Das wäre zu schade, es nur ein einziges Mal aufzuführen, fanden viele Besucher der gegen Uber und andere Milliardenkonzerne gerichteten Kunst-Aktion letzten Freitag in Berlin.
Seit dem Taxi-Film-Fest während der Berlinale ist in der Hauptstadt regelmäßig die Tagespresse dabei, wenn aus dem Taxigewerbe jenseits der offiziellen Branchenvertretungen etwas Bemerkenswertes kommt. Vielleicht werden Taxi-Demos gegen Uber, womöglich mit Hupkonzert, bzw. gegen eine Politik, die es lange versäumt hat, dem illegalen taxigleichen Verkehr durch Uber & Co. einen Riegel vorzuschieben, auch einfach von der Mainstreampresse nicht als bemerkenswert genug angesehen.
Dass aus dem Taxigewerbe aber auch das eine oder andere geistreiche und kreative Stück Kultur hervorgehen kann, erlebte eine – wenn auch wegen des Nieselregens viel zu kleine – Öffentlichkeit bei der angekündigten Kunstaktion am vergangenen Freitag in Berlin-Friedrichshain am Platz der Schwarzarbeit (offiziell seit jenem Tag „Uber-Platz“) vor dem visuellen Hintergrund der (in Teilen des Taxigewerbes so bezeichneten) Arena der organisierten Kriminalität (offiziell seit jenem Tag „Uber-Arena“).
Einerseits war der Platz vor der größten Mehrzweckhalle Berlins der thematisch am besten passende Ort für die Aufführung (Taxi Times berichtete), die besser auf die Straße und in die Öffentlichkeit passt als auf eine Theaterbühne. Da der eigentliche Platz mit dem neuen, schlimmen Namen kein öffentliches Straßenland, sondern im Besitz eines Konzerns ist, war die Fläche für die Aktion tabu, so dass der mäßig breite Gehweg der Mühlenstraße genutzt werden musste. Das brachte andererseits den Nachteil mit sich, dass jeder Zuschauer die Aufführung aus einer Perspektive erlebte, die ihn bestimmte Details besser wahrnehmen ließ als andere, die an anderer Stelle stehende Personen wiederum bewusster wahrnehmen konnten.
Unter den Besuchern befand sich Tino Schopf, der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin, der sich seit Jahren für das Taxigewerbe einsetzt und sich besonders in den letzten Monaten sehr kritisch über Uber und das diesbezügliche Versagen der Landespolitik in den letzten acht Jahren geäußert hatte. Die Umbenennung der Mercedes-Benz-Arena in „Uber-Arena“ hatte er als „Schlag ins Gesicht“ für die unterdurchschnittlich entlohnten Fahrerinnen und Fahrer des Vermittlers bezeichnet. Ihm wäre es lieber gewesen, der Platz wäre nach Marlene Dietrich benannt worden. (Einen Marlene-Dietrich-Platz gibt es in Berlin allerdings bereits, und erst vor Kurzem gingen – wenn auch ohne Nennung des Platznamens – Bilder von dort um die Welt.) Schopf betonte gegenüber dem „Tagesspiegel“, der Platz mit zwei großen kulturellen Veranstaltungsorten sei nun nach einem Konzern benannt worden, dessen Geschäftsmodell auf Sozialdumping beruhe. Das sei eine Schande. „Wir müssen die Berliner Kultur beschützen.“
Ebenfalls von der Aktion beeindruckt zeigte sich der freie Journalist Rumen Milkow, ehemaliger Radiomoderator und zeitweise Kolumnist für Taxi Times. Er klärt mit gut recherchierten Artikeln über die Geschäftspraktiken von Uber auf. Seit seiner letzten Taxischicht in Berlin vor vier Jahren ist er nach eigenen Worten „nicht nur weg von der Straße, sondern auch von Berlin“. Mit dem Taxifilmfest am Potsdamer Platz und der „Performance an der East Side“ habe sich für ihn ein Kreis geschlossen: „Trotz aller bedenklichen Entwicklungen im Mietwagengewerbe ist es den Taxi-Kollegen gelungen, sich nicht die Stimmung vermiesen zu lassen, sondern die Dinge mit Humor zu nehmen. Sagten wir früher, ‚was bleibt uns? Walter Ulbricht!’, so muss es heute heißen: ‚Was uns bleibt, ist der Humor!’ Ich danke allen Kollegen für das gelungene Kulturprogramm, namentlich Klaus Meier, Irene Jaxtheimer und Stephan Berndt. War schön, Euch wieder zu sehen. Haltet die Ohren steif!“
Der Geschäftsführer des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen e. V. (BVTM), Michael Oppermann, ließ es sich nicht nehmen, der Aktion persönlich beizuwohnen. Sein Fazit: „Die Aktion unserer Kolleginnen und Kollegen macht deutlich: Die Plattform mag mehr Geld haben und ihren Namen an die Arena kleben, aber das Taxigewerbe hat mehr Herz, Hand und Verstand. Eine kreative, etwas verrückte Aktion, fröhlich vorgetragen trotz des ernsten Themas. Im Kampf David gegen Goliath zeigen wir damit gemeinsam: David wird nicht müde. David gibt nicht auf.“
Auch der Taxi- und Mietwagenverband zeigte sich mit den veranstaltern solodarisch. Büroleiter Philip Schmidt war vor Ort. Laut TMV müsse die Uberisierung Berlins gestoppt werden. Man stelle sich bei solchen Entwicklungen die Frage, was nach der Uber-Arena, der Uber Eats Music Hall und dem Uber Platz als nächstes komme. Mit Blick auf weitere Sponsoring-Aktivitäten dürfe der Berliner Senat den Verdrängungswettbewerb mit Dumpingpreisen von Uber und Co. gegen das seriöse Taxigewerbe und die schleichende Landnahme unseriöser Beförderungsunternehmen im Stadtbild der Bundeshauptstadt nicht länger hinnehmen.
