Kurz vor dem Jahreswechsel ließ das Wall-Street-Journal mit einem Bericht aufhorchen, wonach Plattformen wie Uber und Deliveroo derzeit intensiv mit europäischen Gewerkschaften verhandeln. Der Druck auf die Klassifizierung der Mitarbeiter im Fahr- und Lieferbereich hat die Plattformen zu diesem Schritt bewogen.
Uber und Co wollen damit eine Gesetzgebung umgehen, die Europäische Gig Economy Arbeiter als vollwertige Angestellte einstufen würde. Ihr Ziel ist es, durch positive Verhandlungen einzelne Abschlüsse mit den jeweilgen Gewerkschaften zu erzielen. Eine gemeinsame europäische Strategie oder gar eine geschlossene Front fehlt derzeit bei den nationalen Gewerkschaften.
Ubers Vorbild ist dabei jener Deal, den beide Unternehmen im September letzten Jahres in Italien abgeschlossen haben. Ein Arbeitsvertrag mit einer italienischen Gewerkschaft garantiert den Arbeitnehmern einen Satz von zehn Euro pro Stunde, drei Euro mehr als der Mindestlohn. Der Deal soll nun auch woanders ausgehandelt werden. Er beinhaltet keine bezahlte Freizeit, sondern deckt die Ausrüstung der Arbeitnehmer, Versicherungen und Tarifverhandlungen ab.
In vielen europäischen Ländern ist Uber in Gerichtsverfahren verwickelt, weil man der Klassifizierung von Gig Workers als Angestellte entkommen will. Eine erste Schlappe musste man dazu im Frühjar 2020 in Frankreich hinnehmen. Im Vereinigten Königreich beispielsweise hat Uber beim Obersten Gerichtshof Berufung eingelegt,nachdem die Vorinstanz Arbeitnehmer, welche die App des Unternehmens verwenden, tatsächlich als Mitarbeiter des Unternehmens eingeordnet hat. Eine Entscheidung der höchsten richterlichen Instanz steht noch aus.
Auch in den Niederlanden laufen zwei ähnliche Verfahren: Eines wurde vor kurzem von der größten niederländischen Gewerkschaft FNV angestoßen. Sie verlangt, dass Uber akzeptiert, Arbeitgeber zu sein und Fahrer gemäss nationaler Taxi-Arbeitsbedingungen als Arbeitnehmer einstellt und bezahlt. In einem ähnlichen Verfahren, von einigen ehemaligen Uber-Fahrern aus England und Portugal eingereicht, geht es um den transparenten Einblick in die Daten des Uber-Algorithmus.
Jener Algorithmus führt häufig zu Sperrungen einzelner Fahrer innerhalb der App. Für die betroffenen Fahrer kommt dies einer Kündigung gleich, welche wiederum nicht rechtens ist, wenn der Fahrer als Angestellter zu werten wäre.
Bei der juristischen Klärung dieser Frage kommt es bisher zu unterschiedlichen richterlichen Interpretationen. In der Schweiz beispielsweise hat ein Obergericht einen gesperrten Uber-Fahrer als Angestellten eingestuft und somit seiner Klage zugestimmt.
Ein Fahrer in Neuseeland hatte dagegen Pech. Auch er war vom Uber-Algorithmus automatisch und ohne Begründung gefeurt worden. Hier entschied das Gericht, dass der Fahrer kein Arbeitnehmer war, betonte dabei aber, dass “die Untersuchung sehr faktenspezifisch ist und sich nur mit der Situation [des Klägers] befasst.“ Inwieweit dieses Urteil die Frage des Beschäftigungsstatus aller Uber-Fahrer in Neuseeland lösen wird, bleibt daher abzuwarten.
Die Gig-Plattformen behaupten, dass eine Änderung der Klassifizierung der Arbeitnehmer den Fahrern ihre Flexibilität entziehen und zum Verlust von Arbeitsplätzen führen würde. Eine Entscheidung in Genf, bei der Uber Eats angewiesen wurde, keine unabhängigen Vertragspartner mehr in der Region Genf einzusetzen, habe angeblich 1.000 Arbeitsplätze vernichtet, da nur 300 Fahrer Aufträge erhielten. wf
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