Der Fachverband Pkw-Verkehr Hessen und die Krankenkassen AOK Hessen und Knappschaft haben sich nicht auf eine neue Vergütung für Liegend- und Tragestuhlkrankenfahrten einigen können. Zahlreiche Taxi-Unternehmen haben ihre Verträge mit der AOK gekündigt.
Wieder einmal müssen Schwerstkranke und Mobilitätseingeschränkte Patienten, diesmal in Hessen, darunter leiden, dass sich Fahrgastbeförderungsunternehmen und Krankenkassen nicht auf einen Vertrag einigen können. Für AOK- und Knappschaftsversicherte in Hessen, die auf spezialisierte Krankentransporte angewiesen sind, stehen ab Januar dieses Jahres nur noch knapp die Hälfte der bisherigen Fahrzeuge zur Verfügung, denn rund 50 der 120 Dienstleister für Liegend- und Tragestuhlkrankenfahrten, die vom Fachverband Pkw-Verkehr Hessen vertreten werden, haben ihren Vertrag mit der AOK Hessen und der Knappschaft zum 1. Januar gekündigt. Damit fahren 350 Autos weniger für diese beiden Kassen.
Auch Taxiunternehmer Jens Marggraf aus Rotenburg hat den Vertrag mit den beiden Krankenkassen aufgekündigt. Die Mitarbeitenden von Jens Marggraf fahren schwerkranke und gehunfähige Menschen zu ihren Behandlungen in sämtlichen ärztlichen Einrichtungen. Das Online-Portal HNA zitiert den Taxiunternehmer: „Das Angebot der AOK Hessen ist weit unter dem, was andere Krankenkassen zahlen. Inflation, Erhöhung des Mindestlohns, hohe Spritpreise, Anschaffungs- und Reparaturkosten für die Fahrzeuge sowie ihre Ausrüstung – alles stemmen die Transportunternehmen.“. Mit der derzeit von der AOK Hessen und der Knappschaft gezahlten Vergütung für die Fahrten sei das nicht möglich.
Dementgegen erklärt die AOK Hessen die Forderungen der Unternehmen für zu hoch. Laut Stephan Gill von der AOK Hessen seien die Verbandsforderungen mit Zusatzausgaben von zehn Millionen Euro im Jahr 2022 verbunden – das Gesamtvolumen betrage derzeit 14 Millionen. Ein Angebot der AOK Hessen, das Mehrkosten von insgesamt fünf Millionen Euro verursachen würde, sei vom Fachverband abgelehnt worden. Die Kündigungen der Unternehmen werden sich jedoch nicht negativ auf Versicherte auswirken, betont Gill.
Die Kassen verweisen ihre Kunden aus dem Landkreis nun an die verbliebenen Vertragsunternehmen. Die übrig gebliebenen Dienstleister, die derzeit noch Liegend- und Tragestuhlkrankenfahrten für die AOK Hessen und die Knappschaft fahren, können zumindest im Landkreis Hersfeld-Rotenburg den Markt aber nicht mehr ausreichend bedienen. Taxiunternehmer Kai Hebeler aus Friedewald stellt fest: „Wir sind erst einmal weiterhin Vertragspartner der AOK. Diese Aufträge kommen also noch zu unseren Stammfahrten hinzu, dies überschreitet die Kapazitäten der Firma. Wir fahren auf Teufel komm raus und wollen gern alle Fahrten übernehmen. Aber wir schaffen es nicht“, so sein O-Ton auf hna.de. Die Kunden würden auf Absagen verärgert reagieren, „doch uns sind leider die Hände gebunden“, so Hebeler weiter. So entstünden häufig Wartezeiten, und kurzfristige Fahrten könne das Unternehmen fast gar nicht mehr annehmen.
Mathias Hörning, Pressesprecher des Fachverbands, hofft, dass sich die AOK Hessen auf den Verband zubewegt: „Wir haben klar signalisiert, dass wir weiterhin verhandlungsbereit sind.“ Auch die AOK sei weiterhin gesprächsbereit, sagt Stephan Gill für die AOK Hessen.
Anmerkung der Redaktion: Für einen Laien scheint es auch in der hier vorliegenden Konstellation kaum noch vorstellbar, dass die Verhandlungspartner einen wirklich tragfähigen Kompromiss erzielen können. Zwischen den Zeilen lässt sich jedenfalls nur wenig Verständnis für die Position des jeweiligen Gegenübers herauslesen. Vielleicht bedarf es für solche Verhandlungsrunden generell eines geeigneten Faktenchecks im Voraus, der es den beiden Seiten leichter macht, ein beidseitig akzeptables Ergebnis zu erzielen. Denn eigentlich sollten sich die Kosten, die ein so gearteter Krankentransport verursacht, doch neutral ermitteln lassen. In jedem Fall inakzeptabel ist, dass diese Schlacht zwischen Krankenklassen und Beförderungsunternehmen regelmäßig aufs Neue sowohl auf dem Rücken der Patienten, die um ihre Versorgung fürchten müssen, als auch dem der Mitarbeitenden ausgetragen wird, die um ihre Jobs fürchten müssen. rw
Beitragsbild: Remmer Witte