Die Pressemeldung des Berner Regierungsrates klingt nur auf den ersten Blick alarmierend: „Taxiwesen soll liberalisiert werden“ bedeutet hauptsächlich eine Abschaffung von Nachteilen gegenüber den Mietwagen.
In der Schweiz unterscheidet sich nicht nur das Wahlrecht von Kanton zu Kanton, die 26 Kantone haben auch ihr jeweils eigenes Personenbeförderungsrecht. Der Hauptstadt-Kanton Bern will demnächst* „weniger strenge Vorgaben für Taxis“ umsetzen, wie der Regierungsrat (die Kantonsregierung) mitteilt. Unter der Überschrift „Taxiwesen soll liberalisiert werden“ ist von einem „neuen Gesetz über Taxis und Limousinendienste“ die Rede, das im März in die sogenannte Vernehmlassung gehen soll, eine Verfahrensphase in der schweizerischen Gesetzgebung, die mit der deutschen Phase der Anhörung vergleichbar ist. „Limousinendienste sollen ihre Tätigkeit künftig ohne Bewilligung erbringen können“, heißt es in der Einleitung.
Was für Deutschland und Österreich die 16 bzw. acht Bundesländer sind, sind für die viersprachige Schweiz die 26 Kantone. Dem deutschen Ministerpräsidenten und dem österreichischen Landeshauptmann entspricht in der Schweiz je nach Kanton der Regierungspräsident, Landammann oder Staatsratspräsident, der allerdings nur ähnliche Befugnisse hat wie die vier oder sechs weiteren Mitglieder der jeweiligen Kantonsregierung, die die Bezeichnungen Regierungsrat, Conseil d’État, Consiglio di Stato, Staatsrat oder Conseil-exécutif trägt.
In der Pressemitteilung wird erläutert, dass die bernische Taxigesetzgebung bislang nicht zwischen Taxis und Limousinendiensten unterscheide, wobei Taxis ein Dachzeichen haben und „beispielsweise die von den Gemeinden zur Verfügung gestellten Standplätze verwenden und Bus-Spuren befahren“ dürfen, während Limousinendienste (also Mietwagenanbieter) ihre Dienstleistungen einzig auf Bestellung erbringen und über keine Privilegien wie Taxis verfügen. Der Grosse Rat (das Kantonsparlament, oberste Aufsichtsbehörde über den Regierungsrat, Gerichte und Verwaltung) habe im Frühjahr 2023 eine Motion (einen Auftrag zur Prüfung einer Gesetzesänderung) überwiesen und den Regierungsrat, also die Kantonsverwaltung, beauftragt, die Unterscheidung gesetzlich zu verankern.
„Der Regierungsrat hat in Zusammenarbeit mit den hauptbetroffenen Gemeinden Möglichkeiten für eine Deregulierung des Taxiwesens geprüft“, heißt es in der Pressemitteilung weiter. „Die Anforderungen an Taxis werden mit dem neuen Gesetz reduziert. Beispielsweise ist das Prüfen der Ortskenntnisse nicht mehr zeitgemäss. Deshalb wird künftig auf die theoretische und praktische Eignungsprüfung von Taxifahrerinnen und Taxifahrern verzichtet.“ Diese vereinfachten Vorgaben würden den Aufwand und die Kosten für das Taxigewerbe und die Gemeinden reduzieren, sagt Regierungsrat und Sicherheitsdirektor Philippe Müller (FDP).
