Überraschung in Großbritannien: Der Fahrtenvermittler Uber hat angekündigt, den britischen Fahrern künftig Mindestlohn, Urlaubsgeld und Rente zu zahlen, jedoch nur während der Zeit eines Auftrags. Uber reagiert damit auf einen verlorenen Rechtsstreit.
Im vergangenen Monat lehnte der Oberste Gerichtshof des Vereinigten Königreichs die Berufung von Uber gegen ein Urteil des Arbeitsgerichts von 2016 ab, wonach deren Fahrer als „Vertragsarbeiter“ angesehen werden sollten (gemeint ist damit eine Zwischenkategorie zwischen Selbständigen und Arbeitnehmern). Das hat nun Konsequenzen: Letzte Nacht, nachdem die Börse in New York geschlossen hatte, kündigte Uber an, dass man seinen 70.000 Fahrern in Großbritannien nun einen Mindestlohn, Urlaubsgeld und eine Rente garantieren werde.
Konkret: Die Fahrer sollen mindestens den gesetzlichen Mindestlohn (8,91 £- entspricht 10,41 Euro) erhalten, wobei als Arbeitszeit nur der Zeitpunkt von der Auftragsannahme bis zum Ausstieg des Fahrgastes gezählt wird. Zudem werden die auch automatisch in einen betrieblichen Altersversorgungsplan aufgenommen, der zusätzlich zu ihren eigenen Beiträgen Beiträge von Uber enthält. Fahrer haben weiterhin Zugang zu einer kostenlosen Versicherung bei Krankheit oder Verletzung sowie zu Leistungen für Eltern, die allen Fahrern seit 2018 zur Verfügung stehen.
Diese „soziale Kehrtwende“ überrascht, denn unmittelbar nach dem Urteil des Obersten Gerichtshofs hatte Uber noch erklärt, dass die Entscheidung nur für eine kleine Anzahl von Personen gelte, die direkt in den Fall involviert seien und dass es nicht zwingend erforderlich ist, das Urteil auf andere Fahrer anzuwenden. Gleichzeitig erhielten alle Fahrer in Großbritannien eine Umfrage zu ihren Arbeitsbedingungen und ihren persönlichen Vorlieben mit einigen ‘leitenden’ Fragen zur Bedeutung von Freiheit und Flexibilität.
Mit der gestrigen Entscheidung feiert sich das Unternehmen selbst. „Dies ist ein wichtiger Tag für Fahrer in Großbritannien“, sagte Jamie Heywood, Uber General Manager für Nord- und Osteuropa. Heywood gab zu, dass Ubers Entscheidung wahrscheinlich Druck auf andere Gig-Unternehmen ausüben würde, den Kurs zu ändern: „Uber ist nur ein Teil einer größeren Gig-Branche. Wir hoffen, dass alle anderen Unternehmen sich uns anschließen, um die Qualität der Arbeit dieser Angestellten zu verbessern, denn sie sind ein wesentlicher Bestandteil unserer täglichen Arbeit.“
Auch Gewerkschaften und Fahrer zeigten sich in ersten Statements mit der Entscheidung zufrieden, konnten sich aber Seitenhiebe nicht verkneifen: Mick Rix von der GMB-Gewerkschaft sagte in The Guardian: „Es ist eine Schande, dass GMB vier Schlachten gewinnen musste, um sie zur Umkehr zu bewegen, aber am Ende haben wir einen großen Gewinn für unsere Mitglieder erzielt. Andere Gig-Economy-Unternehmen müssen berücksichtigen, dass dies das Ende des Weges zur Scheinselbständigkeit ist. Uber musste hier mit Tritten und Schreien abgeschleppt werden, um das Richtige zu tun, aber am Ende beschlossen sie, dem Gerichtsurteil zu folgen und ihre Fahrer als „Arbeiter“ zu behandeln.”
Auch der Generalsekretär der Dachgewerkschaft TUC, Frances O’Grady, sagte, die Entscheidung „scheint ein großer Schritt in die richtige Richtung zu sein. Jetzt muss das Unternehmen die Gewerkschaften noch anerkennen. Der TUC ist bereit, Gespräche mit Uber zu führen.“
Die App Drivers & Couriers Union (ADCU) unter der Leitung von James Farrar und Yaseen Aslam, Hauptakteure im erfolgreichen Fall des Obersten Gerichtshofs und im jüngsten Fall von Algorithmusdaten gegen Uber und Ola in Amsterdam, sagte jedoch, dass die Fahrer immer noch zu kurz kommen. „Obwohl wir Ubers Entscheidung begrüßen, endlich Mindestlöhne, Urlaubsgeld und Renten zu zahlen, sehen wir, dass sie dieses Angebot buchstäblich einen Tag zu spät und um einen Dollar zu wenig gemacht haben.“
Farrar spielt damit auf den Makel an, dass Uber-Fahrer diese neuen Vorteile erst ab dem Zeitpunkt erhalten, an dem sie eine Fahrt annehmen und dann auch nur bis zum Ende der Fahrt. Die Leistungen gelten nicht für die gesamte Zeit, in der sie angemeldet sind. Dabei war dies in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs als eigentlich geltende Arbeitszeit festgelegt worden.
