Die Regierungsfraktionen CDU und SPD brachten einen gemeinsamen Antrag auf Prüfung eines Mietwagen-Mindesttarifs, Stärkung der Aufsichtsbehörde, ein öffentliches Konzessionsregister und mehr Kontrollen, auch gemeinsam mit dem LDS, ein. Darüber wurde gestern im Parlament debattiert.
Mit Spannung wartete man im Berliner Taxigewerbe auf die Plenarsitzung im Berliner Parlament, dem Abgeordnetenhaus von Berlin, am gestrigen Donnerstag. Die intensive verbandspolitische Arbeit und sicherlich auch Proteste aus dem Gewerbe hatten dazu beigetragen, dass beide Fraktionen der Berliner Landeskoalition sich auf einen gemeinsamen „dringlichen Antrag“ verständigt hatten. Von Seiten der CDU zeichneten Dirk Stettner und Johannes Kraft (und die übrigen Fraktionsmitglieder) verantwortlich, für die SPD standen die Namen Raed Saleh, Tino Schopf und Dr. Sven Meyer (und die übrigen Fraktionsmitglieder) unter dem Antragstext.
In der Parlamentsdebatte gingen die Meinungen zwischen den fünf Fraktionen nur in wenigen Punkten auseinander. Eine sehr deutliche Forderung nach schneller Einführung von Mindestentgelten für Mietwagenfahrten wurde von SPD, Linke und AfD erhoben.
Die Koalitionsvertreter beantragten, dass das Abgeordnetenhaus den Senat per Beschluss auffordert, eine Reihe von Maßnahmen zu ergreifen, „um den Versorgungsauftrag des Berliner Taxigewerbes und seine Existenz und Funktionsfähigkeit als Teil der Daseinsfürsorge zu sichern“.
Das Thema Mindestbeförderungsentgelte für Mietwagen erscheint erst weit unten im Forderungskatalog. Die geforderten Maßnahmen beinhalten unter anderem eine Stärkung der Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde mittels „Personalzuwachs durch interne Priorisierung“, der eine regelmäßige Kontrolle und Überprüfung der gewerblichen und konzessionierten Personenbeförderung ermöglichen soll.
Ein erheblicher Teil der Forderungen lässt das Vorbild Hamburg zwischen den Zeilen erkennen. So müsse etwa vor einer Konzessionsvergabe „zwingend eine Prüfung erfolgen, die sich nicht nur auf die Vorlage von Bescheinigungen Dritter beschränkt“, sondern auch eine Plausibilitätsprüfung des Geschäftsplans des Antragsstellers umfasst. Ebenso sei wiederholt zu prüfen, ob Unternehmer, Geschäftsführer, Betriebsleiter usw. zuvor bereits als unzuverlässig in Erscheinung getreten seien.
Des Weiteren soll durch die Behörde ein digitales, öffentlich einsehbares, monatlich zu aktualisierendes Register der konzessionierten Taxen und Mietwagen geführt werden, um die Transparenz zu erhöhen und das Vorgehen gegen Illegale zu vereinfachen. Uber & Co. sollen zum tagesaktuellen Abgleich der aktiven Accounts verpflichtet werden.
Ebenso soll die Behörde beauftragt werden, gemeinsam mit der Senatsverwaltung einen Maßnahmen- und Überwachungsplan für strukturierte Kontrollen des Taxi- und Mietwagengewerbes zu entwickeln und umzusetzen. Dazu sollen gemeinsam mit Polizei und Zoll bei Tag und Nacht unangekündigte Schwerpunktkontrollen durchgeführt werden, denn das habe sich bewährt. Hierbei solle auch Schwarzarbeit aufgedeckt werden. Schwere Verstöße gegen bestimmte Regeln sollen den Widerruf von Genehmigungen nach sich ziehen. Zudem soll die Zollbehörde in solchen Fällen die Möglichkeiten der Vermögensabschöpfung sowie der Auftraggeberhaftung prüfen.
Die Vorgabe eines Mindestbeförderungsentgelts für den Mietwagenverkehr gemäß § 51a Personenbeförderungsgesetz (PBefG) soll geprüft und im Falle offensichtlicher Wettbewerbsverzerrungen oder einer Störung des öffentlichen Verkehrsinteresses ergriffen werden.
