Als der neue ‘Taxiplan’ für Brüssel am letzten Dienstag in zwei Parlamentsausschüssen diskutiert wurde, protestierten getrennt voneinander sowohl Taxi- wie auch Plattformfahrer. Das zeigt, wie schwierig ein faires Taxigesetz umzusetzen ist – und erklärt, warum die neue Taxi- und Plattformregulierung nun erst am 22. Oktober kommen soll.
Beide Interessengruppen fordern Garantien im neuen Plan des Brüsseler Premierminister Rudi Vervoort zur Modernisierung des Sektors. Vervoort hatte diesen im Oktober 2021 vorgelegt und strebt darin ein einheitliches Statut an, was bedeutet, dass die VVC(Limousine)-Lizenz wegfällt. Die wurde von den Plattformen missbraucht (und von den Behörden langen toleriert) um ihre Dienste in der Belgischen Hauptstadt anzubieten.
In der neuen Taxiverordnung – Brüssel hat als Region eine eigene Taxipolitik, wie auch Flandern und Wallonien im föderalisierten Belgien – bleiben die Beschränkung für die Anzahl der Taxis, die Qualitätsanforderungen an die Dienstleistung und die regulierten Tarife bestehen. Neu ist, dass bald drei Kategorien von Taxifahrzeugen in der Stadt herumfahren werden: die ‘Taxistandtaxis’ (die aktuellen schwarzen Taxis mit Streifen in Schwarz und Gelb), die ‘Straßentaxis’ (früher die VVC-Fahrzeuge) und die ‘Zeremonienfahrzeuge’ (die ehemaligen Limousinen, die für mindestens drei Stunden reserviert werden müssen und für besondere Anlässe vorgesehen sind).
Die Plattformfahrer (Uber & Co) finden den neuen Taxiplan besonders diskriminierend und meinen, dass traditionelle Taxifahrer bevorzugt werden, weil es in der Hauptstadt eine Höchstzahl an Fahrern geben wird. Viele Uber-Fahrer bangen deshalb um ihren Job. “Es ist an der Zeit, dass wir in Ruhe gelassen werden und unseren Lebensunterhalt unter guten Bedingungen verdienen können,” sagte Laurent Slits, CEO von Uber Belgium, in der `La Libre Belgique´. “Wir wollen keine Klagen mehr, wir wollen keine Pfändungen mehr, wir wollen unseren Job nicht verlieren.“
Auch der Präsident des belgischen Verbands der Limousinenfahrer (ABCL), Fernando Redondo, glaubt, dass der Taxiplan zwischen ‘Taxistandtaxis’ und ‘Straßentaxis’ diskriminiere: “Wir wollen Arbeit für alle,“ betonte er.
Die Taxifahrer dagegen wollen mehr Klarheit über den so genannten ‘Numerus Clausus’, der die Zahl der Fahrer in der Hauptstadt begrenzen wird. “Wir würden das derzeitige Limit mit maximal 2.600 Fahrern gerne verdoppeln, aber auf keinen Fall darf es höher sein, denn dann werden Taxifahrer die Leidtragenden sein,“ sagte FeBet-Verbandspräsident Khalid Ed-Denguir der Stadtzeitung ‘Bruzz’.
Das neue Taxigesetz, das Plattformen wie Uber, Heetch und Bolt einen Rechtsstatus verleihen soll, wurde nicht nur im Mobilitätsausschuss des Brüsseler Parlaments behandelt, sondern gleichzeitig auch im Innenausschuss. Wegen noch offener Streitpunkte war eine Stimmabgabe noch nicht möglich. Damit wurde das Notstandsgesetz für das Taxigewerbe bis zum 22. Oktober verlängert. Im Innenausschuss wurde auch klar, dass klassische Taxis im ‘Taxiplan’ über eine App mit variablen Tarifen fahren dürfen.
Die Verordnung von Ministerpräsident Rudi Vervoort (gehört der Partei PS an) muss dem jahrelangen Ringen zwischen Taxisektor und Plattformtaxis ein Ende bereiten. Letztere nutzten eine Lücke im VVC(Limousinen)Gesetz, wurden aber auf dem Brüsseler Taximarkt immer dominanter. Ein Urteil des Berufungsgerichts in einem von der Taxizentrale Taxis Verts angestrengten Gerichtsverfahren (in dem Uber als ‘illegal’ verurteil wurde) ließ der Brüsseler Regierung keine andere Wahl, als die Grauzone zu beenden, in der sich Uber und andere Plattformtaxis bewegten.
Wichtig in der neuen Verordnung ist auch die Übertragbarkeit der Lizenzen. Diese ist derzeit noch ein spekulativer Handel. Alte Lizenzen können unter bestimmten Bedingungen noch weiterverkauft werden, aber die neuen Lizenzen werden registriert und sind nicht übertragbar. Mit der Zeit sollte die Übertragbarkeit der Lizenzen enden.
Der Verordnungsentwurf ist ein Kompromisstext, der die Brüsseler Mehrheit auf eine Linie bringen musste, nachdem es am Ende zu einem Streit zwischen Vervoort’s PS und den anderen Parteien gekommen war. Die Opposition reichte schon 43 Änderungsanträge ein. So finden MR und N-VA die Unterscheidung zwischen ‘Straßen-‘ und ‘Taxistandtaxis’ diskriminierend. Die PTB-PVDA lehnt die Verordnung ab, weil sie multinationalen Konzernen wie Uber zu viel Spielraum lässt.
Aufgrund der Vielzahl der Änderungsanträge konnte der Innenausschuss die Verordnung noch nicht verabschieden. Die Gespräche werden fortgesetzt. Es gibt jedoch einige Fragezeichen. So will die Brüsseler Regierung die dynamischen Tarife von Plattformtaxis einem Minimum und einem Maximum unterwerfen. Der Mindestsatz muss vermeiden, dass Taxifahrer nicht in einen Verdrängungswettbewerb geraten. Der Höchsttarif wiederum muss die Kunden in Brüssel vor Wuchertarifen schützen (wie Uber’s ‘Surge Pricing’). Die Festlegung dieses Tarifgebildes ist noch immer eine heikle politische Diskussion.
Außerdem muss festgelegt werden, wie viele Taxis nach dem ‘Numerus Clausus’ herumfahren dürfen. Derzeit gibt es 1.200 Konzessionen für ‘Taxistandtaxis’. Die Frage ist, wie viele ‘Straßentaxis’ erlaubt werden. Die Zahlen variieren zwischen 1.000 und 5.000. Kriterien wie Wirtschaftlichkeit und Marktnachfrage werden bei der Entscheidungsfindung eine Rolle spielen, gleichzeitig ist dies aber auch ein politisch heikles Thema. Schließlich ist noch nicht klar, ob die Uber-Fahrzeuge mit flämischer und wallonischer Lizenz in Brüssel fahren dürfen. wf
Hinweis der Redaktion: Weitere Beiträge in Taxi Times zu dieser Thematik:
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Beitragsfoto: Die klassischen Taxis heißen bald ‘Taxistandtaxis’ und genießen einige Sonderrechte. Sie dürfen beispielsweise die ÖPNV-Spuren in der belgischen Haupstadt benutzen. Foto: Wim Faber