstanbieter Uber, ein Unternehmen, das mit demokratischen Werten auf Kriegsfuß steht. Wer mit Uber kooperiert, paktiert mit einem Milliardenkonzern, der durch sein rechtswidriges Geschäftsmodell regelmäßig weltweit für negative Schlagzeilen sorgt, etwa weil der Konzern sich immer wieder über Gerichtsurteile und Verbote hinwegsetzt (deren Einhaltung die überforderten deutschen Behörden schwer kontrollieren können), weil die Fahrer ausgebeutet werden, weil der Konzern lax mit seinen Kundendaten umgeht, weil er mit Dumpingpreisen die Fahrergehälter niedrig hält, oder weil der Konzern nichts mit Hunderten von Vergewaltigungen durch Uber-Fahrer zu tun haben wollte. Uber musste weltweit bereits Bußgelder in Milliardenhöhe bezahlen, wird aber nicht müde, bei jeder Gelegenheit das Märchen zu wiederholen, man habe sich nun wirklich gewandelt und alles sei legal und seriös. Die jüngsten Ergebnisse einer Kontrolle in Berlin belegen, dass der angebliche Wandel nur Lug und Trug ist.
Doch anstatt solche Fakten zu berücksichtigen, verstecken sich die Veranstalter hinter dem „grünen Aspekt“ Ihrer Sponsorentscheidung. Uber hat angekündigt, die Filmstars und -crews in umweltfreundlichen Wasserstoff-Autos zu den Veranstaltungsorten zu fahren. „Ein lokaler Partner von Uber wird die Fahrzeugflotte und den Service bereitstellen und operativ steuern“. Gemeint ist SafeDriver, eine der Firmen von Uber-Generalpartner Thomas Mohnke. Sie war laut Berlinale-Leitung bereits letztes Jahr „als Dienstleister der Berlinale tätig“.
Wie aus gut unterrichteten Kreisen verlautet, war als Nachfolger von BMW und Audi ein weiterer erfolgreicher Autohersteller als Berlinale-Sponsor im Gespräch: Toyota, der die Wasserstoff-Fahrzeuge für Ubers Auftritt produziert und Mohnkes Firmenkonsortium laut Insidern weit unter Listenpreis zur Verfügung stellt, um ebenfalls visuell präsent zu sein und zu glänzen. Toyota selbst habe aber nicht allzu direkt mit Uber in Verbindung gebracht werden wollen, um sich beim Taxigewerbe, einem wichtigen Absatzmarkt, nicht zu sehr in Misskredit zu bringen. Da bot es sich förmlich an, einen Unternehmer wie Mohnke zwischenzuschalten. Er kann sich beim Taxigewerbe schwer noch unbeliebter machen als ohnehin schon.
Diese Rechnung dürfte für Toyota aufgehen. In der Kritik steht jetzt der Berlinale-Veranstalter und das Kulturstaatsministerium, denn ohne deren öffentliche Gelder wäre die Berlinale nicht das weltweit beachtete Film-Event.
Das Taxigewerbe ist Leidtragender des unlauteren Agierens von Uber, Bolt und Free Now, deren Mietwagenpartner seit Jahren unerlaubt taxiähnlichen Verkehr anbieten – was nur unter permanenter Missachtung von Recht und Gesetz überhaupt wirtschaftlich ist. Zugleich profititert die Taxibranche von Veranstaltungen wie der Berlinale, da in den elf Tagen auch Hunderte von Taxifahrten herausspringen. Zu den diesjährigen Filmfestspielen befindet sich das Taxigewerbe in Berlin angesichts des staatlich gepuschten Uber-Auftritts im Zwiespalt und wird seinen Auftrag dennoch pflichtgemäß und gerne erfüllen, nicht zuletzt, um zu beweisen, dass es im Unterschied zu Uber & Co. eine redliche und seriöse Dienstleistung anbietet.