Die Zusammenarbeit mit dem Landkreis Dahme-Spreewald (LDS) im Hinblick auf die Kontrolle von Mietwagen wollen die Antragsteller intensivieren. Hier ist die Rede davon, die illegale Fahrgastaufnahme (z. B. ohne Konzession) am Flughafen BER und in Berlin durch regelmäßige Prüfungen zu unterbinden.
Außerdem wird gefordert, das Projekt Inklusionstaxi zu verstetigen und das Taxigewerbe an der Erschließung neuer ÖPNV-Gebiete auszuweiten.
Weitere Forderungen betreffen die Fahrtenaufzeichnungen zur Überwachung der Rückkehrpflicht, die ordnungsgemäße Handhabung der Mehrwertsteuer, den Einbau von Fiskal-Wegstreckenzählern und externer Datensicherung, auch für in Brandenburg konzessionierte Mietwagen.
Der Antrag, der einschließlich Begründung hier komplett nachgelesen werden kann, war nachträglich auf die Tagesordnung der um 10 Uhr beginnenden Plenarsitzung gesetzt worden, so dass die Debatte darüber erst gegen 14:30 Uhr zustande kam, nachdem die Reihen im Plenarsaal sich – nach teils hitzigen Debatten unter anderem über den Landeshaushalt, Mietwucher und Beamtenbesoldung – bereits merklich gelichtet hatten.
Tino Schopf, der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, beschrieb als erster Redner den Umbruch im Taxigewerbe in den letzten Jahren – wie das Taxigewerbe, für das er seit Jahren engagiert kämpft, es von ihm kennt. Er nannte erste Erfolge nach Veränderungen beim Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) und bedankte sich bei der Behördenleiterin, Kirsten Dreher, für die Optimierung vieler Vorgänge. Er kritisierte jedoch, dass Betriebsprüfungen aufgrund von Personalnot noch immer viel zu kurz kämen. Es müsse kurzfristig mehr Personal bereitgestellt werden.
Schopf erwähnte, dass die unter anderem mit sechs Staatssekretären besetzte „AG Schwarzarbeit und Schattenwirtschaft“ ins Leben gerufen wurde, um Mietwagenbetriebe gründlicher zu prüfen. Der kriminelle Sumpf könne nicht mit einem Flickenteppich von Einzelmaßnahmen trockengelegt werden. Zwar sei die Zahl der Mietwagen erheblich „gedrückt“ worden, doch arbeiteten noch immer viele illegal (ohne Konzession) bzw. zu Dumpingpreisen. Schopf nannte den erreichten Tarifkorridor für Taxis einen Erfolg und forderte die Einführung eines Mindesttarifs für Mietwagen.
Die Grünen-Abgeordnete Antje Kapek sagte, man sei hier parteiübergreifend einer Meinung und Schopf lege den Finger zu Recht in die Wunde. Sie sprach von einem „Zuständigkeits-Pingpong“ zwischen der Verkehrs- und der Innenverwaltung, was die „organisierte Kriminalität auf den Straßen“ begünstige. Sie kritisierte, dass Verkehrssenatorin Bonde die Einführung der Mindestentgelte zwar wie ihre Vorgängerin Manja Schreiner angekündigt habe, was aber – trotz der Taxidemo vor dem Haus am 5.12. – bisher noch nicht geschehen sei.
Kapek unterstützte die Forderung nach Mindestbeförderungsentgelten und weitere Anliegen des Antrags wie etwa die Zusammenarbeit mit brandenburgischen Behörden: „Die Erkenntnisse müssen natürlich 1:1 mit Brandenburg abgestimmt werden, damit die Unternehmen, die hier eben nicht auf dem Boden von Recht und Ordnung agieren, dies nicht einfach drei Meter hinter der Landesgrenze dann fortsetzen können.“ Sie warf dem Senat vor, seinen Job nicht zu machen (verschwieg dabei aber, dass ich die bemängelten Probleme maßgeblich in der letzten und vorletzten Legislaturperiode entwickelten, als Kapeks Parteifreundinnen Regine Günther und Bettina Jarasch für das Verkehrsressort verantwortlich waren und die Kritik ihrer Koalitionspartner weitgehend ignorierten.)
