Rund 30 Teilnehmer haben sich am vergangenen Wochenende zu einem Think-Tank getroffen. Diskutiert wurde die aktuelle Situation des Taxigewerbes – mit dem Anspruch, bei der Lösungssuche das Taxi neu zu denken.
Als Think-Tank bezeichnet man üblicherweise Diskussionsrunden, bei denen alle Teilnehmer untereinander in einen regen Gedankenaustausch (Brainstorming) zu bestimmten Themen gehen. Um dies auch mal aus Taxisicht zu machen, hatte der Taxi- und Mietwagenverband (TMV) eingeladen, als Gastgeber fungierte der Landesverband (LV) Bayern. Dessen Geschäftsführer Christian Linz übernahm die Moderation anstelle des kurzfristig erkrankten TMV-Geschäftsführers Patrick Meinhardt, der zu Beginn ein Grußwort an die 30 Teilnehmer verlesen lies.
Im Anschluss daran gedachte man dem am Tag zuvor verstorbenen Werner Möllmann, der seit November Vorstand der Hamburger Hansa-Funk war. Genaueres dazu wusste Thomas Sell zu berichten, früherer Taximann der Telekom und heute unter anderem für das Marketing bei Hansa zuständig. Möllmann war nach kurzer und schwerer Krankheit einem Krebsleiden erlegen. Schon während seiner Krankheit war der bisherige Aufsichtsratsvorsitzende Jan Weber zum dritten Vorstand ernannt worden. Er wird nun die Hamburger Taxizentrale gemeinsam mit Ozan Baltaci leiten. Die für August geplante 50-Jahr-Feier der Genossenschaft wurde abgesagt.
Bei bester Gesundheit präsentierte sich der bald achtzigjährige Hans Meißner, früherer Chef der Taxi München eG und Präsident des damaligen BZP (heute BVTM) und heutiges Alterspräsident des TMV. Sein Appell war eindeutig: Wenn sich die beiden Taxiverbände TVM und BVTM nicht bald zusammenschließen, sehe er schwarz für die Branche. Bis 1981 wäre die Branche schon einmal durch zwei Verbände vertreten gewesen, das sei, so Meißner „ganz schlecht gewesen“. Widerspruch kam zu diesem Vereinigungswunsch vor allen von den beiden Geschäftsführern des LV Bayern (Christian Linz) und der Fachvereinigung Nordrhein, Dr. Michael Stehr.
Meißner gab anschließend einen historischen Rückblick auf die bis 2021 gültige Ortskunde. Diese war 1960 eingeführt worden und wurde 1998 rechtlich in die Fahrerlaubnisverordnung (FEV) überführt. Als große Zäsur bezeichnete Meißner die Abschaffung der Ortskunde für Mietwagen im Jahr 2017.
Thomas Grätz, als früherer Geschäftsführer ebenfalls im Dienst des damaligen BZP und heute als juristischer Berater des TMV tätig, stellte dann die Frage, ob eine seit 2021 theoretisch eingeführte, aber praktisch noch nicht umgesetzte Kleine Fachkunde für angehende Taxi- und Mietwagenfahrer heute noch nötig sei. Seine Antwort: „Ja, ja,ja“.
Daraus entstand dann eine lebhafte Diskussion unter den 30 Think-Tank-Teilnehmern, bei der sich die bunte Mischung aus Funktionären, Taxi- und Mietwagenunternehmern verschiedener Größen und Zentralenvorständen als sehr fruchtbar erwies. Während die ländlich geprägten Unternehmer auf die Fachkunde gerne weiterhin verzichten würden, halten sie die städtisch geprägten Vertreter für unabdingbar. Ganz im Sinne von „Taxi neu denken“ wurden auch Lösungen diskutiert. Beispielsweise sollte man darauf drängen, die Unternehmerprüfung zu verschärfen. Wobei auch das weiterhin ins Leere läuft, wenn diejenigen, die eine solche Prüfung nicht bestehen, dann Verwandte oder andre Menschen als Schein-Geschäftsführer für wenige Hundert Euro Lohn einsetzen können. Um wenigstens trotz immer noch nicht vorhandener Kleiner Fachkunde wenigstens im Taxibereich wieder mehr Qualität auf die Straße zu bringen, sollten Taxizentralen die Qualität über einen strengeren Funkzugang steuern.