Über den Beitrag der öffentlichen Hand zur Berlinale gibt es verschiedene offizielle Angaben: Laut Internetseite der Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin GmbH (KBB) entfielen im Geschäftsjahr 2020 satte 53 Prozent ihrer Einnahmen (die nicht allein der Berlinale dienen), also knapp 41 Millionen Euro, auf die „institutionelle Förderung BKM“, kommen also aus dem 2,4-Milliarden-Etat des Kulturstaatsministeriums, das seit Dezember 2021 von Claudia Roth geleitet wird und vorher von Monika Grütters (CDU).
Nach Angaben der Bundesregierung fördert der Bund die Berlinale jährlich mit 10,7 Millionen Euro. Dieses Jahr kommen noch weitere 2,2 Millionen hinzu, „damit das Festival auch 2023 ‚in vollem Umfang’ durchgeführt werden kann“ (Zitat Claudia Roth). Die Rahmenbedingungen seien „in mehrerer Hinsicht von einer außergewöhnlichen Krisensituation geprägt“. Deshalb werde die Staatsministerin für Kultur und Medien das Festival einmalig mit bis zu 2,2 Millionen Euro zusätzlich unterstützen. „Damit möchten wir dazu beitragen, dass die Berlinale auch 2023 zu einem vollen Erfolg werden kann.“ Das stärke auch den Filmstandort Deutschland, so Roth.
Ein Staat, der so viel Steuergelder für eine wichtige kulturelle Veranstaltung zur Verfügung stellt, sollte schon genau hinsehen, für welche Sponsoren sich der Veranstalter entscheidet. Doch genau das Gegenteil scheint hier der Fall zu sein. Auf kritische Fragen durch die Taxi-Times-Redaktion verweigerten sowohl Claudia Roth als Bundestagsabgeordnete und als Kulturstaatsministerin als auch ihr Ministerium jegliche Stellungnahme. Wie bei einen Pingpong-Spiel verwiesen Sie auf die jeweils andere Stelle bzw. auf den Veranstalter: Die Pressestelle der BKM, also des Kulturstaatsministeriums, bedankte sich für die Anfrage, bat aber darum, „diese direkt an die Berliner Festspiele zu richten“. Das Bundestagsbüro von Claudia Roth verwies an die Pressestelle des Kulturstaatsministeriums, da die Anfrage sich an Roth als Staatsministerin richte. Roths Pressereferentin verwies ebenfalls an die Pressestelle des Kulturstaatsministeriums oder alternativ an die Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen. Eine Sprecherin des Kulturstaatsministeriums erbarmte sich schließlich zu dem Satz: „Die Filmfestspiele Berlin sind ein Geschäftsbereich der Kulturveranstaltungen der Bundes in Berlin GmbH und entscheiden auf Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen eigenständig über die Kooperation mit Sponsoren.“
Der Veranstalter wiederum hat keinerlei rechtliche wie moralische Bedenken, wie aus der etwas ausführlicheren Antwort hervorgeht, die nach mehrfachem Nachfragen schließlich kam – allerdings nicht von Claudia Roth oder einem ihrer Büros, sondern von Mariëtte Rissenbeek, Geschäftsführerin der Internationalen Filmfestspiele Berlin.
In ihrer Stellungnahme heißt es unter anderem:
„Wir wählen unsere Sponsoren im Vorfeld sorgfältig aus und unterziehen sie einer Eignungsprüfung mit umfangreichen Recherchen. Auch gehen wir mit den potentiellen Sponsoren im Vorfeld in einen offenen Dialog und adressieren bei unserer Eignungsprüfung vorab ggf. öffentliche Kritik und versuchen, uns ein möglichst ausgeglichenes Bild zwischen der unabhängigen Berichterstattung und der Sicht des jeweiligen Sponsors auf die Situation zu machen.
Uber hat uns glaubwürdig versichert, dass die Geschäftspraktiken ihrer Anfangsjahre nicht mehr existieren, sie sich klar davon distanzieren und sie sich stets an deutsches Recht halten. Auch werden Uber-Mietwagen-Partner einer genauen Prüfung rechtsstaatlicher Regularien (Arbeitsschutz, Mindestlohn usw.) unterzogen.
