Zum zweiten Mal war Stefan Gelbhaar (Bündnis 90/Die Grünen) im Erfolgsformat „TMV direkt“ zu Gast, zeigte sich erneut als meinungsstarker Kenner der gewerblichen Fahrgastbeförderung und unterstützte viele der vorgetragenen Ideen. Gleichzeitig blockte er aber beispielsweise klar beim Thema E-Fuel, dessen Förderung er im Gegensatz zu vorigen Gästen als abwegig sieht.
Der erste „Besuch“ des grünen Berliner Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar bei „TMV direkt“ liegt gut ein Jahr zurück. Schon damals fiel auf, wie differenziert dem Verkehrsexperten der Grünen die Uber-Mietwagen-Problematik aus Gewerbesicht bewusst war. Zu Zeiten des Ringens um die Novelle des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) war Gelbhaar einer der wenigen Politiker, die recht eindeutig Position gegen diesen Global-Player bezogen. Auch bei seinem neuerlichen Besuch nahm Gelbhaar die vielfältigen Anregungen und Sorgen des Gewerbes sehr kompetent wahr und versprach für viele Details Unterstützung im Rahmen seiner Möglichkeiten.
In seinem Eingangsstatement positionierte sich der Jurist zu der von Gästen aus der FDP-Fraktion immer wieder geforderten „Technologieoffenheit bei den erneuerbaren Energien“, womit meist eine E-Fuel-Förderung gemeint ist. Wind und Sonne stünden langfristig kostenfrei zur Verfügung, während andere Energieformen langfristig kaum zu bezahlbaren Preisen in ausreichender Menge zur PKW-Nutzung verfügbar sein könnten. Daher könnten E-Fuels kaum Teil der notwendigen Energiewende sein, die Grünen seien somit sicherlich technologieoffen, aber bestimmt nicht dumm.
In der weiteren Diskussion kristallisierten sich andere Themen heraus, die die Branche aktuell bewegen. Allen voran war dies die Ausgestaltung der kleinen Fachkunde, welche derzeit die entscheidende Phase durchläuft. Gelbhaar regte an, wieder regionale Aspekte in die Prüfung mit einzubringen, damit sichergestellt sei, dass Taxi- und Mietwagenfahrer und -fahrerinnen auch am ersten Tag zumindest mit der Lage der lokalen Krankenhäuser vertraut seien. Dem Einwand aus der Diskussionsrunde, dass die Fahrerlaubnisverordnung (FEV), in deren Geltungsbereich die kleine Fachkundeprüfung ja angesiedelt sei, lediglich eine Überprüfung sicherheitsrelevanter Kenntnisse erlaube, nahm Thomas Grätz als erfahrener Jurist den Wind aus den Segeln, indem er darauf verwies, dass auch die alte Ortskundeprüfung über lange Jahre hier zu Hause gewesen sei, ohne dass sich jemand daran gestört habe.
Im Zusammenhang mit der enorm langen Umsetzungsphase von mehr als zweiundzwanzig Monaten für die gesetzlich vorgegebene kleine Fachkundeprüfung teilt Gelbhaar den Unmut der Branche. Dies gelte insbesondere, weil er sich nur schwer vorstellen können, wie man jetzt damit umgehen wolle, dass es nicht wenige Kollegen gäbe, die seit knapp zwei Jahren im Taxi unterwegs seien, in naher Zukunft aber noch nachträglich zur Prüfung zu laden seien. Allerdings habe man im Bundestag kaum Möglichkeiten, hier Beschleunigung zu bewirken.
Ähnlich wertete er den Hinweis, dass bei allen guten Ideen im neuen PBefG durch die fehlende Bußgeldbewehrung der Hebel fehle, um diese Regelungen auch auf die Straße zu bringen. Schon während der Diskussion um die PBefG-Reform sei ihm dieses Manko zwar bewusst gewesen, die Reform sei damals aber nicht anders realisierbar gewesen. Speziell bei der Umsetzung der Mobilitätsdatenverordnung im Gelegenheitsverkehr sieht Gelbhaar noch Chancen über den Umweg des übergreifenden Mobilitätsdatengesetz, dessen Entwurf im Sommer diskutiert werde. Allerdings nahm Gelbhaar gern die Anregung aus der Runde auf, das Verkehrsministerium (BMDV) zur Berichterstattung über den Erfolg oder Misserfolg des neuen PBefG aufzufordern. Üblicherweise kämen die Ministerien ihrer Berichtspflicht über neue Gesetzes eher nach fünf als schon zwei Jahren nach, allerdings gebe es ein gewisse Dringlichkeit, die eine vorzeitige Evaluation durchaus rechtfertigen könne.
Etwas optimistischer verlief die Diskussion um das Inklusionstaxi und die gemeinsame Idee von Sozialverband und Taxigewerbe, diese zukünftig im Sozialgesetzbuch (SGB) zu verankern. Mit dieser Maßnahme könnten Inklusionstaxis ähnlich dem ÖPNV für berechtigte Nutzer unentgeltlich nutzbar werden und zumindest dem Inklusionstaxi den Weg zur Teilhabe an den dafür verfügbaren Mitteln ebnen. Gelbhaar lobte den Vorschlag als „schlaue Idee“ und versprach Unterstützung. Im Rahmen dieser Frage nahm Gelbhaar auch den Hinweis aus der Runde mit, die leidige Genehmigungspflicht von Krankentransportscheinen im Vorfeld der Fahrten zu hinterfragen.
Einig war man sich beim Thema 49-Euro-Ticket, dass erst die Integration der letzten Meile – zwangsläufig mit dem Taxi – eine wirklich runde Sache daraus mache würde. Interessant war, dass auch Gelbhaar sich sehr bewusst ist, dass viele vermeintliche innovative Mobilitätsprojekte inzwischen kaum noch der Entwicklung neuer Konzepte dienen würden. Inzwischen gebe es über 80 Projekte dieser Art, die vielfach über Drittanbieter realisiert würden und sich daher kaum noch mit dem Attribut innovativ schmücken dürften.
Auch Gelbhaar sieht die Chance zur Mobilitätswende eher in der Kooperation der vorhandenen Anbieter – und liegt somit ganz auf Linie des Gewerbes. Zusätzlich erkannte auch Gelbhaar die Notwendigkeit, standortbezogene Modelle zu erarbeiten, differenziert nach Land, Stadt und Metropolen. Gerade für die ersten beiden wären Taxi und Mietwagen in den Randzeiten unverzichtbare Ergänzungen zu Bus und Bahn, da deren Betriebskosten doch weit über denen des Gelegenheitsverkehrs lägen. Diese Feststellung hatte vor einigen Monaten auch schon der Mobilitätsforscher Andreas Knie aus Berlin bei seiner TMV-direkt-Visite vorgetragen. Nun wäre es wünschenswert, wenn diese „Berliner“ Erkenntnis sich auch auf kommunaler Ebene durchsetzen würde, damit der Begriff ÖPNV-Taxi sich weiter mit Leben füllen kann.
TMV direkt wird am 12. Juni von 10 bis 11 Uhr fortgesetzt, diesmal mit dem CDU-Abgeordneten Micheal Donth – und damit erneut ein Wiederholungstäter bei TMVdirekt. rw
Beitragsbild: Screenshot TMV
Und immer wieder das alte Märchen Wind und Sonne wären kostenlos. Ungefähr so sinnvoll wie die Idee der Bürger von Schilda, das Licht in Körben in ihr dummerweise fensterloses Rathaus zu tragen.