Vor knapp zweieinhalb Jahren wurde der Basler Taxifahrer Alican S. in seinem Taxi erstochen. Der 53-jährige Beschuldigte soll zum Tatzeitpunkt unter massiven Drogeneinfluss gestanden haben. Mit der Frage der Schuldfähigkeit und der Höhe des Strafmaßes beschäftigt sich ab heute das Basler Strafgericht.
Taxi ist wertvoll – es befördert rund um die Uhr Fahrgäste aller Art, sicher von A nach B. Aufgrund der Beförderungspflicht muss prinzipiell jeder potentielle Fahrgast befördert werden – es sei denn es geht beispielsweise offensichtlich ein Risiko von ihm aus. Im Basler Fall konnte der Taxifahrer diese Gefahr jedoch nicht erahnen – obwohl der Täter schon mehrfach polizeilich in Erscheinung getreten ist.
Mehreren Medienberichten zufolge wird dem Beschuldigten mehrfacher Diebstahl, versuchter Raub und Mord zur Last gelegt. In der Anklageschrift werde dargestellt, wie das Leben des Beschuldigten durch seinen Drogenkonsum und den damit verbundenen Geldproblemen vor der Tat zunehmend außer Kontrolle geraten sei. Auch die Ehefrau und die drei Kinder des Angeklagten seien davon erheblich betroffen gewesen. Offenbar musste die Polizei wiederholt wegen häuslicher Gewalt Beistand leisten und der Beschuldigte aufgrund seines Drogenmissbrauchs mehrfach stationär aufgenommen werden. Die behandelnden Ärzte diagnostizierten im Vorfeld eine psychische Störung sowie eine durch den jahrelangen Drogenkonsum verursachte Verhaltensstörung. Diverse Entzugs- und Eingliederungsversuche seien in der Vergangenheit erfolglos geblieben. Während der Teilnahme eines Integrationsprogramms bei der Gemeindeverwaltung Münchenstein soll er mehrere hundert Franken aus der Empfangskasse entwendet haben. Der Beschuldigte hätte zeitweise täglich unter massiven Drogeneinfluss gestanden, während sich seine Schulden zeitgleich weiter anhäuften. Auch am Tag der Tat habe er, eigenen Angaben zufolge, in einem Basler „Fixerstübli“ Kokain und Alkohol konsumiert.
Anschließend habe er in einem Supermarkt ein Tranchiermesser geklaut – mit dem Vorsatz, ein Taxi auszurauben. Am Taxistand nahm er mit hochgezogener Kapuze bei Alican S. auf dem Rücksitz Platz. Nach wenigen hundert Metern endete die Fahrt bereits wieder in einer Seitenstraße. Mutmaßlich griff der Beschuldigte anschließend in Richtung Vordersitz, um an das Geld des Opfers zu gelangen. Der Fahrer konnte dies offenbar verhindern. Daraufhin soll der Beschuldigte das Opfer von hinten gepackt und vier Mal auf es eingestochen haben. Laut Anklageschrift wurden mehrere Passanten Zeuge davon, was im stehenden Taxi geschah. Eine Frau habe den Täter lautstark aufgefordert, vom Opfer abzulassen. Daraufhin sei der Beschuldigte aus dem Fahrzeug gestiegen und habe mehrfach ungefragt seine Unschuld gegenüber den Anwesenden beteuert. Er habe behauptet, vom Fahrer angegriffen worden zu sein. Anschließend sei er vom Tatort geflohen. Die sofort eingeleitete Polizeifahndung blieb zunächst erfolglos. Taxi Times hatte den damaligen Fahndungsaufruf veröffentlicht. Erst fünf Tage später konnte der Tatverdächtige in der Nähe seiner Wohnung festgenommen werden. Alican S. erlitt so schwere Verletzungen, dass er trotz Reanimationsversuchen durch die Rettungskräfte noch am Tatort verstarb. Laut Staatsanwalt Sasha Stauffer soll der Beschuldigte das Opfer aus „äußerst egoistischen“ und „ausschließlich finanziellen“ Motiven getötet haben. Sein Handeln wurde als besonders rücksichtslos und heimtückisch beschrieben, da der Taxifahrer keine Möglichkeit gehabt habe, sich zu wehren oder gar das Fahrzeug zu verlassen.
Die Frage, ob der Beschuldigte schuldfähig ist, wird wahrscheinlich eine der wichtigsten Punkte in der Verhandlung sein. Der Beschuldigte ist grundsätzlich geständig, weshalb er auch seit dem 28. Juli 2023 den vorzeitigen Strafvollzug angetreten hat. Ein neues Gutachten belege allerdings, dass seine Schuldfähigkeit nur eingeschränkt sei. Sein planmäßiges Vorgehen und auch sein Verhalten nach der Tat wirke aber auf den ersten Blick wiederum rational. Marco Albrecht, der Anwalt der Witwe, die sich im Verfahren als Privatklägerin vertreten lässt, hielt das Gutachten für unzureichend und kündigte an, entsprechende Beweisanträge zu stellen. „Für uns ist das Leben an jenem Abend stehengeblieben“, wird Céline S in einem Bericht der Basler Zeitung zitiert. Die Mutter zweier Söhne kämpfe seitdem gegen das Vergessen und dafür, dass ihrem Mann Gerechtigkeit widerfahre. Am 29. April 2023 leitete sie einen öffentlichen Trauermarsch, der entlang der Route führte, auf der Alican S. zuletzt unterwegs war. Währenddessen fuhren kaum noch Taxis in der Stadt. Seitdem setzt sie sich unermüdlich dafür ein, dass der Fall im öffentlichen Bewusstsein bleibt und der Täter eine gerechte Strafe erhält. Für die Verhandlung sind mehrere Prozesstage angesetzt worden. Im Falle einer Verurteilung wegen Mordes drohen dem Beschuldigten mindestens zehn Jahre Freiheitsstrafe. nu
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