Wir arbeiten stets mit Unternehmen, die sich an alle rechtsstaatliche Standards in Deutschland halten.“
Damit argumentieren die Veranstalter bemerkenswert wortgleich, wie auch die Uber-Manager das taten, als sie nach der Veröffentlichung der Uber-Files versuchten, den Schaden so klein wie möglich zu halten. Dabei sind diese Behauptungen eine geradezu groteske Lüge, denn nach wie vor funktioniert Ubers Geschäftsmodell nur durch Rechtsbruch: Wer wie Uber schnell ein Fahrzeug zur Verfügung stellen will, muss seine Partner dazu anstiften, rechtliche Vorgaben wie beispielsweise die Rückkehrpflicht zu umgehen. Wer wie Uber nur an den vermittelten Touren auf Provisionsbasis verdient, muss eine möglichst große Flotte zur Verfügung stellen. Also achtet man wenig bis gar nicht darauf, ob die Partner und Nutzer der App auch wirklich zugelassene Mietwagenkonzessionen besitzen. Erst letztes Jahr hatte die Berliner Aufsichtsbehörde ein Bußgeld in Höhe von 500.000 gegen einen Mietwagenunternehmer verhängt, der für Uber und andere unseriöse Anbieter mehr als 100.000 Fahrten mit rund 160 Mietwagen durchgeführt hatte, ohne die dafür erforderliche Genehmigung zu besitzen – kein Einzelfall. Den Fahrdiensten hatte er falsche Papiere vorgelegt.
Ausgerechnet in Berlin, wo der Wildwuchs des rechtsfreien Agierens der Uber-Partner also so ausgewachsen ist wie in keiner anderen deutschen Stadt, bekommt Uber durch sein Sponsoring buchstäblichen den roten Teppich ausgerollt. Das ist ein ganz schlechter Film mit katastrophal schlechter Regie.
Taxi Times verleiht deshalb zum Start der Berlinale die Goldene Augenbinde an Mariëtte Rissenbeek und Claudia Roth – für Ihre traurige Rolle im Film „Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen.“ Für ihre unrühmliche Rolle in dem Stück „Mich geht das alles gar nichts an“ bekommt Kulturstaatsministerin Claudia Roth zusätzlich den Stummen Bären verliehen. jh/ar
Ergänzung der Redaktion:
Hier einige Belege, dass Uber illegal agiert und Gerichtsurteile ignoriert:
https://taxi-times.com/bundesgerichtshof-bestaetigt-uber-ohne-lizenz-illegal/
https://taxi-times.com/persoenlich-zugestellt-uber-urteil-kann-ab-sofort-vollstreckt-werden/
https://taxi-times.com/urteil-des-landgerichts-frankfurt-wann-gilt-das-uber-verbot/
https://taxi-times.com/bgh-urteil-uberblack-ist-wettbewerbswidrig/
Immer wieder werden auch Ubers Kooperationspartner wegen Rechtsverstößen sanktioniert:
https://taxi-times.com/zdf-sendung-belegt-rechtsverstoesse-durch-uber-und-seine-partner/
https://taxi-times.com/der-systematische-betrug-der-uber-und-free-now-partner/
https://taxi-times.com/urteil-ueber-500-000-euro-bussgeld-rechtskraeftig/
https://taxi-times.com/versaeumnis-urteil-fuer-duesseldorfer-uber-partner/
https://taxi-times.com/welt-berichtet-von-uber-verstoessen/
https://taxi-times.com/versaeumnisurteil-gegen-uber-partner-diesmal-in-potsdam/
https://taxi-times.com/uber-fahrer-ohne-soziale-absicherung-weltweit-ein-fall-fuer-die-gerichte/
https://taxi-times.com/kontrolle-in-berlin-schichtende-fuer-viele-mietwagenfahrer/
Das gestörte Verhältnis zum Rechtsstaat gilt auch für das Firmengeflecht des Uber-Generalunternehmers Thomas Mohnke (Ennoo, Safedriver, Rocvin),
https://taxi-times.com/erstes-uber-verbot-in-duesseldorf-aus-fuer-ennoo-savedriver/
https://taxi-times.com/safedriver-die-verflechtungen-eines-uber-partners/