In der Pressemitteilung wird klargestellt, dass Taxis bewilligungspflichtig bleiben. „Sie stellen eine Visitenkarte für die Gemeinden dar. Die Kundinnen und Kunden dürfen erwarten, dass die Taxifahrerinnen und Taxifahrer den nötigen Qualitätsanforderungen genügen. Die Gemeinden werden deshalb weiterhin allfällige Vorstrafen, frühere Führerausweisentzüge und genügende Sprachkenntnisse prüfen.“
Wie in Deutschland auch haben Mietwagen, in der Schweiz spricht man von Limousinendiensten, nicht die Privilegien der Taxis wie etwa die Erlaubnis, Standplätze der Gemeinden zu nutzen und Bus-Spuren zu befahren. Sie unterliegen aber im Gegenzug auch nicht den strengen Anforderungen, die für Taxis gelten. „Anbieter von Limousinendiensten müssen sich einzig beim Kanton melden und ihre Fahrzeuge mit einer Plakette kennzeichnen, damit die Einhaltung der vom Bundesrecht vorgeschriebenen Ruhezeiten kontrolliert werden kann.“
In der Gesetzesvorlage sind die Grundzüge der Neuregelung in einem einzigen langen Absatz zusammengefasst. Hier einige verkürzte Auszüge: „Limousinendienste können künftig bewilligungsfrei erbracht werden. Die Regelungen zu den klassischen Taxis werden inhaltlich im Kern beibehalten. Die Bewilligungspflicht für das Halten und Führen von klassischen Taxis (Taxis mit Taxilampe) wird entsprechend beibehalten. Die geltenden Bestimmungen der TaxiV werden grösstenteils in das neue Gesetz überführt. Vereinzelt werden Anpassungen vorgenommen. So werden insbesondere die Eignungsprüfungen abgeschafft und neu von den Bewilligungsinhaberinnen und ‑inhabern verlangt, dass sie bei einer Ausgleichskasse versichert oder angeschlossen sind bzw. über eine Meldebescheinigung einer Ausgleichskasse verfügen. Der berufsmässige Personentransport durch Limousinendienste soll keiner Bewilligungspflicht mehr unterliegen, sondern nur noch einer Meldepflicht. Fahrzeuge, mit welchen Limousinendienste erbracht werden, sollen mit einer kantonal einheitlichen Plakette gekennzeichnet sein. Mit ihnen dürfen nur Fahrten auf Bestellung ausgeführt werden. Das Warten auf Kundschaft auf Standplätzen sowie die Aufnahme und Beförderung von Kundschaft auf deren Zuruf/Handzeichen hin sind den Taxis vorbehalten. Dasselbe gilt für das Befahren von Bus-Fahrbahnen und Bus-Streifen. Der Vollzug der Taxigesetzgebung soll weiterhin den Gemeinden obliegen. Dies hat sich bewährt.“
Der Regierungsrat eröffnete am 20.12.2024 das Vernehmlassungsverfahren zum Gesetz über Taxis und Limousinendienste. Bis zum 21. März 2025 können die Unterlagen online eingesehen und kommentiert werden. Dafür steht die Internetanwendung E-Mitwirkung zur Verfügung. Sie ermöglicht eine einfache und bequeme Erfassung der Vernehmlassungseingabe. Danach wertet die Kommission des Nationalrates die Inhalte aus und fasst sie in ihrem Bericht für den Rat zusammen.
Die Taxitarife in dem Kanton sind von der Gesetzesinitiative nicht betroffen, da das kantonale Recht hier keine Tarife festlegt.
*Auf Anfrage hat die Kantonsregierung gegenüber Taxi Times den Zeitplan erläutert: „Das Kantonsparlament wird das neue Gesetz an zwei Lesungen voraussichtlich Ende November / Anfang Dezember 2025 und im März 2026 beraten. Wenn das Gesetz in diesem Zeitplan verabschiedet und kein Referendum ergriffen wird, könnte es voraussichtlich am 1. Januar 2027 in Kraft treten.“
Die Dauer des Vorgangs könnte unter anderem mit der Anzahl der Institutionen zusammenhängen, die im Zuge der Vernehmlassung einbezogen sind: neun kantonale Behörden, 31 kommunale Behörden und Verbände (darunter Gemeinderäte von 18 Gemeinden), fünf religiöse Gemeinschaften, 18 politische Parteien und 17 weitere Verbände bzw. sonstige Organisationen.
Wer beim nächsten Urlaub im Kanton Bern in den Genuss von ortskundigen Taxifahrern kommen möchte, braucht also noch nicht hektisch die Last-Minute-Angebote aufzurufen. ar
Beitragsbild: Straße in Interlaken, Kanton Bern; Symbolfoto: Pixabay (hpgruesen)