Der Vizepräsident des Bundesverbandes, Hermann Waldner, zugleich Inhaber und Geschäftsführer der Funkgesellschaft Taxi Berlin, der – wie auch beim Taxi-Film-Fest im Februar – die Kosten der Aktion trug, war gemeinsam mit seinem Marketingleiter Jens Schmiljun in die Vorbereitungen involviert gewesen. Beide waren von der Umsetzung begeistert. Waldner sagte im Interview zu Taxi Times, er fände die Veranstaltung „klasse, einfach mal etwas Anderes“, als immer nur mit ernsten Gesichtern zu protestieren. Die Aktion sei diesmal nicht auf eine möglichst hohe Besucherzahl angelegt gewesen, sondern auf eine große Öffentlichkeitswirkung, „dass es in die Medien geht, dass es weite Verbreitung findet und nicht nur eine Randnotiz ist“. Seiner Einschätzung nach habe die Aktion Potential dafür.
Was die direkte Intention betrifft, sei es natürlich bedauerlich, dass die Politik gegen die Benennung der Arena durch eine Firma machtlos sei, was ebenso für das Taxigewerbe gelte, doch könne der Besitzerin und Betreiberin der Anlage, der Anschutz Entertainment Group aus Los Angeles, die Öffentlichkeitswirkung auch nicht völlig egal sein. Waldner selbst sei es als vorausdenkendem Unternehmer jedenfalls nicht egal, ob er mit einer Firma kooperiere, die Schwarzarbeit unterstützt. Er wünscht sich, dass Anschutz überdenkt, mit wem man sich da verbündet hat, da dies durchaus einen Imageschaden bedeuten könnte.
An Waldner als Berlin-Kenner stellte Taxi Times noch die Frage, ob es den bekannten und beliebten Sportvereinen Alba Berlin und Eisbären Berlin denn recht sein könne, dass sie künftig in einer Halle mit einem Namen spielen würden, der einen mit einer halb kriminellen Organisation in Verbindung bringe. Waldner vermutet, die Vereine würden gar nicht gefragt: „Es ist ein Deal, da geht es um sehr viel Geld, und die Vereine brauchen ja auch Geld, die müssen ihre Profis bezahlen – und verdienen meistens auch gar nicht so schlecht.“ Auch, wenn es dem einen oder andere vielleicht nicht gefalle, aber die Vereine hätten daran nicht mit entschieden, so dass man es ihnen auch nicht vorwerfen könne.
Auf die Frage, wie das Taxigewerbe nun weiterkämpfe, sagte Waldner: „Wir müssen aufklären, müssen die Öffentlichkeit darüber informieren, was Uber eigentlich macht.“ Man habe dabei vor Kurzem insofern große Erfolge gehabt, als der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) und das ARD-Magazin „Kontraste“ die Thematik aufgegriffen haben. Dadurch wüssten inzwischen viele in Deutschland, auch international, wie Uber arbeitet: Dass man sehenden Auges Aufträge mit schwarzarbeitenden Mietwagenfahrern und nicht angemeldeten Mietwagen abwickeln lasse. „Das wird den Kunden von Uber auch nicht völlig egal sein, da bin ich mir sicher. Je mehr wir daran erinnern, dass es so ist, desto besser vielleicht für’s Taxigewerbe.“ Somit sei er mit der künstlerischen Aktion „sehr zufrieden; es waren tolle, verrückte Bilder, die auch zu Berlin passen, und die trotzdem eben viel ausgedrückt haben.“ Die Leistung der mitwirkenden Performance-Künstler habe ihn sehr beeindruckt.
Das traf auf einen Großteil der Besucher zu: Bei der Aufstellung zum Gruppenfoto der meisten Mitwirkenden nach Ende der Aufführung gab es von den Zuschauern langen, begeisterten Applaus. Im Publikum befanden sich neben Gewerbevertretern wie Ahmad Vahdati, Michael Klewer und Philip Schmidt auch Angehörige und Bekannte der Mitwirkenden, mehrere Eishockey-Fans, die nicht mit der Umbenennung der Stammhalle ihrer Lieblingsmannschaft einverstanden waren sowie aufmerksam gewordene Passanten. Den Abschluss bildete eine kurze, anerkennende Ansprache von Stephan Berndt: „Wir werden den Schwachsinn nicht aufhalten, aber wir setzten auf jeden Fall ein Zeichen dagegen.“ Er dankte Klaus Meier und Irene Jaxtheimer, mit denen er die Aktion auf die Beine gestellt hatte, sowie den Fahrern, die als Laiendarsteller mitgemacht hatten.
Nicht nur für das Taxi-Times-Team war es beinahe selbstverständlich, dass die Idee, der Aufwand und die Vorbereitungen für die Veranstaltung mehr als nur dieses eine Mal zur Geltung kommen sollten. Die Vorstellung, Wiederholungen der Performance würden etwa am Rande einer Messe, am umkämpften Taxihalteplatz des Berliner Hauptbahnhofs oder im besten Fall sogar am Hauptstadtflughafen BER stattfinden, würde eine enorme Befeuerung der Aufklärungsarbeit über die Geschäftspraktiken von Uber & Co. verheißen. Irgendwann muss die Öffentlichkeit die in Dauer-Wiederholungsschleife wiederholten Märchen der Uber-Verklärer durchschauen. ar
Fotos: Taxi Times