Lucas Schaal (CDU) leitete seine Rede mit Zahlen über die beliebtesten Fahrziele von Uber-Nutzern ein. Uber sei seit zehn Jahren am Markt, und bald seien Bolt und Free Now gefolgt (die wirkliche Reihenfolge war MyTaxi/Free Now – Uber – Bolt). Dann kam er auf Regelverstöße, Sozialbetrug und Steuerhinterziehung im Mietwagengewerbe zu sprechen, was marktverzerrend und unfair sei und die Existenz des Taxigewerbes und aller, die sich an Regeln halten, massiv gefährde.
Schaal erinnerte daran, dass von den früheren Verkehrssenatorinnen Regine Günther und Bettina Jarasch dazu „gar nichts“ gekommen sei. Der Antrag sei das Ergebnis intensiven Dialogs unter anderem mit den Taxiverbänden, aber auch mit Plattformbetreibern. Man wolle fairen Wettbewerb für alle, Taxis und Mietwagen, und „mit Regeln, an die sich jeder halten muss“.
Schaal betonte die Wichtigkeit des öffentlichen digitalen Registers anstelle von „Zettelwirtschaft“. Man wolle niedrige Preise und faire Bedingungen, wofür es die Einhaltung und Kontrolle von Regeln brauche. Das Taxi sei essentieller Bestandteil des Umweltverbundes und erfülle wichtige Aufgaben der Daseinsvorsorge. Ziel sei es daher, faire Rahmenbedingungen für alle – Taxis und Mietwagen – zu schaffen. Er zählte Erreichtes seiner Koalition auf und nannte die nächsten anstehenden Schritte, wie sie im Antrag zum Teil gefordert werden. Das klang nicht nach einer unmittelbar bevorstehenden Einführung eines Mindesttarifs für Mietwagen.
Kristian Ronneburg, der verkehrspolitische Sprecher der Linksfraktion, der sich ebenso engagiert für das Taxigewerbe einsetzt wie Schopf, sprach von einem schwierigen Weg, bis die Einigung erzielt worden sei. Er erkannte die Bemühungen der Koalition an, die Aufgabe ernsthaft anzugehen. Die Aufdeckung der kriminellen Machenschaften sei vielen Engagierten zu verdanken, darunter Journalisten, Fahrer und Vertreter des Taxigewerbes sowie Politikern. Es sei wichtig, „ein sehr strenges Kontroll- und Prüfregime hier in Berlin auf den Weg“ zu bringen.
Ronneburg kritisierte, dass im Antrag lediglich von einer „Prüfung“ eines Mindesttarifs die Rede sei. Die Formulierungen seien „schwach und vorsichtig“. Er hätte erwartet, dass die Antragsteller dann auch „den Mut besitzen“, vom Senat zu fordern, „eine solche Allgemeinverfügung dann auch zu erlassen“ – ohne die schriftliche Begründung des Gerichtsurteils aus Leipzig abzuwarten und unendlich lange zu prüfen. Er fragte: „Warum ist die Koalition hier so zögerlich?“ Der Tarifkorridor sei gut, aber zu wenig. Er appellierte an Verkehrssenatorin Bonde, sich ein Beispiel an Leipzig zu nehmen.
Beim Thema Inklusion wünscht Ronneburg sich eine Schärfung des Antrags. Nachdem am Vortag die Einstellung des BVG-Rufbusses „Muva“ zu Ende Februar bekanntgegeben worden war, schlug Ronneburg vor, diesen ab dem 1. März durch eine Kooperation mit Taxis zu ersetzen.
Rolf Wiedenhaupt, der verkehrspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, nannte es gut und richtig, über die Stärkung des Taxigewerbes zu reden, da das Taxi ein wichtiger Bestandteil des ÖPNV sei – der zum größten Teil auf Steuergelder angewiesen sei. Das Taxi, so betonte er, sei der einzige Teil des ÖPNV sei, der ohne staatliche Zuschüsse auskommen müsse, aber rund um die Uhr Mobilität garantiere. Nicht umsonst habe seine Fraktion den Antrag auf ein Frauen-Nachttaxi auch in Berlin eingebracht.
