Ein Vorschlag von Uber für eine Notlösung, die einen Teil der Taxi- und Mietwagengesetzgebung von 1995 außer Kraft setzen würde, spaltet zur Zeit die Brüsseler Regionalregierung unter Rudi Vervoort.
Nachdem letzte Woche Uber-Fahrer zwei Tage lang im Zentrum der belgischen Haupstadt demonstriert und Tunnel blockiert hatten, demonstrierten gestern Brüsseler Taxifahrer – bescheidener als die Uber-Fahrer: Die Drohung, ebenfalls den Verkehr im Stadtzentrum zu blockieren, kam nicht zur Umsetzung.
Nachdem die seit 2015 bestehenden Uber-Dienste letzte Woche von einem Berufungsgericht in Brüssel als illegal deklariert wurden (womit ein Urteil von 2019 bestätigt wurde), befürchtet das Brüsseler Taxigewerbe, dass die Brüsseler Regionalregierung eine „Übergangslösung“ (eher eine „Notlösung“) zusammenstellt, die es dem Uber-Konzern und den Uber-Fahrern ermöglichen würde, in wenigen Wochen, spätestens am 13. Dezember, ihren Betrieb wieder aufzunehmen, als sei nichts passiert. Das wäre ein herber Schlag für das Taxigewerbe, das sich nach jahrelangen Protesten und Gerichtsverfahren über das Urteil des Berufungsgerichtes freut.
Der Uber-Konzern sorgt nicht nur über die Fahrer für permanenten politischen Druck, sondern zeigte sich auch „hilfreich”, indem er allen politischen Parteien schon letzte Woche einen maßgeschneiderten Lösungsvorschlag präsentierte. Die Uber-Lösung würde bedeuten, dass Artikel 17 des Gesetzes vom 27. April 1995, das den Taxi- und Mietwagenverkehr in Brüssel regelt, in einigen Punkten vorübergehend geändert würde.
Diese Übergangslösung würde darin bestehen, die Verpflichtung aufzuheben, dass die von Uber-Fahrern genutzten Mietwagen (genannt Limousinen) nicht mehr im Voraus und für mindestens drei Stunden bestellt werden müssen (wie bei „normalen“ Limousinen), sondern dass die Uber-Limousinen ohne (festen) Auftrag herumfahren dürfen, und dass es den Uber-Fahrern erlaubt wäre, Sprechfunk (also Handys) zu benutzen.
Die Aktivitäten einiger politischer Parteien in der Region Brüssel-Hauptstadt, die alles tun, um Uber und dessen Fahrer so schnell wie möglich wieder an dem Start zu bringen und ein „soziales Massaker“ unter den 2.000 Fahrern (indirekt verursacht durch die illegalen Aktivitäten von Uber) zu vermeiden, stoßen auf Unverständnis im Brüsseler Taxigewerbe: „Es wäre eine Übergangslösung für Uber-Fahrer, die den Begriff ‚Gerechtigkeit‘ auf den Kopf stellen würde“, sagte Sam Bouchal vom Brüsseler Taxiverband in einem Tweet. „Woran können wir noch glauben?” Was jetzt passiere, sei „dégoûtant”, wörtlich übersetzt „widerlich”, also aberwitzig und über alle Maßen grotesk.
Derzeit zeigt die Uber-App – die von Uber am vergangenen Freitag um 18:00 Uhr für Fahrer mit VVB- (also Limousinen-)Genehmigungen geschlossen wurde – ihren Kunden den Text „Es sind keine Autos verfügbar“. Das liegt vor allem daran, dass Uber befürchtet, dass Anwälte von „Taxis Verts“ nach Bekanntwerden des Urteils des Berufungsgerichts nachweisen möchten, dass illegale Fahrten auch nach dem Gerichtsurteil noch durchgeführt werden. Für jeden Verstoß von Uber ist eine Geldstrafe von 10.000 Euro fällig (maximal eine Million Euro). Kläger Michel Prêtre, Chef der Taxizentrale Taxis Verts, bestätigte in den Medien, nach dem Urteil noch keine Verstöße festgestellt zu haben.
Gestern haben sich die Mehrheitsparteien im Brüsseler Regionalparlament auf eine „Übergangsmaßnahme“ in Form einer „dringenden Verordnung“ für das Problem der Brüsseler Uber-Fahrer geeinigt. Unterstützung dafür finden sie bei einigen Oppositionsparteien. Diese Lösung geht in Richtung der von Uber bereitwillig zur Verfügung gestellten „Vorschläge“ und soll bis August 2022 laufen, damit genügend Zeit für die Diskussion um den „Taxiplan“ bleibt.
Inzwischen wird auch deutlich, dass es in der Regierung Zweifel gibt am Taxiplan, auf den die Parteien sich letzte Woche blitzschnell geeinigt hatten, und der auf Drängen der christlich-demokratischen Oppositionspartei CDH (die die „Notverordnung“ für Uber auf den Weg gebracht hat) verabschiedet worden war. Diese Partei war bereits zufrieden: „Wir haben bekommen, was wir wollten: eine Übergangsfrist für den Taxiplan und die Möglichkeit, über den Taxiplan zu diskutieren“, sagte Parlamentsmitglied Christophe De Beukelaer (CDH).
Die sozialdemokratische Parti Socialiste (PS), die Partei von Premierminister Vervoort, ist gegen die Vorschläge und unterstützt das Taxigewerbe und einen „Taxiplan“, der ein „Level Playing Field“ bieten soll für beide Beförderungsarten und Fahrer. Zugleich wird in der PS heftig über die „vorläufige“ Verordnung diskutiert. Ministerpräsident Rudi Vervoort steht mit seiner 100-prozentigen Unterstützung für die neue Taxi-Regulierung alleine da. Fraglich ist auch, ob es bei den Beratungen im Parlament nächste Woche genügend Stimmen für die Notlösung geben wird. Uber manipuliert durch die Instrumentalisierung von (angeblich) 2.000 Fahrern, die dringend Arbeit und Geld brauchen, geschickt die Brüsseler Politik. wf
Beitragsfoto: Sozialdemokrat Rudi Vervoort steht mit seiner Befürwortung des „Taxiplans“ in seiner Partei derzeit alleine da, während ein Vorschlag von Uber für eine Notlösung im Konflikt um das Uber-Verbot die Brüsseler Regionalregierung spaltet. Foto: Europäische Union / Fred Guerdin
Es kann doch nicht sein, dass höchstrichterliche Entscheidungen dadurch konterkariert werden, indem man konzertiert „seine“ Fahrer auf die Straße schickt und Akte der Gewalt (dazu gehört nun mal das Lahmlegen des Verkehrs in einer europäischen Metropole) begeht um ihre gerichtlich abgelehnten Wünsche dennoch in die Tat umgesetzt zu sehen.
Das erinnert auch an den konzertierten „Volksentscheid“ in Kalifornien im vorletzten Jahr, welcher eine Regierungsentscheidung zu Fall brachte (was viele der gedrängten Unterzeichner mittlerweile bereuen).
Wobei es einem börsennotierten Konzern wie UBER keinesfalls(!) um das soziale Wohl „seiner“ Fahrer gehen kann. Das sollte für einen unabhängigen Beobachter (gibt es die in diesem Fall noch?) doch leicht zu erkennen sein.
Höchste Gerichtsentscheidungen (die juristische Vertretung einer demokratischen Volksgemeinschaft) mit Gewalt, Lobbyismus und Ministererlassen zu Fall bringen zu wollen ist eine typische Vorgehensweise dieser Firma und darf keinen Erfolg haben!