https://taxi-times.com/rheinische-post-deckt-brisante-hintergruende-zu-uber-auf/
Im Juli letzten Jahres wurden durch den Whistleblower Mark MacGann (ehemaliger Uber-Manager) unzählige schwere Fälle von bewussten Rechtsverstößen durch Uber, insbesondere Bestechung von Politikern und Wissenschaftlern, öffentlich gemacht. Im Gedächtnis blieb ein Satz aus den 124.000 internen Schriftstücken, der Schlagzeilen machte. Er stammt von einer ehemaligen Direktorin für globale Kommunikation bei Uber: „Sometimes we have problems because, well, we’re just fucking illegal. (Manchmal haben wir Probleme, weil wir, nun ja, einfach verdammt illegal sind.)“
https://taxi-times.com/uber-files-journalistennetzwerk-entlarvt-ranghohe-politiker/
https://taxi-times.com/die-schlimmen-wahrheiten-ueber-uber/
Außerdem vielfach wissenschaftlich belegt: Ubers Dienste sind entgegen eigener Behauptungen alles andere als nachhaltig, machen die Straßen voller statt leerer und tragen signifikant zur Luftverschmutzung bei:
https://taxi-times.com/uber-fahrten-laut-neuer-us-studie-klimaschaedlicher-als-privat-pkw/
https://taxi-times.com/uber-co-erzeugen-jaehrlich-92-mrd-kilometer-mehr-pkw-verkehr/
https://taxi-times.com/neue-schaller-studie-altes-ergebnis-doppelte-autokilometer/
https://taxi-times.com/uber-traegt-zur-luftverschmutzung-in-den-staedten-bei/
Beitragsbild: Mariëtte Rissenbeek (Foto: Harald Krichel / Wikipedia) mit hineinmontierter Augenbinde (verzerrt, Foto: cottonbro studio / Pexels) und Claudia Roth (Foto: Balk/MSC / Wikipedia) mit hineinmontierter Augenbinde (w. o.) vor Berlinale-Plakat (Quelle: KBB) mit Uber-Auto (Foto: Uber); Collage: Axel Rühle
Da fällt mir nur noch eines ein:
Was für ein armseliger Staat, der sich von
unlauteren Firmen einlullen lässt.
Geld regiert die Welt.
Habt Ihr noch nicht realisiert, dass diese „Staats-institutionen“ eigentlich wie Firmen funktionieren ?
Glaubt Ihr noch an echte Volksvertreter ? UBER und etliche andere Firmen, die von Internationalen Grosskonzernen gesteuert werden haben keinen Respekt vor National oder Regional gewachsenen Strukturen. Sie übernehmen alle traditionellen, regionalen Dienstleistungen „online“ um ihr eigenes Angebot zu fördern….. Die einzige nachhaltig funktionierende Antwort auf diesen Trend ist :
Kauft nur noch Dienstleistungen direkt von lokalen Anbietern und nur gegen Barzahlung !
Dieser Kommentar wurde verfasst von einem Taxifahrer in der Schweiz, welcher wegen den illegalen Dienstleistungen von UBER in Zürich in den Konkurs getrieben wurde…. Verursacht durch Behörden, welche nicht ordnungspolitisch gegen UBER vorgegangen sind !
Ich weiß gar nicht was man sich hier aufregt. Uber wird ja von der Politik in keinster Weise gebremst, sondern Uber wird als das wahrgenommen was es ist, ein riesen Topf voller Geld für jede gefällige Tasche. Offenbar öffnet das nicht nur diese Türen . Dafür tobt man sich dann aber an den „Kleinen“ aus und reglementiert das echte Taxigewerbe zu Tode . Zumindest gewinne ich bei all den Berichten den Eindruck . Der jüngste Gag ist Hamburg, wo bald nur noch E-Taxen zulässig sind. Wegen der Umwelt versteht sich. Derweil werden Munition und Panzer angeschafft und überall hin geliefert, die ja nun wirklich nicht mit Luft und Liebe funktionieren . Auch reisen unsere Politiker ständig in der Welt umher , anstatt Videokonferenzen zu nutzen . Also warum soll man das alles ernst nehmen ?