Großbritannien ist einer der fünf größten Märkte für Uber, das im Jahr 2020 6,8 Milliarden US-Dollar verloren hat. Allein die Buchungen in London machen 6,4% brutto der gesamten Bestellungen von Uber aus. Der britische Markt bietet Uber eine alternative Option mit der Zwischenkategorie „Arbeitnehmer“ (eine Art Vertragsarbeiter zwischen Selbstständigen und Arbeitnehmern). In diesem Bereich warten jedoch größere (rechtliche) Kämpfe in der EU – insbesondere jetzt, da die EU-Kommission daran arbeitet, eine Position für ihre Politik in Bezug auf Gig-Arbeiter festzulegen. wf
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Wieder mal tricksen, Augenwischerei um das Gericht gnädig zu stimmen und den Fahrern zu zeigen “ Wir tun was “
Wäre es eine kleine „Firma “ wäre längst die Obrigkeit da und würde so etwas unterbinden.
Aber auch in Deutschland wird es so kommen wenn die Politiker nicht bald aufwachen und „Ihren “ Job machen.
Vielleicht werden die Fahrer mal schlau und beantragen lieber Arbeitslosengeld als für Sk……..treiber zu arbeiten.
Mal im Ernst: glaubt irgend jemand, dass Uber plötzlich brav werden wird???
Mindestlohn nur während der Arbeitszeit- also quasi gar nicht. Die verstehen nicht, dass Bereitstellung auch zur Arbeitszeit gehört.
Warum tritt man die nicht einfach so fest in den Arsch, dass die über den großen Teich nach Hause fliegen und sich endlich aus Europa verpissen? Hier herrschen andere Standards.
Wer braucht überhaupt Uber und Co?
Dienstleistungsapps sind die Lösung ( Taxi. de, Taxi. eu… ).
Die bieten den Service der Online-Bestellung und des Online-Bezahlens für einen geringen mtl. Beitrag und gut ist.
Taxiunternehmer bezahlen ihre Angestellten und durch die Fiskal-Taxameter ist Korrektheit garantiert.
Und dann gibt es auch z.B. in London keine 40.000 Mietwagen mehr, die die Innenstadt blockieren.
Das Leben kann so einfach sein…
Damit verdienen die Fahrer ja genau so viel wie vorher, womöglich weniger …
Denn nur bezahlt zu werden, wenn das Auto mit Fahrgast rollt (plus Anfahrtzeit noch) ist mit dem Wort „Hungerlohn“ noch euphemisch umschrieben. Bei wohlwollend gerechnet 15 Fahrten am Tag (12 Std.) bei einer ebenfalls wohlwollend angenommenen Durchschnittsdauer von 22 Minuten inkl. Anfahrt sind das 5,5 Std für die dann etwas über 57 Euro ausgezahlt werden. Bei einer Arbeitszeit von etwa 12 Stunden AM TAG wohlbemerkt. Macht im Monat bei 20 Arbeitstagen 1.145 Euro, wer auch 6 Tage die Woche arbeitet (nicht unüblich in dieser Szene) sind es 1.345 Euro. Sind es jedoch weniger Fahrten, was auch außerhalb von Corona anzunehmen ist, dann folgt entsprechend weniger Lohn.
Dies aber alles VOR Steuern und den in London nicht geringen Lebenshaltungskosten. Jeder deutsche ALGII-Bezieher „verdient“ deutlich mehr – ohne Arbeit.
Was soll das für eine Gewerkschaft sein, die sich „mit dieser Entscheidung zufrieden“ zeigt?
Entweder habe ich da was nicht richtig verstanden oder mein Kopfschütteln über diese Farce ist berechtigt.
Das Geschäftsmodell ist nach wie vor unverändert und in einem Satz erklärt: Marktbeherrschung durch Dumpingpreise ermöglicht eine Marktorganisation, die den Großteil der Markterlöse individualisiert (Uber) und das gesamte Marktrisiko kollektiviert (Fahrer). Für dieses altbekannte Problem, das Uber „Geschäftsmodell“ nennt, gibt es im Gelegenheitsverkehr eine institutionalisierte Lösung. Sie heißt Taxi. Die wahre Innovation von Uber ist, unentwegt Rückschritte in Fortschritte und Errungenschaften in Anachronismen umzudeuten.