Thomas Kanzler, seit kurzem Chefredakteur des Magazins taxi heute, stellte anschließend die Zukunft des Taxigewerbes aus seiner Sicht dar – wobei seine Sicht die eines Fahrgastes ist, der als Kunde durchaus mit manchen Dienstleistungsmängeln konfrontiert ist. Kanzler vertrat aber andererseits auch die klare Meinung, dass die Taxibranche einen hohen Stellenwert genießt und dass die Leistung, die hinter dieser Branche steckt, von den Gewerbeverbänden besser publik gemacht werden sollte. Als Redakteur eines Taxi-Fachmagazins wünschte er sich, dass die Verbände bei ihrer PR-Arbeit vielseitiger berichten. Immer nur zu berichten, wer mit welchen Politikern gesprochen habe, sei zu einseitig.
Thomas Sell, für den Think-Tank extra aus Hamburg ins bayerische Oberland angereist, hatte für eine erfolgreiche Zukunft des Taxigewerbes in seinem Vortrag gleich mehrere Vorschläge in der Tasche. Angefangen von einem erfolgreichen Wechsel vom Verbrenner zur Elektromobilität über den Appel, sich über Ausschreibungen an Linienverkehrsprojekten in den ÖPNV einzuschleusen bis hin zu einer positiven Selbstdarstellung in Form von kleinen Videosequenzen. Die Branche müsse sich zudem als eine große Marke verstehen, die 36.000 Unternehmen vertritt. Wenn das gelingt, lassen sich mit der Wirtschaft lukrative Rahmenverträge abschließen.
Im Anschluss hielt Christian Linz einen Impulsvortrag zur Frage, wie die Branche wettbewerbsfähig bleiben kann.
Im Anschluss daran ging es dann so richtig in das Brainstorming. Das Taxi, so eine der vielen Erkenntnisse, ist derzeit nur dann gefragt, wenn die Menschen einen Bruch in ihrer Mobilitätskette haben – wenn beispielsweise das eigene Fahrzeug kaputtgeht oder die Bahn nicht fährt. Ganz wichtig ist auch hier, die Perspektive des smartphone-affinen Kunden einzunehmen. Doch damit nicht genug: Ein Teilnehmer, der betriebliche Krankenversicherungen vertreibt und aus dem Bereich der Wirtschaftspsychologie stammt, wagte die Prognose, dass die Auswahl der besten Verkehrsmittel für die Reiseplanung künftig KI-gesteuert ablaufen wird. Daher müsse man schleunigst dafür sorgen, dass „Taxi“ ein Teil dieser Künstlichen Intelligenz wird und als Markenzeichen wahrgenommen wird.
Was spricht beispielsweise dagegen, dass in jedem Taxi ein QR-Code angebracht ist, über den die Fahrgäste wichtige Zusatzinfos zu ihrer Fahrt erfahren und in dem man die Qualität dieser Fahrt bewerten kann. Parallel dazu muss man sich auch mit der Frage beschäftigen, was sich Menschen wünschen, die bisher noch keine Taxifahrgäste sind. Es war irgendwie typisch für die Taxibranche, dass diese Vorschläge von einem branchenfremden Teilnehmer gemacht wurden.
Taxi neu denken bedeutet, Taxi aus Sicht des Kunden zu denken. Davon ist auch Jürgen Hartmann überzeugt, Geschäftsführer des Taxi-Times-Verlags. Er hatte in seinem Vortrag auf die Uber-Historie zurückgeblickt – mit der Erkenntnis, dass man sich allmählich auf einen Wettbewerb auf Augenhöhe mit Uber & Co. zubewege, den man nur für sich entscheiden kann, wenn man dann als Taxibranche tatsächlich das bessere Angebot hat. Was dazu alles nötig ist, wurde anschließend in aller Ausführlichkeit diskutiert. Taxi Times wird dies in einer gesonderten Meldung zusammenfassen, ebenso wie die Vorträge und Diskussionen zu diversen Vorträgen von Vertretern der Taxi-Industrie zu Kfz-Versicherungen, betrieblichen Krankenversicherungen, TSE-Lösungen, ÖPNV-Taxi und flächendeckende bargeldlose Bezahlung.
Dass man gerade bei dem letzten Punkt auf viele unternehmerische Widerstände trifft, dies aber für eine Zukunft der Taxibranche unverzichtbar ist, waren sich alle Teilnehmer dieses Think-Tanks einig. Jetzt gilt es nur noch, mit dieser Botschaft auch bei allen Taxi- und Mietwagenunternehmer auf offene Ohren zu stoßen. jh
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Alle Fotos: Taxi Times