Wiedenhaupt kritisierte, die anderen Fraktionen würden seit zehn Jahren davon reden, dass das Taxigewerbe sehr stark reglementiert sei, während das portalgestützte Mietwagengewerbe, das erkennbare kriminelle Strukturen aufweise, sich die Freiheit nehmen könne, das Taxigewerbe zu schädigen. Doch die letzten Koalitionen, egal aus welchen Fraktionen, hätten das Problem niemals „angefasst“. Erst der jetzige Senat habe endlich konkrete Schritte unternommen. Die Zusammenarbeit zwischen LABO, Zoll und Finanzbehörden sei dankenswerterweise erstmals klar adressiert worden.
Auch Wiedenhaupt sprach Schopf seine Anerkennung für dessen Engagement aus, kritisierte aber zugleich, dass er und die weiteren Antragsteller in ihrem Antrag „einen Schritt zurückgehen“ und lediglich die „Prüfung“ eines Mindesttarifs fordern. „Wir als AfD-Fraktion sagen, und das nicht erst seit heute: Der Mindesttarif muss für das Mietwagengewerbe jetzt kommen!“ Die Einführung des Mindesttarifs sei eine zentrale Maßnahme, um mit dem illegalen Preisdumping Schluss zu machen, und existentiell wichtig, um fairen Wettbewerb zu ermöglichen.
Das sei nun rechtssicher möglich, wie andere Städte gezeigt hätten, so der Jurist. Statt die Einführung durch eine weitere, langwierige Prüfung erneut zu verzögern, solle der Mindesttarif unverzüglich eingeführt werden. Klagen seien dann ohnehin zu erwarten, „egal, wie lange wir es vorher geprüft haben.“ Wiedenhaupt appellierte abschließend an die Kollegen, durch „umsetzendes Handeln“ dafür zu sorgen, „dass das Jahr 2025 im öffentlichen Personennahverkehr das Jahr des Taxis wird“ – das wolle zumundest seine Fraktion.
Eine Abstimmung über den Antrag stand gestern nicht auf der Tagesordnung. Wie Tino Schopf gegenüber Taxi Times erklärte, wird der Antrag als nächstes im Mobilitätsausschuss behandelt. Da das Programm der nächsten Sitzung Mitte Januar aber bereits festgeschrieben sei, ist damit erst am 29. Januar zu rechnen. Danach sei noch der Hauptausschuss an der Reihe, bevor der Antrag dann voraussichtlich im März, so Schopfs Hoffung, im Abgeordnetenhaus beschlossen werden könne.
Die Frage von Kristian Ronneburg und Rolf Wiedenhaupt, warum die Forderung nach der Einführung des Mindestentgelts im Antrag so zurückhaltend formuliert sei, stellte auch Taxi Times nach der Debatte dem SPD-Politiker. Dieser erklärte, die Formulierung sei ein Kompromiss zwischen der SPD, die die Forderung gerne sehr viel klarer und nachdrücklicher hineingeschrieben hätte, und der CDU, die es hiermit weniger eilig gehabt hätte. ar
Fotos: Screenshots aus der Live-Übertragung des Abgeordnetenhauses von Berlin
Die Debatte kann hier in voller Länge nachgesehen werden:
5:16:08 Tino Schopf (SPD)
5:22:24 Antje Kapek (Grüne)
5:28:25 Lucas Schaal (CDU)
5:33:57 Kristian Ronneburg (Linke)
5:40:09 Rolf Wiedenhaupt (AfD)
Das ist schon mal eine erstaunliche Entwicklung. So wie es formuliert wurde, ist es aber wohl eher auch mit größerer Mannstärke dauerhaft schwer umzusetzen. Was wohl die DSGVO zu dem Register sagen wird? Da habe ich große Zweifel. In dem Zusammenhang würde mich mal der technische Stand der Mobilithek interessieren. Wenn diese endlich funktionieren würde, könnte die Überwachung des Gewerbes mit Hilfe einer KI fast vollautomatisch funktionieren. Da liegt großes Potenzial brach. Oder wurden die Pflicht, seine mobilen Daten einliefern zu müssen, still und heimlich in eine Kann-Vorschrift umgewandelt? Die Idee war ja sehr gut. Die Umsetzung wieder mal nur ein Traum?
Hoffentlich ist das kein Wahlkampfgetöse